Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2007, Rubrik Titelthema

Was macht die rechtsextreme Jugendkultur für junge Leute attraktiv?

von Dr. Michael Kohlstruck, Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin


Was meint eigentlich rechtsextrem?
Die ausufernde Verwendung des Wortes »rechtsextrem« in den öffentlichen Debatten sowie der uneinheitliche Gebrauch innerhalb der Wissenschaften erfordert eine klärende Vorbemerkung. Am engsten wird der Begriff »Rechtsextremismus« beim Verfassungsschutz verwendet, wo der Extremismusbegriff an das Merkmal der erklärten Gegnerschaft zum bestehenden politischen System und aktive Bestrebungen zur Systemüberwindung gebunden wird. Am weitesten wird der Extremismusbegriff in den verschiedenen Arenen der Zivilgesellschaft gefasst, wo manchmal schon die Ablehnung einer ungeregelten Zuwanderung oder die Unterscheidung von Staatsbürgern und Nichtstaatsbürgern und die Zuerkennung unterschiedlicher Rechte unter Rechtsextremismusverdacht gestellt werden. Offensichtlich wird der Rechtsextremismusbegriff dort durchaus auch als Mittel der semantischen Kampfverstärkung verwendet, wo es lediglich um konkurrierende gesellschaftspolitische Vorstellungen geht. Auf ein ähnlich breites Bedeutungsspektrum stößt man auch in den Wissenschaften; soweit jedoch den hier herrschenden Standards der Begriffsexplikation gefolgt wird, ist für aufmerksame Leser erkennbar, ob mit dem Rechtsextremismusbegriff bewusste Angriffe auf die bestehende Ordnung oder ideologisch-politische Konflikte gemeint sind, die innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft auf dem anerkannten Boden des liberalen Rechtsstaats stattfinden. Hinzu kommt die Unterscheidung verschiedener Ebenen, also die Operationalisierung des Großbegriffs »Rechtsextremismus«, etwa als eine beschreibbare Ideologie oder Weltanschauung, als Einstellungen in der Bevölkerung oder Wahlverhalten des Wahlvolkes, als Parteien, parteiunabhängige Politaktivisten und deren Strategien.

In diesem Beitrag werden mit rechtsextremer Jugendkultur die Szenen und Cliquen gemeint, die zum Grundtyp der maskulinen Jugendkultur gehören und sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrem Musikkonsum mit Zeichen und Symbolen aus dem politischen und kulturellen Repertoire der radikalen Rechten ausstatten. Bereits in der Bezeichnung »rechtsextreme Jugendkultur« ist die Verschränkung von Jugendkultur und Politik angesprochen, die für diese Szenen charakteristisch ist. Man würde nicht von rechtsextremer Jugendkultur sprechen, wenn die Inhalte und Formen, die Themen und Aktivitäten dieser maskulin geprägten Kreise mit Politik gar nichts zu tun hätten und man würde nicht von rechtsextremer Jugendkultur sprechen, wenn es sich dabei um rechtsextreme Politaktivisten handeln würden, die (mit oder ohne Verbindungen zur NPD) für ihre politischen Ord-nungsvorstellungen werben und sie (parlamentarisch oder als nationale außerparlamentarische Opposition) durchzusetzen versuchen würden. Partei- und Kameradschaftsmitglieder zählen in diesem Sinne nicht zur rechtsextremen Jugendkultur.

Outdoor-Machos
Charakteristisch für Jugendkulturen des maskulinen Stils ist ihr Agieren im öffentlichen Raum. Nicht die Teestube, sondern die Bushaltestelle oder der Marktplatz der Kleinstadt ist ihr Treffpunkt. Ihr Markenzeichen ist ein offensiv zur Schau getragenes Machogehabe, mit dem sie sich gegenseitig wie nach außen Härte, Stärke und die Verachtung von Schwäche und Weichheit demonstrieren. Körperliche Stärke und Gewalttätigkeiten sind fester Teil ihrer kulturellen Praxis. Gegenüber den Gruppen anderer Jugendkulturen wie gegenüber der Bevölkerung erheben sie Anspruch auf bestimmte Räume, Straßenecken oder Plätze, ihr Auftreten ist von einem Imponiergehabe gekennzeichnet. Respekt verschaffen sie sich durch Androhung von Gewalttätigkeiten, der sie durch direkte körperliche Attacken Nachdruck verleihen. Mit der autochthonen Bindung und dem Territorialverhalten sind einfache Unterscheidungen von Zugehörigkeiten und niedrigschwellige Fremdheitsdefinitionen verbunden: Schon die Cliquen aus dem nächsten Kiez oder dem übernächsten Dorf können als fremd gelten und ggf. zu Feinden erklärt werden.

Jugendkulturen sind charakterisiert durch die Sichtbarkeit der Zugehörigkeit. Ohne einen gemeinsamen Stil, der sich in Kleidung, Frisuren, Musik- und Drogenpräferenzen sowie thematischen Schwerpunkten ausdrückt und von außen erkannt werden will, würde man soziologisch nicht von einer Jugendkultur sprechen.

Verschlüsselte Symbole
Für die rechtsextreme Jugendkultur ist charakteristisch, dass ihre Angehörigen sich mit Symbolen und Zeichen ausstatten, die in der Vergangenheit eine politische Bedeutung hatten (etwa die Flagge Schwarz-Weiß-Rot, die nur das Deutsche Reich zu repräsentieren scheint, tatsächlich aber seit der Weimarer Republik ein Gegensymbol zum demokratisch-republikanischen Schwarz-Rot-Gold ist) oder die heute – oft vielfach verschlüsselt – auf politisch relevante Personen, Ereignisse und Prozesse verweisen (etwa ein T-Shirt mit der Zahl 14, das für den 14-Wörter-Satz weißer Rassisten steht: »Wir müssen die Existenz unseres Volkes und auch die Zukunft unserer weißen Kinder sichern.«). Politische Bedeutung haben auch die Themen und die Botschaften von szene-intern kursierenden Fanszines oder die Liedtexte des Rechtsrock. Sie künden von der vermeintlichen Größe des eigenen Volkes, von seiner Urgeschichte und seinen verschütteten und unterdrückten, gleichwohl aber fortlebenden kulturellen Traditionen. In dieser Sicht waren und sind die Deutschen ein Opfer ihrer Feinde, ja der Geschichte im Ganzen, aber sie werden wieder zu der ihnen angeblich zustehenden Größe und Herrlichkeit finden und »Das Reich wird neu ersteh’n«, wie es in einem einschlägigen Liedtext heißt.
Zu den gesungenen und gedruckten Botschaften gehört die Verachtung der Volksfeinde und der Volksverräter, all jener, die aus rechtsextremer Sicht die Deutschen ausnutzen, sie politisch unterdrücken oder die Reinheit des Volkes nicht als höchsten Wert anzuerkennen bereit sind. Gehetzt wird gegen Politiker, gegen Migranten und andere Minderheiten, insbesondere gegen Juden. Dies geschieht manchmal in Anspielungen, häufig jedoch ganz direkt und brutal. Verachtung, Ausgrenzung und Tötung sind die Botschaften. Diese Üblichkeiten in den Cliquen der rechtsextremen Jugendkultur dokumentieren, was für alle gilt: So kleidet man sich, diese Musik hört man, so spricht man über Minderheiten. Dies bedeutet nicht, dass alle jungen Leute, die sich in diesen Szenen bewegen, allein deshalb schon ein konsistentes rechtsextremes Weltbild hätten oder politische Strategien zum Kampf gegen die Bundesrepublik entwerfen würden. Vielmehr hat man davon auszugehen, dass sich in diesen Szenen jugendkulturelle Motive des Mitmachens, der Rebellion und der Provokation, des gemeinsamen Rumhängens und Biertrinkens mit politischen Motiven mischen, also einem Interesse an politischem Handeln, an gesellschaftlichen Veränderungen und schließlich auch daran, »Verantwortung zu übernehmen«, also selbst Macht auszuüben. Die rechtsextreme Jugendkultur ist ein Misch- und potentielles Übergangsfeld, in dem sich Jugendkultur und politischer Rechtsextremismus in unterschiedlicher Weise durchdringen. Wie dies im lokalen Einzelfall aussieht, kann nur durch empirische Beobachtung geklärt werden.
In jedem Fall aber finden hier problematische Sozialisations- und Bildungsprozesse statt. Minderheitenfeindlichkeit und Gewaltpraxis gehören zu den gruppeninternen Standards, eine aggressive Maskulinität und systematisch überzogener Alkoholkonsum stellen weitere charakteristische Merkmale dar.

