Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2013, Rubrik Titelthema

6. Bildung und Freiräume.

Das jugendliche Ehrenamt, und damit der Freiraum für informelles Lernen, kommt immer mehr unter die Räder durch die Ausweitung (Ganztagsschule) und zeitliche Verdichtung (G8, Bachelor- und Mastersystem) in den formalen Bildungssektoren.

Jugend aber braucht Freiräume. Wie sind diese – jenseits der Länderzuständigkeit für Bildung – auf der Bundesebe- ne zu sichern und zu fördern?

Hajduk: Grünes Ziel ist es, flächendeckend Ganztagsschulen aufzubauen, die barrierefrei sind und in denen alle Kinder auch am Nachmittag miteinander und voneinander lernen, Wissen vertiefen, ihre Kreativität entfalten und überhaupt Neues entdecken können. Ganztagsschulen sollen dabei gerade auch außerschulische Sport-, Kultur- und Jugendangebote einbeziehen und Freiräume für Selbstorganisation von jungen Leuten bieten.

Dennoch brauchen Kinder und Jugendliche natürlich auch Freiräume außerhalb der Schule. Das zu regeln – beispielsweise in Form eines freien Nachmittags – liegt allerdings nicht in der Bundes- sondern in Landeskompetenz.

Wir setzen uns ein für den Erhalt der verschiedenen Jugendprogramme auf EU-Ebene und wollen zivilgesellschaftliches Engagement durch Freistellungen und Sonderurlaube in Betrieben, öffentlicher Verwaltung und Schulen für Jugendliche unterstützen. Die Kürzungen im Bereich der politischen Bildung und bei Jugendverbänden müssen zurückgenommen und stattdessen vermehrt in politische Bildung und vor allem in nichtformale Bildung zum Beispiel durch Organisationen der freien Jugendarbeit investiert werden.

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Seeger: Der Charakter der Jugendzeit als Periode besonderer Freiheit muss unbedingt erhalten bleiben und in besonderer Weise geschützt werden. Auf Bundesebene kann das beispielsweise durch Beeinflussung der Länder gegen radikale Einschnitte in die Freizeit der Schüler passieren. Dazu muss der Bund genügend freiwillige Freizeitangebote für Jugendliche zur Verfügung stellen, sowohl innerhalb der Ganztagsschule als auch im Bereich von Vereinen und öffentlichen Trägern. Gleichzeitig muss auf Bundesebene eine bürokratische Erleichterung für Treffs, Organisationen und Vereine erreicht werden, die das jugendliche Ehrenamt ohne große Barrieren ermöglicht.

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Weinberg: Wir treten grundsätzlich für ein Abitur nach acht Jahren ein. Auf diese Weise erreichen wir eine Verkürzung der Ausbildungszeiten. Außerdem schaffen wir Freiräume, die die jungen Erwachsenen für soziales oder ökologisches Engagement und Auslandsaufenthalte zur Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse nutzen können, wie z.B. beim Bundesfreiwilligendienst. Allerdings liegt die Zuständigkeit für Bildungsfragen, und damit auch für die Gymnasialdauer, bei den Bundesländern. Deshalb respektieren wir, dass die unionsregierten Länder mit Blick auf die Gymnasialzeit unterschiedliche Wege gehen.

Durch die Förderung von verschiedenen Trägern der Jugendhilfe schafft die Bundesregierung über das BMFSFJ die infrastrukturellen Bedingungen für ein freiwilliges Engagement von Jugendlichen. Das Förderinstrument hierzu ist der Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP), der seit seiner Einführung im Jahr 1950 immer flexibel einsetzbar war und es so ermöglichte, schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren. Die Finanzierung über den KJP haben CDU und CSU trotz der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung in dieser Legislaturperiode sichergestellt. Auch in Zukunft wird die Finanzierung des ehrenamtlichen Engagements von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auskömmlich gestaltet werden.

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Müller-Sönksen: Engagement lebt von seiner Freiwilligkeit; unsere Demokratie lebt von aktiv engagierten Bürgern/innen. Als Liberale fördern wir das Engagement, weil bürgerschaftliches Engagement praktizierter Gemeinsinn ist. Hierbei liegt uns das Engagement junger Bürger besonders am Herzen. Als ersten wegweisenden Schritt in der Engagementpolitik hat die Koalition die »Nationale Engagementstrategie« 2010 verabschiedet. Engagement soll besser gefördert, stärker vernetzt und allen zugänglich gemacht werden und eine lebendige Anerkennungskultur entstehen. Danach wurde in 2011 mit der Schaffung des BFD und dem enormen Ausbau der Jugendfreiwilligendienste ein bedeutender Akzent gerade für die jüngeren Engagierten gesetzt.

