Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3+4-2023, Rubrik Titelthema

»Wir machen keine Politik – sondern politische Bildung«

Interview mit Lena Stelling, Akademie für Kinder- und Jugendparlamente Hamburg

punktum: Wozu Jugendparlamente? Wäre es nicht die bessere Lösung, dafür einzutreten, dass mehr junge Menschen in bestehende Parlamente gewählt würden, als nebenher parlamentsähnliche Gebilde zu schaffen?

Lena Stelling: Das eine bräuchte das andere ja nicht auszuschließen. Jugendparlamente sind eine Möglichkeit, eine dauerhafte und wirksame Beteiligung für Jugendliche zu schaffen – vor allem für jene Jugendlichen, die noch nicht wählen und kandidieren dürfen und bisher nicht in Verbänden oder Parteien organisiert sind. Hier schaffen Jugendparlamente Raum für Beteiligung auf kommunaler Ebene.

punktum: Junge Menschen engagieren sich vor allem für den Klimaschutz, wie die vielen Schülerstreiks vor der Pandemie in Hamburg zeigten. Ist dafür die kommunale Ebene der richtige Ort, um diese jungen Menschen für Jugendparlamente zu begeistern?

Lena: Die großen politischen Themen wie der Klimaschutz müssen auch bei kommunalpolitischen Entscheidungen reingetragen werden. Da könnten Jugendparlamente durchaus Impulse setzen. Aber klar, das Kleinteilige kommunalpolitischer Befugnisse macht Jugendparlamente für Klimaaktivist*innen nicht gerade interessant. Aber für diese Fragen gibt auf europäischer Ebene beispielsweise den Jugenddialog.

punktum: Wie ist die Lage der Jugendbeteiligung in Hamburg?

Lena: Noch eher mau. Es gibt zwar ein Jugendparlament in Horn und verschiedene Jugendforen, die durch das Bundesprogramm »Demokratie leben!« unterstützt werden. Aber es gibt viele weiße Flecken auf der kommunalen Landkarte. Dabei ist es durch den Beteiligungsparagraphen § 33 den Bezirken vorgeschrieben, dass sie bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, geeignete Verfahren zu entwickeln haben, um diese Altersgruppe »in angemessener Weise« zu beteiligen. Jedoch bietet diese Formulierung »in angemessener Weise« viel Interpretationsspielraum. Und zudem: Wo werden durch kommunale Vorhaben Interessen junger Menschen berührt und wo nicht? Ist es nur der Spielplatz um die Ecke oder gilt dieses auch bei einer Umgestaltung größerer Stadtflächen? Die Beteiligungsvorschrift im Bezirksversammlungsgesetz wird durch solche Unklarheiten aufgeweicht. Immerhin gibt es Menschen, wie gerade im Bezirk Altona, die eine verankerte und gelebte Beteiligung junger Menschen durch ein Rahmenkonzept auf den Weg bringen wollen. Doch dazu braucht es nicht allein guten Willen – sondern auch entsprechende finanzielle Mittel und personelle Ressourcen, um Strukturen der Beteiligung dauerhaft mit Leben zu füllen. Zudem wäre es gut, wenn es neben den Anläufen in den einzelnen Bezirken eine hamburgweite Koordinierungsstelle gäbe, die gemeinsame Standards erarbeiten und verankern würde.

punktum: Sind Vorhaben – wie in Altona – Ansatzpunkte für Eure Arbeit in der Hamburger Akademie für Kinder- und Jugendparlamente? Greift Ihr initiativ in Gründungsprozesse ein?

Lena: Nein. Es ist nicht unsere Aufgabe, Jugendparlamente oder -foren zu initiieren. Wir qualifizieren einerseits Kommunalpolitik, Verwaltung und andere Institutionen, die Jugendbeteiligung in Angriff nehmen wollen, und andererseits unterstützen wir politisch interessierte Jugendliche sowie bestehende Jugendparlamente und -foren mit Angeboten politischer Bildung. So haben wir etwa mit der Sozialbehörde zusammengearbeitet und im Rahmen des Jugenddialogs einen Workshop gegeben. Mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung haben wir Fortbildungen für Lehrkräfte entwickelt, um bis-her nicht politisch engagierte Jugendliche zu erreichen. Dabei steht auch die spannende Frage im Raum, wie man die schulischen Beteiligungsstrukturen stärker kommunalpolitisch andocken könnte. Und im Bezirk Altona waren wir involviert bei der Entwicklung des Rahmenkonzeptes für Kinder- und Jugendbeteiligung. Für bereits organisierte junge Menschen oder Jugendforen bieten wir Qualifizierungsmaßnahmen an. Das geschieht sehr bedarfsorientiert. Wenn sie auf uns zukommen und fragen nach einem Workshop zum Thema Antidiskriminierung oder zum Thema Rhetorik, dann organisieren wir genau das, was sie brauchen. Und allgemein für junge Menschen, die sich engagieren wollen, ist es unsere Aufgabe, Angebote zur Qualifizierung in Sachen Kinder- und Jugendbeteiligung anzubieten.

punktum: Noch einmal zurück zur Thematik Jugendparlamente. Parlamente sind repräsentative Organe. Wahlen entscheiden über den Einzug der Volksvertreter. Ist das bei Jugendparlamenten ebenso?

Lena: Das hängt stark von den Rahmenbedingungen der kommunalen Verankerung ab. Es gibt Jugendparlamente, zu denen Wahlen durchgeführt werden. Und es gibt Jugendgremien, bei denen mitmacht, wer sich engagiert und dabei bleibt.

-----------------------------------------------------------------------

Akademie für Kinder- und Jugendparlamente – Standort Hamburg

Die Akademie für Kinder- und Jugendparlamente – in Trägerschaft des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten – bietet politische Bildung und Qualifizierung für junge Jugendparlamentarier*innen und junge Menschen, die noch aktiv werden wollen, deren Begleitpersonen sowie politisch Verantwortliche an. In jedem Bundesland gibt es einen Standort, der vor Ort Bildungsangebote durchführt und zur Vernetzung der Akteur*innen beiträgt.

Der Hamburger Standort ist in der W3_Werkstatt für internationale Kultur und Politik an-gesiedelt in Kooperation mit dem PLING Kollektiv für politische Bildung.

Infos allgemein: https://kijupa.adb.de

Hamburger Standort: W3_Werkstatt für internationale Kultur und Politik | Nernstweg 32 – 34 | 22765 Hamburg | https://w3-hamburg.de/start/themen/akademie-fuer-kinder-und-jugendparlamente-standort-hamburg/

Ansprechpersonen: Lena Stelling (stelling@w3-hamburg.de | M. 0163-4717902) und Juri Pargätzi (pargaetzi@w3-hamburg.de | M. 0159-01626939)

-----------------------------------------------------------------------

Lena Stelling hat Sozial- und Kommunikationswissenschaft studiert und war lange als Jugendreferentin bei der Kinderrechtsorganisation Plan International tätig. Sie ist aktuell als Freiberuflerin im PLING Kollektiv für politische Bildung aktiv und betreut darüber u.a. den Hamburger Standort der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente.