Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2009, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Jugend braucht Freiräume

von Carlo Klett, Landesjugendring Hamburg

»Kinder und Jugendliche brauchen Freiräume« heißt, die Erwachsenen müssen bereit sein, Heranwachsenden Möglichkeiten der Selbst- und Mitbestimmung zu gewähren, gesellschaftlichen Raum also ohne Überwachung von Eltern und/oder Lehrern. In seiner Doppeldeutigkeit meint dieser Grundsatz aber auch, die Erwachsenen müssen genügend Ressourcen – Zeit, Geld und Räume – zur Verfügung stellen, damit dieser Gedanke nicht nur eine Idee bleibt. Jugendverbände bieten Freiräume.
Diese Freiräume von Kindern und Jugendlichen werden jedoch durch aktuelle Entwicklungen bedroht.

Kein Platz für Jugendverbände?

Symbolträchtiger hätte die Wahl des Sitzungsortes nicht ausfallen können. Ausgerechnet im »Haus für Jugendverbände« hatte der Jugendhilfeausschuss Hamburg-Nord am 25.02.2009 über einen Antrag der CDU zu entscheiden,
der den Neubau einer WirkungsStätte zum Ziel hatte.
Worum geht es? Am Justus-Strandes-Weg 14 in Hamburg-Ohlsdorf, dort, wo früher die Hitler-Jugend ein Heim hatte, fand zunächst der Hamburger Schwimm-Club von 1879 eine Bleibe. Nach dessen Umzug ins benachbarte Freibad nutzte der Verband Deutscher Pfadfinder das Heim. In den nachfolgenden Jahren änderten sich die Nutzer erneut, die Nutzung blieb dieselbe: selbstorganisierte, verbandliche Jugendarbeit. Seit 2004 bzw. 2005 nutzen die Stämme Orithya und Thadesia des Pfadfinder/innen-Bundes Nord das Haus täglich. Die ca. 120 Mädchen bzw. junge Frauen haben nicht nur sehr viel Zeit für ihre Pfadfinderei sondern auch sehr viel eigenes Geld in das marode Gebäude investiert. Letzten Endes waren die beiden reinen Mädchenstämme machtlos gegen den Schimmelbefall. Das Haus muss abgerissen und neu aufgebaut werden. Bis zu 200.000 Euro hat die Fachbehörde dafür zur Verfügung gestellt und finanziert zwei Container, die übergangsweise als WirkungsStätte dienen sollen. Das Provisorium dauert nun schon seit zweieinhalb Jahren, viel zu lange wie der Jugendhilfeausschuss befand. Der Antrag der CDU fand die Zustimmung der LINKE, der Grünen, der FDP und den Freien Trägern der Jugendhilfe. Und die SPD? Die stimmte als einzige dagegen.

Kein Geld für Jugendverbände?
Gemeinsam mit mehreren Landesjugendringen, wie z. B. in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Saar und Schleswig-Holstein, forderte der Landesjugendring Hamburg eine Berücksichtigung bei den aktuellen Konjunkturprogrammen. Die im Konjunkturpaket II der Bundesregierung bereitgestellten Mittel zur Verbesserung der Qualität von Bildungseinrichtungen könnten auch außerschulischen Bildungsorten, wie verbandlichen WirkungsStätten, zu Gute kommen, denn ihr Zustand ist oft ähnlich schlecht. Auch die Mittel aus der Hamburger Konjunkturoffensive könnten für eine Modernisierung von Jugendverbandstreffs eingesetzt werden. Schließlich geht es bei diesem Programm u. a. um Investitionen in die soziale Infrastruktur bzw. deren ökologische Umrüstung.
In Hamburg werden die Jugendverbände beim Konjunkturprogramm II unberücksichtigt bleiben. Auch bei der Hamburger Konjunkturoffensive gehen sie leer aus.

Kein Plan für Jugendverbände?
Ohlsdorf ist kein Einzelfall. Die Fälle, in denen es gut läuft, überwiegen bei weitem. Jeder Fall, in dem es nicht so gut läuft, ist anders. Doch allerorts macht das Gefühl sich breit, hier nicht (mehr) erwünscht zu sein. Viele Negativmeldungen in relativ kurzer Zeit zeigen, dass eine einzelfallübergreifende Lösung gefunden werden muss. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist hier in der Pflicht, denn der staatlichen Gemeinschaft obliegt eine Gewährleistungspflicht. Wie sie dieser Pflicht unmittelbar nachkommt, wird derzeit geprüft. Wieder ist der Jugendhilfeausschuss Hamburg-Nord beteiligt. Am 17.12.2008 wurde dort auf Initiative des Landesjugendrings Hamburg beschlossen, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Bis zum März 2009 soll das Bezirksamt eine Liste vorlegen, in der alle, sich im öffentlichen Eigentum befindlichen und durch Jugendverbände und -gruppen genutzten Räume mit ihren jeweiligen Standorten genannt werden. Im Bericht soll auch Erwähnung finden, ob bei den aufgelisteten WirkungsStätten Nutzungsänderungen geplant oder zu erwarten sind.
Wenn diese Liste vorliegt, wird man in Hamburg-Nord exemplarisch für Hamburg sehen, wie flächendeckend Jugendverbänden Räume zur Verfügung gestellt werden und wo, wer und warum voraussichtlich weichen muss. Durch die bekannten Einzelfälle ist schon jetzt klar: Das Problem betrifft nicht nur Pfadfinder/innen. Auch zeichnet sich schon jetzt ab, dass es nicht nur einer Synchronisation von landesweiter und bezirklicher Jugendhilfeplanung bedarf, sondern auch einer Abstimmung mit Schulentwicklungs- und Wirtschaftsförderungsplänen sowie Vorhaben zum Verkauf des öffentlichen Eigentums. Bislang verfolgen diese unterschiedliche Ziele, und Konflikte werden deshalb unausweichlich sein. Aber diese Konflikte dürfen nicht auf dem Rücken einzelner Jugendgruppen bzw. Jugendleiter/innen ausgetragen werden.