Wir haben 2012 den Ersten Engagementbericht »Für eine Kultur der Mitverantwortung« für Deutschland erstellt, der Bedeutung und Wert des bürgerschaftlichen Engagements für eine moderne Gesellschaft und ihre Wandlungsprozesse hinterfragt und einen besonderen Focus auf das Engagement von Unternehmen legt.

Mit dem neuen Ehrenamtsgesetz haben wir dann 2013 für Vereine und Engagierte deutliche steuerrechtlichen Erleichterungen geschaffen, Bürokratie abgebaut und Haftungsrisiken begrenzt. Das Ehrenamtsgesetz bildet einen praktikablen und transparenten Rechtsrahmen, stärkt und würdigt die Tätigkeit von über 23 Millionen engagierten Bürgern in fast 600.000 Vereinen und rund 19.000 Stiftungen. Dazu haben wir die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale auf 2.400 bzw. 720 Euro erhöht und beispielsweise Haftungsrisiken für Engagierte beseitigt.

Bei der Bürgerbeteiligung im Netz war die von uns geforderte Enquete-Kommission »Internet und Digitale Gesellschaft« des Bundestages eine Vorreiterin. Im europäischen Vergleich steht Deutschland glänzend bei nicht nur in der Zahl seiner Engagierten, sondern auch bei den Rahmenbedingungen des Engagements dar. In der kommenden Legislaturperiode werden weitere Projekte forciert, aus FDP-Sicht wird dies der weitere Abbau von bürokratischen Hemmnissen im Engagement aber auch der Weg zur mehr direkter Demokratie in unserer Gesellschaft sein.

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van Aken: Kinder und Jugendliche müssen wieder mehr Freizeit im Alltag haben, und sie müssen vor dem Verwertungs-, Konkurrenz- und Leistungsdruck in dieser Gesellschaft geschützt werden. Das heißt unter anderem, dass wir G8 beerdigen und den Studierenden mehr Zeit für ihr Studium geben müssen – nicht zuletzt um ihnen den Freiraum für soziales Engagement zu geben. Und natürlich müssen junge Menschen frei von Existenzangst und Armut aufwachsen und sich entwickeln können – womit wir wieder bei der sozialen Frage sind. Vereine und Jugendorganisationen sind ein wichtiges Feld für die Herausbildung sozialer Grundkompetenzen und die persönliche Entfaltung der Heranwachsenden. Das außerschulische Engagement muss deshalb in einem umfassenden Bildungskonzept stärker als bisher berücksichtigt werden. Bildungsreformen, die die Arbeitsbelastung in Schule oder Studium weiter erhöhen, stehen diesem Ziel entgegen und erschweren das ehrenamtliche Engagement von Jugendlichen. Es müssen also strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden, die informelles Lernen und soziales Engagement, etwa in Ehrenämtern, möglich machen und fördern. Eine schulische Belastung von mehr als 30 Wochenstunden, die Fülle der Leistungsnachweise in den Bachelor- und Masterstudiengängen müssen dementsprechend auf den Prüfstand. Dasselbe gilt für den Bereich der Aus- und Weiterbildung.

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Özoğuz: Die großen Herausforderungen, vor denen wir in der Bildung stehen, erfordern neue Formen der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Wir wollen einen kooperativen Bildungsföderalismus schaffen, indem wir das Kooperationsverbot bei der Bildung im Grundgesetz aufheben und sprechen uns für einen neuen Grundgesetzartikel 104c aus, in dem dauerhafte Finanzhilfen des Bundes für Bildung und Wissenschaft ermöglicht werden. Ab 2014 wollen wir die staatlichen Bildungsausgaben erhöhen und schrittweise aufbauend jährlich 20 Mrd. Euro mehr für Bildung investieren. Diese Mittel werden maßgeblich dazu beitragen, schulische wie universitäre Bildungsangebote zu verbessern.

Wir wollen durch mehr und bessere Ganztagsangebote und längeres gemeinsames Lernen mehr Chancengleichheit erreichen. Und wir wollen im Rahmen eines zweiten Ganztagsschulprogramms die Qualität der Angebote verbessern und das erforderliche Lehr- und Fachpersonal fördern. Gute Ganztagsschulkonzepte berücksichtigen das Spannungsfeld zu außerschulischen Freizeitangeboten u.a. der freien Jugendarbeit oder der Sportvereine. Die nicht immer vermeidbaren Zeitkonkurrenzen dürfen nicht dazu führen, dass Schule das Freizeitverhalten sozusagen »monopolisiert« und für die persönliche, soziale wie körperliche Entwicklung unverzichtbare frei gestaltbare außerschulische Aktivitäten und Interessen verdrängt.

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