Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2010, Rubrik Mitteilungen Alternative Stadtrundfarten

Beteiligungsprojekt für die zukünftige Gedenkstätte am Lohseplatz


Wieder­ent­deckung der Geschichte in der HafenCity.

Ein neuer Stadtteil entsteht in Hamburg-Mitte. Luxuriöse Eigentumswohnungen mit Blick aufs Wasser, repräsentative Geschäfts­ge­bäude und Büroflächen sind in der HafenCity ebenso geplant (und zum Teil bereits entstanden) wie eine Schule, eine Kindertagesstätte und eine Parkanlage. In diesem Park, dem Lohsepark, befand sich früher der Hanno­ver­sche Bahnhof. Schwarze Tafeln erinnern seit 2004 an die Geschichte des Ortes. Der Hanno­versche Bahnhof wurde nach seiner Eröffnung im Jahr 1872 zunächst als Personen- und Güter­bahnhof genutzt und verband Hamburg mit dem Süden. 1906 löste ihn der neu eröffnete Hamburger Hauptbahnhof als Personen­bahn­hof ab. In den Jahren 1940 bis 1945 wurde der Hannoversche Bahnhof für Deporta­tionen genutzt: Von hier wurden mindestens 7.692 Juden, Roma und Sin­­ti in Ghettos und Konzen­trationslager verschleppt – für die allermeisten ein Weg in den Tod. 

Nicht nur nationalsozialistische Überzeugungstäter, sondern zahlreiche willfährige Mitarbeiter von Behörden, Institutionen und Privatunternehmen sorgten für den reibungslosen Ablauf dieses Verbrechens. Die »Volks­gemeinschaft« profitierte in vielerlei Hinsicht und sah überwiegend weg. Der im Osten der neu entstehenden HafenCity gelegene Ort symbolisiert somit die historische Nähe von Normalität und Barbarei wie kaum ein anderer in Hamburg. Um dieser Vergangenheit zu erinnern, wird in den nächsten Jahren ein zentraler Gedenkort entstehen. Die Planungen für diesen zentralen Erinnerungsort soll jedoch nicht allein Fachleuten überlassen werden.

»Wie wollt ihr euch erinnern?« ist der Titel eines Projekts, das die Beteiligung junger Men­­schen an der Gestaltung und den Aktivi­täten des »Informations- und Dokumenta­tions­­zentrums Hannoverscher Bahnhof« zum Ziel hat. Zurückgehend auf die Initiative des LJR (Vollversammlungsbeschluss »Lohseplatz - Erinnern, Gedenken, Lernen« vom 10.12.2008) haben sich die Behörde für Kultur und Medien, die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S., die Forschungsstelle für Zeitgeschichte, die Behörde für Soziales sowie der LJR in einer »Projektgruppe Beteili­gung« zusammen geschlossen. Gemeinsam wollen sie Jugendlichen und jungen Erwach­senen die Möglichkeit gegeben, eigene Ideen für den zentralen Erinnerungsort im Lohsepark zu entwickeln und diese frühzeitig in die Planungen einzubringen.

Gesucht werden dafür junge Menschen zwischen 16 und 21 Jahren. Die Ausschreibung des Pro­jekts ist im Mitte 2011 geplant.

Hamburg und die »Weiße Rose«

Für Zivilcourage und mutiges Aufbegehren gegen die NS-Diktatur steht die »Weiße Rose« bis heute. Die studentische Widerstands­gruppe um die Geschwister Scholl verbreitete in München ab Juni 1942 selbstverfasste Flugblätter, nannte darin die Verbrechen des Regimes beim Namen und rief die Bevölkerung zum Widerstand auf. Nur wenig bekannt ist, dass der Widerstand der »Weißen Rose« bis nach Hamburg reichte. Studenten, Intellek­tuelle, Künstler und Ärzte griffen in lose verflochtenen Freundeskreisen die Münchner Ideen und Aktionen auf. Die Geschichte des Hamburger Widerstands stärker in das Bewusst­sein von Wissenschaft und Öffentlichkeit zu rücken, ist das Anliegen eines breiten Bündnisses auf Initiative der der Körber-Stiftung und der Weiße Rose Stiftung e.V..

Mit einem bunten Veranstaltungsprogramm wird von Januar bis März 2011 auf »Hamburg und die Weiße Rose« aufmerksam gemacht: Zum Auftakt der Reihe findet am 31. Januar 2011 im KörberForum eine Podiumsdiskussion statt. Die Ausstellung »Ihr Geist lebt trotzdem weiter« wird ab dem 1. Februar im Kulturpunkt in Hamburg-Barmbek gezeigt. Weitere Pro­grammpunkte sind unter www.koerber-­stiftung.de einzusehen.

»Gegen den Gleichschritt« – Die Alternative Stadtrundfahrt des LJR über »Jugendoppo­si­tion und -widerstand« in Hamburg während des Nationalsozialismus informiert ebenfalls über den Hamburger Zweig der »Weißen Rose«. Erinnert wird zudem an die »Swing-Heinis« und »Swing-Babes«, die allein aufgrund ihres Musikgeschmacks in Konflikt mit dem NS-Regimes gerieten, sowie an die Vierergruppe um Helmuth Hübener, einen jungen Auszubildenden, der sich über die verbotene BBC informierte, seine Umgebung über den wahren Charakter des NS-Regimes aufklären wollte und dafür – wie die »Weiße Rose« in München – Flugblätter verfasste. Er wurde jedoch bei der Gestapo denunziert, verhaftet und 1941 im Alter von 17 Jahren hingerichtet.

Nach Terminwunsch kann diese Alter­native Stadtrundfahrt – wie andere Touren – gebucht werden. Die Preise sind 2011 unverändert geblieben. (mr)