Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2014, Rubrik Kommentar

Wahlen und Wählen

Von Benedikt Alder, LJR-Vorsitzender

Hamburg ist weiter als Europa – und viele andere Bundesländer. Zumindest was die Senkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre angeht. So können bei der kommenden Wahl der Hamburger Bezirksversammlungen am 25. Mai alle 16-Jährigen teilnehmen, erhalten aber keinen Stimmzettel für die zeitgleiche Wahl des Europarlamentes. Denn für diese gelten 18 Jahre weiterhin als Einstiegsalter. Nach dem Fall der Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl in Deutschland wäre es eigentlich nur konsequent gewesen, auch das Wahlalter zu senken. Doch dafür hätte es vorab den politischen Willen gebraucht, die Europa-Idee nicht nur durch Förderprogramme jungen Menschen schmackhaft sondern durch echte politische Teilhabe erlebbar zu machen. Wer ein Europa für junge Menschen will, sollte auch die politischen Türen weiter öffnen.

Die Ausweitung der politischen Teilhabe junger Menschen ab 16 Jahren gilt in Hamburg nicht nur für die Wahl der Bezirksversammlungen sondern ebenso für die Bürgerschaftswahl, deren nächste in 2015 ansteht. Wenngleich der Landesjugendring weiterhin für eine Wahlberechtigung ab 14 Jahren wirbt, bedeutet dieser Schritt einen Meilenstein bei der Erkämpfung politischer Rechte für junge Menschen. Deshalb hat der LJR Projekte wie »U 18 Wahl«, bei der Abstimmungen nur folgenlos gespielt werden, immer mit Skepsis verfolgt und anstelle dessen den politischen Diskurs um die Ausweitung politischer Rechte und echter Teilhabe forciert.

Probelauf? Die kommenden Bezirksversammlungswahlen wird auch Aufschluss über die Wahlbeteiligung junger Menschen geben. Nehmen die Jungwähler ab 16 Jahren das neue Angebot an? Sinkende Wahlbeteiligung war leider der Trend bei den letzten Wahlen; dabei zeigten sich die unter 25-Jährigen jeweils als »wahlfaulste« Gruppe im Vergleich zu anderen Altersschichten. Das sollte Warnung genug sein. Politische Beteiligung fällt nicht vom Himmel – sondern will erlernt sein. Das fängt bei Partizipationsprozessen vor Ort, bei der Stadtteilentwicklung an, geht beim Erlernen von Selbstorganisation und Interessensvertretung z.B. im Jugendverband weiter und sollte in der Schule, der Uni und schließlich im Betrieb weiter gelebt werden. Denn Demokratie kann nur lebensweltlich erlernt werden. Gleichwohl bedarf die Herabsenkung des Wahlalters einer Flankierung durch Maßnahmen politischer Aufklärung und Bildung, die gerade auf jüngere Menschen abhebt. Bislang ist allein eine neue Broschüre der Landeszentrale für Politische Bildung zur kommenden Wahl erschienen; alle weiteren Kampagnen hat die Bürgerschaft einer Werbeagentur übertragen – statt gemeinsam mit Jugendorganisationen und -verbänden einen Weg zur Wahlmobilisierung und politischen Bildung zu suchen. Wir sind gespannt, was dabei herauskommt. Interessant wird ebenso zu verfolgen sein, ob die politischen Parteien die neuen, jungen Wähler wahrnehmen und in ihren Kampagnen gezielt ansprechen oder einen Wahlkampf »wie immer schon« abspulen werden. Die Wahlbeteiligung junger Menschen bei der Bezirksversammlungswahl wird folglich ein Gradmesser, ein echter Probelauf vor der kommenden Bürgerschaftswahl dafür sein, ob die Herabsenkung des Wahlalters nicht doch einer breiteren Flankierung politischer Bildung bedarf.

Die Wahlen im Mai birgt aber auch noch eine zweite Facette : Mit der Europawahl rückt erneut der europäische Einigungsprozess in den Fokus. Warum brauchen wir Europa, wie soll dieses Europa aussehen und wofür steht die Europa-Idee? Das sind wichtige Fragen, auf die nicht nur Parteien in ihren Programmen sondern auch wir als mündige Bürger eine Antwort finden sollten. Mit Erasmus+ ist nun ein neues Förderprogramm in Kraft getreten, das Jugendverbände und Jugendliche dabei unterstützen soll. Es bietet uns die Chance, unser europapolitisches Profil erneut zu schärfen.