Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1+2-2024, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Junges Engagement ist unbezahlbar – aber nicht umsonst

Von Fatih Ayanoğlu, Landesjugendring Hamburg

Der Hamburger Senat hat vor Kurzem seinen Haushaltsentwurf für die kommenden zwei Jahre vorgestellt. Von einigen Sätzen zum Schulausbau und der Einstellung neuer Lehrkräfte abgesehen, waren darin keine jugendpolitischen Akzente erkennbar. Es wird sich zeigen, welche Priorität der Hamburger Senat den Anliegen junger Menschen zuspricht und ob es angesichts knapper Kassen und allgemeiner Preissteigerungen unterm Strich zu Kürzungen kommt, wenn der Haushaltsentwurf nach den Sommerferien im Detail veröffentlicht wird. Allzu überraschend kämen sie nicht, wenn man sich die zurückliegende Auseinandersetzung um den Kinder- und Jugendplan des Bundes in Erinnerung ruft.

Für die im Landesjugendring Hamburg e.V. organisierten Jugendverbände ist klar, dass es mehr braucht und nicht weniger. In ihrem Beschluss vom 7. November 2023 fordern sie jährlich rund 1.000.000 € mehr Mittel für die demokratische Selbstorganisation junger Menschen in den Hamburger Jugendverbänden.

Die Erhöhung ist notwendig, um trotz der Preissteigerungen die Bildungs- und Freizeitangebote der Jugendverbände zu sichern und für alle Kinder- und Jugendliche in Hamburg selbstbestimmte Freiräume der Selbstorganisation, Demokratiebildung und des gesellschaftlichen Engagements zur Verfügung zu stellen. Ohne die finanzielle Entlastung besteht die akute Gefahr, dass die zur Finanzierung der Angebote zunehmend höheren Eigenmittelanteile nicht mehr aufgebracht werden können und diese zu einer Mehrbelastung der Teilnehmenden oder zu einer Reduzierung des Angebotes führen. Das gilt es unbedingt abzuwenden.

Stetige Preissteigerungen machen die Aktivitäten immer teurer
Ein Blick auf die durch das Statistische Bundesamt dokumentierte Preisentwicklung einzelner für die Jugendverbände relevanten Güter und Dienstleistungen in den Jahren 2020 bis 2023 macht deutlich, wie stark die Kosten in den zurückliegenden Jahren gestiegen sind (siehe Grafik 1).

Für die Anmietung eines 9-Sitzer-Busses, um beispielsweise die Anfahrt in eine Bildungsstätte zu organisieren, müssen 58 % mehr Kosten als im Vergleichsjahr 2020 eingeplant werden. Die durchschnittlichen Übernachtungskosten in einer Jugendherberge fallen um 19 % höher aus. Vergleichbare Steigerungen müssen für das Programm und Material berücksichtigt werden. Besonders spürbar sind die Kosten für Lebensmittel in den zurückliegenden Jahren gestiegen.

Auch wenn die Preise aktuell nicht mehr so stark steigen wie in der Vergangenheit, ist eine Reduzierung auf das Niveau von 2020 nicht zu erwarten. Die bisher ausgebliebene Anpassung der Förderung der Jugendverbände an die gestiegenen Preise ist erforderlich.

Niedrige Fördersätze und hohe Eigenmittelanteile belasten die Jugendverbände
Die Finanzierung der Jugendverbandsarbeit ist im Landesförderplan »Familie und Jugend« geregelt. In allen Förderpositionen müssen die Jugendverbände Eigenmittelanteile zwischen 15 bis 30 % der Gesamtkosten aufbringen. Die Förderung der Freizeiten und außerschulischen Seminare begrenzt sich auf einen Fördersatz, der nur einen kleinen Teil der Ausgaben deckt. Wie groß die Belastung für die Jugendverbände ist, zeigt sich anhand des prozentualen Anteils der durch die Förderung gedeckten Ausgaben für die vielfältigen Angebote der Jugendverbände (siehe Grafik 2).

Besonders hohe Eigenmittel sind für die Finanzierung von Freizeiten notwendig, weil diese nur mit einem Höchstfördersatz von 2 € pro Tag und Teilnehmenden gefördert werden. Die restlichen Ausgaben müssen über Teilnahmebeiträge und Eigenmittel der Jugendverbände finanziert werden. In einer beispielhaften Berechnung einer Sommerfreizeit für 50 Kinder auf einem Zeltplatz in Deutschland mit Vollverpflegung beläuft sich dieser Eigenanteil auf über 20.000 € bzw. 94 % der Gesamtkosten. Für Kinder aus einkommensschwachen Familien können Jugendverbände einen höheren Fördersatz geltend machen und damit ihren Teilnahmebeitrag reduzieren. Der höhere Fördersatz reicht allerdings auch nicht aus, um alle Kosten zu decken.