Suche nach Anerkennung und Rebellion
Was kann junge Männer an diesen Szenen reizen, warum macht man hier und nicht woanders mit? Ein Teil der Antwort ist trivial, spielt aber im ländlichen Raum häufig eine Rolle. Mancher Halbwüchsige will sich von seiner Familie lösen, ist auf der Suche nach Kumpels, hungert förmlich nach Möglichkeiten abweichenden Verhaltens und trifft am Ort oder in der näheren Umgebung auf keine andere Cliquen als rechtsextrem orientierte. Der lokale Jugendclub wurde schon vor Jahren geschlossen. Er schließt sich dann aus Mangel an Alternativen der einzigen Clique an, die in seinem Umkreis existiert. Doch letztlich gilt: »Kein Mensch muß müssen« (Lessing) – welche inneren Gründe kann es geben, in diesen Cliquen mitzumachen?

Der Zugang zu den Cliquen ist einfach, und der Nutzen der Zugehörigkeit ist hoch. Denn wie gehört man dazu? Man muß lediglich so aussehen wie die anderen und sich so benehmen, den üblen Sprüchen schweigend zustimmen oder selbst einmal gegen Minderheiten hetzen. Mit der Zugehörigkeit steigt der Status: Nun gehört man zu einer Gruppe und hat damit fürs erste eine Reihe von alterstypischen Problemen auf einen Schlag gelöst: Es gibt eine Alternative zum Elternhaus, man verbringt seine Freizeit in Gesellschaft und ist dort als »einer von uns« anerkannt. Auch ohne großes Nachdenken und lange Suchprozesse scheint eine Antwort auf die Frage nach einem eigenen Gesellschaftsbild gefunden, man ist »deutsch« und gehört zu »den Rechten« – die meisten verbinden damit anfangs nicht mehr als eine Ablehnung von Migration und Migranten. Das Gefühl der Einigkeit und Stärke in der Gruppe geht nicht wirklich auf eine konsistente Ideologie zurück, sondern auf den ge-meinsam geteilten und kommunizierten Glauben, man habe eine solche Weltanschauung. Auch der maskuline Stil mit seiner ostentativen Aggressivität gegen alle Unmännlichkeit kann ein pauschales Sicherheitsgefühl in den Prozessen sexueller Identitätsfindung geben: Schwul jedenfalls will man nicht sein und Frauen gilt häufig eine demonstrative Verachtung.

Man gehört nun zu einer rebellischen Truppe, vor der andere Angst haben und die ein öffentlich wahrgenommenes eigenes Profil hat. Das ist viel für die Nobodies, die sich hier zusammengetan haben – auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit die Aufmerksamkeit der Ablehnung ist. Passanten wechseln die Straßenseite, andere Jugendkulturen und Migranten meiden die eigenen Territorien. Damit verbinden sich Gefühle einer Sozialraumkontrolle und einer kollektiven Selbstwirksamkeit.

Sogwirkung
Die Motive eines anfänglichen Mitmachens sind das eine, mögliche Dynamiken einer längeren Zugehörigkeit zu dieser Jugendkultur etwas anderes. Die dauerhafte Rezeption von brutalen Liedtexten, mobilisierenden Flugblätter oder von rechtsextremen Internet-Seiten fließt in die Kommunikation und von dort in die eigene Weltsicht ein. Das führt gegenüber der Clique zu einer Aktivitätsverpflichtung: Nur dabei zu sein wird auf Dauer nicht für die gewünschte Anerkennung ausreichen, die Einzelnen werden mit der Erwartung konfrontiert, sich auch öffentlich zu exponieren und durch provokative Propagandaaktionen oder Gewaltakte ihre Verwurzelung in der Szene unter Beweis zu stellen. Doch auch die Übernahme von sprachlichen Propagandaformeln oder einzelnen Ideologieelementen in das eigene Repertoire bedeutet häufig nicht mehr als die vermehrte Verwendung stehender Formeln oder die Vergrößerung der Zahl der umlaufenden sprachlichen Stereotypen. Man bestätigt sich wechselseitig, auf der richtigen Seite zu stehen, gegen Ausländer zu sein und für die Erhaltung des Deutschtums. Eine intellektuelle Durchdringung historischer und aktueller Themen gehört nicht zu den typischen Merkmalen dieser Szenen. Hier dominiert das leicht praktizierbare Wiederholen formelhaft gebrauchter Propagandaelemente, die Tradierung von historischem Halbwissen und Schlagwörtern und vor allem der Primat eines vergemeinschaftenden Stils. Zu diesem Stil gehört auch das interne Selbstverständnis, im Namen von – immer nur chiffrenhaft und projektionsoffen kommunizierten – Idealen (»Deutschland«) zu agieren und sich insofern auch im moralischen Selbstgefühl über andere erheben zu können. Die aggressive Haltung speziell gegen Migranten, die sich häufig in gewalttätigen Übergriffen darstellt, versucht sich den Anstrich einer Legitimität zu geben, indem auf Migrationsskepsis und Migrantenfeindlichkeit in der Mehrheitsbevölkerung verwiesen wird, die jedoch nicht die Kraft zur Tat aufbringe.

