Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2021, Rubrik Titelthema

6. Stichwort: Kinderarmut bekämpfen

Die sozialen und ökonomischen Folgen der Coronapandemie haben die bestehende Ungleichheit weiter radikalisiert; gerade Kinder und Jugendliche in einkommensschwachen Haushalten sind von wachsender Armutsgefährdung bedroht. Was gilt es dagegen zu tun?


Franziska Hoppermann (CDU):
Nach der Coronakrise muss insbesondere der Wirtschaft wieder auf die Beine geholfen werden, um die Arbeitsplätze und damit Einkommen und Wohlstand zu sichern. Das Kurzarbeitergeld hat hier in der Krise viel abfedern können. Durch die zuvor eingeführte und eingehaltene Schuldenbremse hatte Deutschland den Spielraum, auch darüber hinaus in nie dagewesenem Umfang Finanzhilfen und Unterstützung leisten zu können.
Um insbesondere die sozial schwachen Familien zu unterstützen, werden 100 Euro pro Kind an Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind oder ein geringes Einkommen haben, gezahlt. Wir stehen dafür ein, dass sich Leistung lohnt und jeder die Möglichkeit für Aufstieg bekommt. Dafür werden wir z.B. Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten erhöhen, die Anrechnung von Einkommen auf SGB II neu strukturieren, um hier Anreize für einen Ausstieg aus Hartz IV zu geben. Für Familien wollen wir im Steuerrecht das Familiensplitting einführen, um Kinder auch besser in der Steuer zu berücksichtigen und die Familien zu entlasten. Auch der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, den wir in dieser Legislatur verdoppelt haben, soll noch einmal von 4000 auf 5000 Euro erhöht werden. Und wir wollen Familien mehr Zeit füreinander geben durch die Verlängerung der Elternzeit und der Einführung von Familienzeitkonten bei der Arbeit.


Ronja Schmager (SPD): Wir alle wollen hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Das bedeutet zum Beispiel, keine Angst davor haben zu müssen, dass man fallengelassen wird, wenn man den Job verliert. Wir wollen eine Abkehr von Hartz IV und deshalb ein Bürger*innengeld einführen, das den Leuten hilft, wieder in den Job zu finden, anstatt zusätzlich Druck und Stress auszulösen. Und insbesondere Kinder müssen vor Armut geschützt werden. Deswegen wollen wir eine Kindergrundsicherung, die eine Kindheit und Jugend ohne ständige Angst vor Armut möglich macht.


Ria Schröder (FDP): Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut gefährdet. Der Mangel an finanziellen Mitteln führt zu oft zu Chancenarmut und verhindert Aufstieg. Die Coronakrise hat dieses Problem extrem verstärkt. Wir Freien Demokraten setzen uns entschlossen dafür ein, dass jedes Kind gleiche Chancen hat, unabhängig vom Elternhaus. Daher fordern wir eine Radikalreform gegen Kinderarmut, indem wir erstens die wirtschaftliche Situation der Eltern durch das Liberale Bürgergeld verbessern, zweitens Kindern durch das Kinderchancengeld echte Teilhabe ermöglichen und drittens hervorragende Bildung garantieren – und zwar ganz besonders dort, wo die Armut am größten ist.
Der Sozialstaat sollte ein Sprungbrett sein. Er sollte ermutigen, Potentiale freisetzen und Anstrengung auch wirklich belohnen. Deshalb wollen wir Freie Demokraten Hartz IV abschaffen und das Liberale Bürgergeld einführen, in dem bisherige Leistungen im Sinne einer negativen Einkommensteuer zusammengefasst sind. So lohnt sich jeder hinzuverdiente Euro sofort und die Grundsicherung wird unbürokratischer, würdewahrender, leistungsgerechter, digitaler und vor allem chancenorientierter.
Wir Freie Demokraten wollen ein Kinderchancengeld bestehend aus drei Säulen : Einem Grundbetrag in Höhe von 200 Euro, einem Flexibetrag abhängig vom elterlichen Einkommen und einem Chancenpaket, mit dem nicht-materielle Leistungen wie Schulessen, Nachhilfe, Betreuung und Hilfestellung bei Hausaufgaben, Sprach-/Leseförderung oder Musikunterricht finanziert werden können.
Klar ist aber auch : Wenn wir Chancengerechtigkeit für jedes Kind wollen, brauchen wir ein Bildungssystem, dass alle Kinder nach ihren Bedürfnissen fördert und ihnen Chancen ermöglicht. Daher wollen wir unser Bildungssystem von der Kita bis zum Abitur reformieren. Dafür wollen wir deutlich mehr exzellent ausgebildete und motivierte Erzieherinnen und Erzieher gewinnen, Kinder schon vor der Schule gezielt fördern und dabei insbesondere Sprachdefizite ausräumen. Wir wollen die Schulen zu Orten machen, die Neugierde und Kreativität befördern, insbesondere durch eine bessere individuelle Förderung. Außerdem wollen wir in ganz Deutschland Talentschulen mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung aufbauen – insbesondere in armen Stadtteilen und in Regionen mit großen sozialen Herausforderungen.