Vergleichbare Schwierigkeiten zeigen sich bei der Finanzierung außerschulischer Bildungsseminare mit Übernachtung und Vollverpflegung. Diese werden mit einem Höchstfördersatz von 37,50 € pro Tag und Teilnehmenden gefördert. In einer beispielhaften Berechnung eines Wochenendseminars für 20 junge Menschen beläuft sich der Anteil, der durch die Jugendverbände zu finanzieren ist auf über 3.000 € bzw. 60 %.

Die Mietkosten für Gruppen- und Büroräume können zu 70 % über den Landesförderplan finanziert werden. In einer beispielhaften Berechnung auf Basis des Mietenspiegels für Räume von 100 Quadratmetern in normaler Wohnlage zuzüglich Betriebskosten beläuft sich der Eigenanteil der Jugendverbände in Höhe von 30 % auf über 4.500 € im Jahr.

Die Personalkosten für Bildungsreferent:innen müssen Jugendverbände ebenso in Teilen aus eigenen Mitteln finanzieren. Über den Landesförderplan werden nur 85 % der Ausgaben gefördert. Im Fall einer Bildungsreferentin, die in Entgeltstufe 3 der Entgeltgruppe 10 eingestuft ist, müssen Jugendverbände über 9.000 € Eigenmittel aufbringen.

Für die laufenden Kosten, die im Rahmen der allgemeinen Jugendarbeit anfallen, beispielsweise in den vielen Kinder- und Jugendgruppen, sind mindestens 20 % Eigenmittel aufzuwenden.

Das Problem der niedrigen Fördersätze und hohen Eigenmittelanteile verschärft sich mit den steigenden Preisen, die nicht nur die Aktivitäten verteuern, sondern auch die laufenden Kosten betreffen. Insbesondere Energiekosten und Mieten sind für Jugendverbände immer schwieriger zu finanzieren. Auch die Personalkosten sind in den zurückliegenden Jahren gestiegen (siehe Grafik 3).

Die Jugendverbände finanzieren ihre Angebote für Kinder und Jugendliche zu einem großen Anteil aus Teilnahmebeiträgen und eigenen Mitteln. Das ist eine beachtliche Leistung der Ehrenamtlichen, die unter den aktuellen Bedingungen jedoch an Grenzen stößt. Die Erhöhung der Teilnahmebeiträge ist hierfür keine Lösung und wird aufgrund ihrer ausschließenden Effekte von den Jugendverbänden nicht unterstützt.

Neue Herausforderungen für die Jugendverbände
Angesichts des Beitrags der Jugendverbände für die Demokratiebildung und demokratischen Repräsentation junger Menschen, ist ihre finanzielle und bürokratische Entlastung dringend geboten. Das gilt auch deshalb, weil Finanzierungssorgen wertvolle ehrenamtliche Zeit in Beschlag nehmen. Dabei ist diese Zeit besonders wertvoll und die Grundlage der Angebote für Kinder und Jugendliche in Hamburg.

Hinzu kommt, dass die Jugendverbände bei der inklusiven Öffnung ihrer Angebote, der Sicherstellung von Präventionsmaßnahmen gegen sexualisierte Gewalt oder der Suche nach geeigneten Aktivitäten im digitalen Raum vor fachlichen Herausforderungen stehen, deren Bewältigung besonderes Engagement benötigt. Auch die in der Bürgerschaft diskutierte Stärkung der Jugendbeteiligung wird gut aufgestellte Jugendverbände benötigen, die sich ganz ihrer Jugendarbeit widmen können.

Der Wert des Ehrenamts wurde in Hamburg durch die kürzlich eingeführte Engagementkarte gewürdigt. Wir sind der Überzeugung, dass es neben dieser individuellen Anerkennung auch eine Unterstützung der ehrenamtlichen Organisationen braucht, in denen sich junge Hamburgerinnen und Hamburger engagieren.

Wofür werden die zusätzlichen Mittel benötigt?
Aufgrund der dargestellten Situation fordern die Hamburger Jugendverbände die dauerhafte Erhöhung der im Haushalt (in der »Produktgruppe 254.02 – Kinder- und Jugendarbeit«) für die Jugendverbandsarbeit eingeplanten Mittel um eine Million Euro auf insgesamt 5.055.000 € jährlich.

Dadurch sollen höhere Zuwendungen an die Jugendverbände im Rahmen der Grundförderung, für Freizeiten und außerschulische Seminare sowie für Bildungsreferent:innen und Räume finanziert und die gestiegenen Kosten ausgeglichen werden.

Die zusätzlichen Mittel werden benötigt, damit …
• die Preissteigerungen nicht durch Erhöhungen der Teilnahmebeiträge oder die Reduzierung der Aktivitäten aufgefangen werden müssen,
• die über 2.600 ausgebildeten Jugendgruppenleiter:innen mit Juleica-Karte und  Aktiven in den Jugendverbänden sich dem widmen können, was sie zum Engagement motiviert: einen lebendigen und demokratischen Freiraum von und für jungen Menschen zu schaffen,
• mehr Aktivitäten angeboten werden können und Jugendverbände die wachsende Zahl von Kindern und Jugendlichen in der Stadt besser erreichen,
• junge Ehrenamtliche die fachlichen Herausforderungen der Inklusion, Prävention und Digitalisierung erfolgreich bewältigen und dabei von qualifizierten Fachkräften unterstützt werden,
• Jugendverbände als Werkstätten der Demokratie gestärkt werden und junge Menschen eine starke Stimme in der Stadt haben.

