Der Landesjugendring Hamburg war in den Jahren 2011/2012 an der Konzeptionierung des Dokumentationszentrums denk.mal Hannoverscher Bahnhof mit dem Partizipationsprojekt »Wie wollt ihr euch erinnern?« beteiligt. Bisher wurde der Eröffnungstermin des Dokumentationszentrums am Lohseplatz in der Hafencity immer wieder verschoben. Obwohl dieser nun 2023 realisiert werden soll, scheint – ähnlich wie beim Stadthaus – ein Ereignis einen Skandal heraufzubeschwören, der Hamburgs Erinnerungskultur erneut in ein schlechtes Licht rückt.
(Der provisorische Erunnerungscontainer)
Zum Hintergrund: Vom Hannoverscher Bahnhof ausgehend wurden in Hamburg in den Jahren 1940 bis 1945 über 8.000 jüdische Menschen, Sintize/Sinti und Romnja/Roma in 20 Deportationszügen in Vernichtungs- und Konzentrationslager und Ghettos geschickt. Daran gilt es, an einem würdevollen und geeigneten Ort zu erinnern.
Doch nun hat, wie im Januar dieses Jahres bekannt wurde (Hamburger Abendblatt, 15.01.2021), eine Firma Einzug in das Gebäude, in dem sich das Dokumentationszentrum befinden wird, erhalten, die über eine NS-Vergangenheit verfügt : die Wintershall DEA GmbH, eine Fusion aus Firmen, die gerade erst angefangen haben, ihre NS-Vergangenheit aufzuarbeiten.
Die Opferverbände sind geschockt und stellen nun unbequeme Fragen. Doch anscheinend wussten weder die Behörde für Kultur und Medien und die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte noch die Hafencity Hamburg GmbH etwas davon. Dies geht aus einer Stellungnahme der Stiftung hervor, in der es heißt, dass die Behörde für Kultur und Medien mit dem Bauherrn, der Müller-Spreer AG vertraglich geregelt hat, wer vor Ort nicht ansässig werden dürfte – nämlich ein Nutzer, der im Konflikt mit dem Zweck des Dokumentationszentrums stehe (siehe Stellungnahme). Die Müller-Spreer AG sieht bei der Vermietung an die Wintershall DEA GmbH kein Problem; diese sieht dies sogar als Chance.
Die Firma Wintershall, deren Mehrheitseigner die BASF AG ist (eine Firma, die aus der IG Farben hervorging, welche maßgeblich an der Vernichtung von Menschen beteiligt war), war ein Nutznießer und Förderer der Nationalsozialisten. Die Deutsche Erdöl AG (DEA) hat wohl auch eine nicht unerhebliche NS-Vergangenheit hinsichtlich NS-Zwangsarbeit, aber diese noch nicht aufgearbeitet.
(Baustelle des Dokumentationszentrums)
Dass der Einzug der Firma Wintershall DEA in das Dokumentationszentrum für die wenigen Überlebenden und die Hinterbliebenen der Opfer, die durch diese Firmen unbeschreibliche Gräueltaten erlebten, schmerzlich ist, ist überaus nachvollziehbar. Dieser erneute Skandal bezüglich des Umgangs mit Gedenkorten in Hamburg bleibt vermutlich auch im Ausland nicht unbeobachtet und wird Folgen haben, die die Entwicklung des denk.mal Hannoverscher Bahnhof beeinflussen dürfte.
Auch hier ist eins klar : Würdiges Gedenken sieht anders aus! Wir werden die Entwicklungen hinsichtlich der Erinnerungskultur in Hamburg weiter genaustens verfolgen. (cs)