Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2007, Rubrik Kommentar

Jugendverdrossenheit weiterhin konstant hoch!

Im vorletzten punktum wurden die prekären Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen thematisiert. In dieser Ausgabe geht es um die Vereinbarkeit von Studium und Ehrenamt. Pünktlich vor Beginn des Bürgerschaftswahlkampfes fordert der Landesjugendring eine Stärkung der politischen Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche und damit einhergehend die Senkung des Wahlalters auf 14 Jahre. Gemeinsam ist diesen drei Themen, dass es offensichtlich um die Wahrnehmung der Interessen Jugendlicher auf politischer Seite weniger gut steht.

Eine Frage der Wahrnehmung. Mit der Auflösung der Jugendpolitik in Familienpolitik auf Landes- und auf Bundesebene und auch in unterschiedlichen Regierungskonstellationen treten Jugendliche nicht mehr als eigenständige Individuen, sondern vorrangig als Familienmitglieder in Erscheinung. Sofern sie öffentlich wahrgenommen werden, dann als schwierige Pubertierende, die neben LAN-Partys, Graffiti-Schmierereien und Koma-Saufen höchstens noch das Abziehen von MitschülerInnen im Kopf haben. Als Mitglieder dieser Gesellschaft scheinen nur noch die von ihren Eltern mit dicken Taschengeld versehene Konsumenten von positiven Interesse. Diese verzerrte Wahrnehmung von jungen Menschen stellt bisher von Jugend(verbands)arbeit Erreichtes wider besseren Wissens auf den Kopf: im ökonomischen Bereich sollen Jugendliche möglichst viel teilhaben (sprich: konsumieren), im politischen und zivilgesellschaftlichen Bereich sollen sie – trotz manch anders lautender Bekundungen – offensichtlich möglichst wenig mitbestimmen.

Wahlalter Null? Die derzeit diskutierte Forderung nach einer Wahlaltersenkung auf das Alter Null scheint hier mehr Radikalität auszustrahlen als sie beinhaltet. So bedeutet eine derartige Forderung in der aktuellen gesellschaftlichen Situation wohl kaum, dass das Wahlrecht so gestaltet wird, dass auch die/der zweimonatige vollwertige StaatsbürgerIn ihr/sein Wahlrecht angemessen ausüben kann. Es bedeutet ein Familienwahlrecht und damit eine Stärkung der politischen Position der Eltern gegenüber den Kindern und eine Subsummierung derer Interessen unter die der Familie. Eine Orientierung auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen wird dies nicht nach sich ziehen.

Jugendverdrossenheit. Auf politischer Ebene werden Interessen gegeneinander abgewogen und ggf. gegeneinander durchgesetzt. So lange beispielsweise das für die nachfolgenden Generationen, also auch für heute erst junge Menschen wichtige Ziel des Klimaschutz eine kostspielige Angelegenheit war, gab es keine Anzeichen für einen Wandel im politischen Umgang damit. Als sich jedoch das Ignorieren von Klimaschutzmaßnahmen als eine kostspielige Angelegenheit abzuzeichnen begann, kam so einiges ins Rollen. So ist es vielleicht eine Frage der Zeit bis die Akteure auf politischer Ebene wahrnehmen, dass ihnen die nachwachsende Generation in ihren eigenen Reihen abhanden kommt. Formen der politischen Aktivität und Interessenswahrnehmung ändert sich. Junge Menschen sind nicht verdrossen von der Politik (was schon allein Angelegenheit von Jugend und Politik wäre). Ihre Interessen liegen vielmehr v.a. in einer anderen Form der Zusammenarbeit. Doch liegt dies nicht allein in der Form der Organisation, sondern auch in einer Perspektive der realer Veränderungsmöglichkeiten. So lange Politik sich insbesondere in Krisensituationen als die Verwaltung – und sei sie noch so kreativ und konstruktiv – von Sachzwängen darstellt, ist auch über eine inhaltliche Orientierung nicht guten Gewissens die Maus hinterm Ofen vor zu locken. Der Käse hat eben trotzdem grundsätzlich mehr Löcher als Substanz. So zeigt sich Jugendverdrossenheit der Politik in einer nicht angemessenen Gestaltung von Beteiligungsfeldern, in zu wenigen Handlungsfeldern für Jugendliche, d.h. Bereiche, in denen tatsächlich politische Entscheidungen getroffen werden sowie in einer mangelhaften Wahrnehmung von Jugendlichen als eigenständige und vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft.

Was geht? Dass junge Frauen und Männer politisch aktiv sind, sich für gesellschaftliche Themen und Fragen interessieren und einsetzen haben die Jugendstudien der letzten Jahre immer wieder herausgearbeitet. Eine Anerkennung dieser Tatsache im Großen aber auch im ganz Konkreten seitens der Politik steht jedoch weiterhin aus. Jungerwachsene, die in ihrer Freizeit eine Kindergruppe leiten, ein Sommerzeltlager vorbereiten oder ein Seminar zum Thema »Demokratie« oder »Rechter Lifestyle« durchführen sind (spätestens) als Studierende, wie alle anderen Studierenden auch, von den eingeführten Studiengebühren betroffen. Sie stehen dann oftmals vor der erzwungenen Entscheidung, ihre ehrenamtliche Arbeit zurückzustellen, um weniger Kredit aufnehmen zu müssen, also arbeiten zu gehen. Jede Gruppenstunde, jedes Wochenendseminar ließe sich also in studentischen Arbeitslohn umrechnen – insbesondere bei Jungerwachsenen aus weniger gut verdienenden Elternhäusern.
Im Widerspruch dazu steht, dass zugleich Programme und Promotionaktionen für zivilgesellschaftliches Engagement aufgelegt werden.

Von einer Politikverdrossenheit der Jugendlichen kann also weiterhin keine Rede sein – wir werden uns politisch dafür einsetzen, die Jugendverdrossenheit der Politik zu ändern!

Rike Rosa Bracker
LJR-Vorsitzende