Żaklin Nastić (LINKE): Kinderarmut ist hierzulande ein systematisches, seit vielen Jahren ungelöstes Problem, welches sich gerade mit der Coronakrise noch einmal verschärft hat. So wächst mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut auf, was 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren betrifft. Die Kinder- und Jugendarmut verharrt seit Jahren auf diesem hohen Niveau. Trotz langer guter wirtschaftlicher Entwicklung sind die Zahlen kaum zurückgegangen. Es ist also offensichtlich, dass Kinderarmut das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen ist, die es endlich umzukehren gilt.
Durch die Einführung einer armutsfesten Kindergrundsicherung von bis zu 630 Euro sowie durch die Erhöhung des Kindergeldes auf 328 Euro monatlich will DIE LINKE dafür sorgen, dass kein Kind mehr zurückgelassen wird und in Armut aufwachsen muss. Außerdem sind wir uns darüber im Klaren, dass Armut in erster Linie auch soziale Ausgrenzung und fehlende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedeutet. Dies wollen wir überwinden, indem wir in eine gute soziale Infrastruktur investieren und niedrigschwelligen, wohnortnahen und möglichst gebührenfreien Zugang zu ÖPNV, Kinderfreizeiteinrichtungen, Musikschulen, Bibliotheken etc. sicherstellen. Darüber hinaus ist es unbestritten, dass Kinderarmut eine direkte Folge von Elternarmut ist. Also werden wir das Armutsproblem an der Wurzel packen und einen Mindestlohn von 13 Euro sowie eine sanktionsfreie, bedarfsgerechte Grundsicherung von derzeit 1200 Euro statt Hartz IV einführen, was auch Kindern und Jugendlichen zugutekommen wird.


Linda Heitmann (Grüne): Kinderarmut wollen wir durch die Einführung einer Kindergrundsicherung bekämpfen: Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe werden dabei in eine neue, eigenständige Leistung zusammengefasst. Denn für jede Einzelleistung aufwändig in langen Formularen alles zu beantragen, ist eine riesige Hürde, die vielfach dazu führt, dass die vorhandenen Hilfen bei den Kindern gar nicht vollständig ankommen.
Nach einmaliger Beantragung bei der Geburt wird nach unserem Konzept die Höhe der Kindergrundsicherung automatisch von der Familienkasse berechnet, die sie dann auch auszahlt. So kommt die Kindergrundsicherung garantiert bei jedem Kind an. Alleinerziehende, die heute am stärksten von Armut betroffen sind, wollen wir Grüne mit einer Steuergutschrift entlasten.
Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder zum Leben brauchen. Für Jugendliche müssen Ausbildungen ein eigenständiges Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglichen. Deshalb setzen wir uns für eine Mindestausbildungsvergütung von mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen, tariflichen Ausbildungsvergütungen ein.