Dass junge Menschen sich ehrenamtlich für sich und andere engagieren, ist unbezahlbar. Die Jugendarbeit in Jugendverbänden ist jedoch nicht umsonst und wird zu einem beachtlichen Teil über eigene Mittel finanziert. Wenn man sich das Gesamtvolumen des Haushaltes der Stadt Hamburg vor Augen führt, ist schon mit wenig Geld eine sehr große Entlastung für das Engagement junger Menschen in Jugendverbänden zu schaffen. Jeder Euro mehr für Jugendverbände rechnet sich vielfach.


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Erläuterungen zu den Grafiken und Berechnungen
• Die Preisentwicklung des Warenkorbs Jugendverbandsarbeit wurde auf Basis des Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts dargestellt. Die Werte der jeweiligen Items für die Jahre 2020 – 2023 sind in der Online-Datenbank des Statistischen Bundesamtes unter: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online abrufbar. Die Werte der folgenden Items wurden genutzt: CC13-0114507100 | Quark, CC13-0117401300 | Mietwagen, CC13-0724105100 | Kartoffeln, CC13-0941210100 | Übernachtung in Jugendherbergen, CC13-0954923000 | Bleistift, Farbstift, Farbkasten oder Ähnliches, CC13-1120203100 | Besuch eines Schwimmbads, CC13-0451010000 | Erdgas, ohne Betriebskosten, CC13-0452103000 | Strom, CC13-08 | Post- und Telekommunikation.
• Die Entwicklung der Mietpreise wurde auf Basis der in den Mietenspiegel der Freien und Hansestadt Hamburg von 2019, 2021 und 2023 dokumentierten Werte der Nettokaltmiete ohne Heizung und ohne Betriebskosten (in Euro/qm) für Wohnraum in normaler Wohnlage ab 91m? Wohnfläche berechnet. Die Mittelwerte der jeweiligen Baualtersklasse wurden summiert und ein Durchschnitt gebildet.
• Die Entwicklung der Personalkosten wurde auf Basis der für die jeweilige Kalenderjahre gültigen Entgelttabelle des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst der Länder berechnet. Die Vergleichsgröße bildete das monatliche Bruttoentgelt einer Vollzeitstelle in Entgeltgruppe 10, Entgeltstufe 3.
• Die Förderhöhe und Fördersätze für Jugendverbandsmaßnahmen wurde dem Landesförderplan »Familie und Jugend« (Teil B) mit Laufzeit von 2023 – 2027 entnommen. Dieser ist unter hier abrufbar.
• Zur Veranschaulichung wurden beispielhaft die Gesamtkosten und die sich daraus ergebenden Fördermittel- und Eigenmittelanteile der Jugendverbände berechnet. Es handelt sich um grobe Berechnungen, die tatsächlichen Kosten können noch höher ausfallen.
• Freizeit: An- und Abreise = 100 € pro Person, Unterkunft und Verpflegung = 22 € pro Person/Tag, Programmkosten = 2 € pro Person/Tag, Organisation = 1.000 € pauschal | Förderung laut gültigen Landesförderplan »Familie und Jugend«, Förderposition 2.3.2.1 = 2 € pro Person/Tag.
• Bildungsseminar: An- und Abreise = 50 € pro Person, Unterkunft und Verpflegung = 45,50 € pro Person/Tag, Programmkosten = 1 € pro Person/Tag, Honorare = 1.000 € pauschal | Förderung laut gültigen Landesförderplan »Familie und Jugend«, Förderposition 2.3.1.2 = 37,50 € pro Person/Tag.
• Mietkosten: Durchschnittliche Mietkosten (Euro/qm) für Wohnraum ab 91 qm in normaler Wohnlage laut Mietenspiegel 2023 = 10,68 (Euro/qm), Zusätzliche Betriebskosten in Höhe von 20 % der Nettokaltmiete | Eigenanteil laut gültigen Landesförderplan »Familie und Jugend«, Förderposition 2.3.1.5 = 30 %.
• Personalkosten: Monatliches Bruttoentgelt in Entgeltgruppe 10, Entgeltstufe 3 laut Entgelttabelle des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst der Länder 2023 = 4.040,88 € | Förderhöchstbetrag laut gültigen Landesförderplan »Familie und Jugend«, Förderposition 2.3.1.3 = 85 % der Kosten für eine Stelle in Entgeltgruppe 10 bis maximal Erfahrungsstufe 3.
• Die Gesamtanzahl der Jugendleiter:innen mit gültiger Juleica-Karte lässt sich unter: https://juleica-antrag.de/statistic einsehen.