Konstitutiver Teil dieser Jugendkultur ist die Gewaltpraxis. Doch darf dies nicht zu der unzutreffenden Auffassung führen, die Gesamtheit der von der Polizei als politisch motiviert klassifizierten Gewalttaten von rechts gehe nur auf die auch äußerlich erkennbaren Szenen der rechtsextremen Jugendkultur zurück. Gewalttaten aus gruppenfeindlichen Motiven, also Gewalttaten ohne einen vorausgehenden persönlichen Kontakt zwischen Tätern und Opfern und ohne Bereicherungsabsichten, werden auch von Gruppen begangen, die nicht in der beschriebenen Weise auffällig sind. Noch ein weiteres Missverständnis sollte aufgeklärt werden: Gruppenfeindliche Gewalttätigkeiten, Hate Crimes also, sind politisch relevante Straftaten, sie haben Folgen für das Klima des gesellschaftlichen Zusammenlebens von Mehrheit und Minderheiten. Diese hohe gesellschaftspolitische Relevanz sagt jedoch nichts über die Art ihres Zustandekommens aus. Sehr häufig – und damit sind wir wieder bei den maskulinen Jugendcliquen – sind es nicht kalkulierte und rational geplante Taten, mit denen gesellschaftliche oder politische Ziele verfolgt werden. Die überwiegende Zahl von fremdenfeindlichen Gewalttaten sind Gruppentaten, die durch vorherigen Alkoholkonsum, manchmal auch nach Hetzreden oder -liedern begangen werden, da die Täter in der Situation ihren statusschwachen Opfern kräftemäßig überlegen waren und ein Eingreifen von Unbeteiligten unwahrscheinlich war. Zu diesen Opfern gehören Angehörige von Gruppen, die für die Täter in irgendeiner Hinsicht als fremd oder feindlich gelten – das hat unmittelbar wenig mit objektiven Merkmalen der Opfer zu tun, sondern mit der gewalttätigen Macht der Täter, in bestimmten Situationen »Andere« als »Fremde« oder »Feinde« zu definieren. Gleichwohl sind unter den Opfern viele Angehörige von Minder-heiten, denen man auch außerhalb der rechtsextremen Jugendkultur mit Distanz und Vorurteilen begegnet.

Kalte und heiße Gewalt
Welche Attraktivität haben Gewalttätigkeiten? Hier ist es sinnvoll, zwischen zwei Grundtypen von Gewaltakten zu unterscheiden. Gewalttaten des ersten Typs sind Mittel zu Zwecken, die über die Tat selbst hinausreichen. Ein Beispiel aus der allgemeinen Kriminalität wären Raubdelikte; Zweck ist hier die Bereicherung, das Mittel ist die Gewalt. Taten diesen Typs finden wir auch unter den als politisch geltenden Gewaltdelikten. Dazu gehören die Brandanschläge auf Imbisse ausländischer Gewerbetreibender, wie sie von der Gruppe »Freikorps« im Land Brandenburg in den Jahren 2003 und 2004 begangen worden sind. Die Gruppe von Jugendlichen unter der Leitung eines Älteren hatte sich das erklärte Ziel gesetzt, Ausländer aus dem Westhavelland zu vertreiben und als zweckgemäßes Mittel die nächtlichen Anschläge auf die Imbissstände gewählt. Sie setzten dabei auf die steigenden Versicherungskosten bzw. den Schaden für unversicherte Imbissinhaber, die zur Geschäftsaufgabe führen sollten. Personen kamen plangemäß nicht zu Schaden.

Diese Taten hatten für die Beteiligten in mehreren Hinsichten eine hohe Attraktivität: Die Gruppe hatte sich als Handlungseinheit gebildet; mit ihren nächtlichen Taten gaben sie ihrem Willen eine Wirklichkeit. Mit ihren zehn Brandstiftungen zeigten sie zunächst sich selbst, dass sie als Aktivsubjekte etwas in Bewegung setzen konnten. Solange die Täter unentdeckt blieben, verursachten sie bei den unmittelbar Betroffenen wie überhaupt bei ausländischen Imbissinhabern in der Region Ängste. Ihrer jugendlichen Eitelkeit schmeichelte es sicher auch, dass sie ihre Tatserie immerhin neun Monate lang fortsetzen konnten, bevor sie gefaßt wurden. Die Idee, Vollstrecker eines imaginierten Volkswillens zu sein, entstammte nicht adoleszenter Phantasie. In ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld waren die Taten bekannt, die Mutter des Anführers wurde später wegen Beihilfe zur Brandstiftung verurteilt.
Gewalttaten eines zweiten Typs verfolgen kein Ziel, das über den Vollzug der Gewalttätigkeiten hinausreicht. Die Gewalttätigkeit selbst, das mit ihr verbundene Machterleben gegenüber dem Opfer ist für diesen Typ von Gewalttat der entscheidende Motivkern. Diese intrinsisch motivierten Gewaltakte sind Gewalttätigkeiten, die sich unmittelbar gegen Personen richten. Zwei Merkmale sind hier entscheidend: Der Triumph der physischen Überlegenheit der Täter ist in den Schmerzensschreien der Opfer direkt erfahrbar; die Täter können ihre situationsbezogene Macht über Leben und Tod unmittelbar sehen, hören und fühlen. Das zweite Charakteristikum ist die Macht der Täter, mit ihrer Gewalttaten den Bereich der alltäglichen Handlungsmuster zu verlassen, selbst einen »Kick« zu produzieren und sich aus dem unerfüllten Gefühl von Langeweile herauszukatapultieren. Zu den Fällen dieses Typs gehören die vielen exzessiven Übergriffe auf Farbige, auf Obdachlose und andere statusschwache und situativ unterlegene Opfer.

Gewaltakte können als zielgerichtete kalte wie als selbstzweckhafte heiße Gewalt für die Akteure eine hohe Attraktivität haben. Dies gilt vor allem dann, wenn diese vorausetzungslose, allgemein einsetzbare und erfolgssichere Aktions- und Verhaltensweise in den Gruppenkulturen der Täter zu den eingeführten Selbstverständlichkeiten gehören.


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Literatur:

Agentur für soziale Perspektiven (ASP) (Hrsg.): Versteckspiel. Lifestyle, Symbole und Codes von neonazis-tischen und extrem rechten Gruppen (6. Aufl.), Berlin 2006 | Michael Bommes/Albert Scherr: Rechtsextremismus: Ein Angebot für ganz gewöhnliche Jugendliche, in: Jürgen Mansel (Hrsg.): Reaktionen Jugendlicher auf gesellschaftliche Bedrohungen. Untersuchungen zu ökologischen Krisen, internationalen Konflikten und politischen Umbrüchen als Stressoren, Weinheim 1992, S. 210-227 | Rainer Erb: Attraktivität und Dynamik rechter Jugendcliquen, in: Journal der Jugendkulturen 2001, H. 5, S. 38f. | Joachim Kersten: Die Gewalt der Falschen. Opfermentalität und Aggressionsbereitschaft, in: Klaus Farin (Hg.): Die Skins. Mythos und Realität, Berlin 1997, S. 96-117 |
Michael Kohlstruck/ Anna Verena Münch: Exzessive Gewalttätigkeiten - politisch motivierte Taten? Der Mordfall Marinus Schöberl, in: Berliner Debatte Initial 16 (2005), H. 3, S. 4-14 | Friedhelm Neidhardt, Gewalt - Soziale Bedeutungen und sozialwissenschaftliche Bestimmungen des Beg-riffs, in: Bundeskriminalamt (Hg.): Was ist Gewalt? Auseinandersetzungen mit einem Begriff, Bd. 1, Wies-baden 1986, S. 109-147 | Albert Scherr: Befunde der Rechtsextremismusforschung: Gründe und Ursachen der Attraktivität rechtsex-tremer Orientierungen für Jugendliche, in: Frieder Dünkel/Bernd Geng (Hrsg.): Rechtsextremismus und Fremdenfeindlickeit. Bestandsaufnahme Interventionsstrategien, Möchengladbach 1999, S. 69-88 | Ferdinand Sutterlüty: Gewalt und suspendierte Handlungsrationalität, in: Trauma & Gewalt 1 (2007), H. 1, S. 12-23