Von Charlotte Mindorf, Landesjugendring Hamburg
Engagiert und souverän. Louisa, Ansprechpartnerin für das BUNDjugend Projekt »Klima: Zwischen Krise und Gerechtigkeit«, eröffnet die Veranstaltung und stimmt das Publikum auf den Film ein – von Nervosität keine Spur. Trotz Coronapandemie sind 47 Gäste zum Klimakino, das die BUNDjugend in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung im Metropolis Kino Hamburg organisiert hat, gekommen. Gezeigt wird der Dokumentarfilm »Wem gehört mein Dorf?« von Christoph Eder. Der Regisseur und Drehbuchautor ist im Anschluss per Video zur Diskussion zugeschaltet, um die Fragen des Publikums zu beantworten. Dass Luisa doch ein wenig aufgeregt gewesen ist, erzählt sie nach Veranstaltung. Die 21-Jährige ist der BUNDjugend Hamburg, wie so viele Ehemalige nach ihrem FÖJ (Freiwilliges Ökologisches Jahr), das sie 2018/2019 gemacht hat, trotz ihres Umzugs nach Lüneburg als Mitarbeiterin treu geblieben.
Die BUNDjugend Hamburg (Jugend im Bund für Umwelt- und Naturschutz e.V.) ist ein eigenständiger Jugendumweltverband, der sich für Klimaschutz und eine nachhaltige sowie soziale Umweltpolitik einsetzt. Die Aktiven sind zwischen 14 und 27 Jahren alt und treffen sich regelmäßig, um verschiedene Aktionen und Veranstaltungen zu planen und umzusetzen. Auch Vernetzung ist angesagt: Die BUNDjugend Hamburg ist seit Oktober 2021 Mitglied des Landesjugendring Hamburg.
Provinzposse – Politik im Kleinen erklärt. Der Film stellt die Situation vergangener Jahre des kleinen Ortes Göhren auf Rügen dar. Es geht um Geld, Naturschutz, Heimatgefühle und »die Vier von der Stange«. Die vier Herren, die allesamt Mitglieder des Gemeinderates sind, lenken die Geschicke der Gemeinde seit Jahren und – wie viele Bürger/innen glauben, nicht zum Wohle dieser. Es geht vor allem um Flächen um Göhren, die ausverkauft werden. Angeblich um Wohnraum zu schaffen, doch »es geht nicht um Bedarfe, sondern um Geld!«, stellt einer der Bürger fest. Darüber hinaus soll eine Klinik am Südstrand mit Hilfe von Herrn Horst gebaut werden. Was »Santé Royal« heißt wird eine Klinik? – auch das Kinopublikum stellt dies sofort in Frage und ein Raunen fährt durch die Reihen des Kinosaals. Herr Horst beteiligt sich als Investor an vielen Projekten in Göhren, die das Bild des Ortes langfristig verändern. Generell ist man den Protagonisten des Films sehr nah – man ertappt sich fast ein bisschen dabei, dass man Mitleid mit dem aufgewühlten Herrn Horst empfindet, als das Filmteam ihn zum Klinikgelände ruft, auf dem randaliert wurde.
»Demokratie in the nutshell!« Das wird in diesem Film deutlich, denn ein Teil der Bürger/innen schließt sich zusammen und gründet die BILG: Bürgerinitiative für ein lebenswerten Göhren. Schließlich kandidieren einige Akteure der BILG für den Gemeinderat. Es folgt ein spannender Wahlkampf, man fiebert als Zuschauer/in mit und verfolgt gebannt die Durchsage der Wahlergebnisse auf der Leinwand. Fünf Mitglieder der BILG sitzen nun im Gemeinderat - »die Vier von der Stange« haben keine Chance mehr. Der Film vermittelt wie lokaldemokratische Mechanismen funktionieren, und dies lässt sich auf weltpolitische Mechanismen übertragen. Deutlich wird durch den Film auch, dass man sich engagieren muss und mitunter einen langen Atem braucht, wenn man bestimmte Ziele erreichen möchte. So dauert es 14 Jahre, bis sich ein Skatepark in Göhren realisieren lässt – nur möglich, da die jungen Menschen einen Verein gegründet haben. Der 26-jährige Philipp, ein Gast aus dem Publikum, urteilt, dass der Film sehr authentisch sei und die verschiedenen Lebensrealitäten der Protagonisten gut näherbringe. Er hat in der ZEIT einen Bericht zu dem Dokumentarfilm gelesen und ist im Internet auf das Klimakino aufmerksam geworden. Der Film sei ihm durch die Erzählperspektive »echt nah gegangen«.
Das Klimakino ist aus dem BUNDjugend-Projekt »Klimawerkstatt« gewachsen. Die Klimawerkstatt findet seit Januar 2021 mehrmals im Jahr statt und ermöglicht es den Aktiven, sich über verschiedene Themen auszutauschen und demokratisch über Aktionen abzustimmen. Schnell war die Idee geboren, ein Klimakino zu organisieren.
Anna, die ehrenamtliche Sprecherin der BUNDjugend Hamburg ist, weist darauf hin, dass alle Interessierten zur Klimawerkstatt kommen können, auch wenn diese vielleicht nicht in den Themen drin sind. »Wir fangen bei null an, damit die Klimawerkstatt für alle offen ist«, betont sie. So wird man nicht ins kalte Wasser geworfen, sondern an die Themen, die einen wirklich interessieren, herangeführt. Dadurch, dass Abstimmungen durchgeführt und die Organisation von Aktionen transparent und partizipativ durchgeführt werden, lernen die Aktiven auch bei der Klimawerkstatt viel über demokratische Prozesse. Es wird diskutiert, gestritten und Kompromisse geschlossen – so wie im Film, wenn eine kleine Gruppe von BILG-Aktiven ihr weiteres Vorgehen plant. Das Klimakino hat nun zweimal erfolgreich stattgefunden und soll fortgesetzt werden.
Persönliche Einblicke. Nach dem Film startet Louisa einen Videocall und Christoph Eder erscheint auf der Leinwand, um sich den Fragen des Publikums zu stellen. Er ist auf der Insel aufgewachsen, weshalb der Film sehr persönlich mit eigenen Familienaufnahmen beginnt und dadurch noch mehr Nähe schafft. Er erläutert, dass die Protagonisten und Protagonistinnen einige Vorbehalte hatten und eigentlich keiner vor der Kamera stehen wollte; die Produktion war ein langwieriger Prozess. Darüber hinaus verrät Eder einiges zur Entstehung des Films – so war Nadine, eine der Protagonistinnen, anfangs nicht geplant gewesen, doch sie habe dem Film durch ihre weibliche Schichtweise als Gegenstück zur Herrenrunde nochmal einen anderen Blickwinkel gegeben. Den Film haben mittlerweile 1.600 Menschen in Göhren im Kino gesehen. Nach den Dreharbeiten brauchte Eder erstmal Abstand zur Insel und ist nach Leipzig gezogen. In Göhren stehen sich nun wieder zwei Lager mit vertauschten Rollen gegenüber, und es läuft ein Gerichtsverfahren zu den Verträgen zwischen der Gemeinde und dem Investor Horst. Doch der neue Gemeinderat konnte verhindern, dass am ursprünglichen Südstrand weder eine Promenade noch ein Hafen gebaut wird. Christoph Eder wird, so wie nun vermutlich auch einige aus dem Publikum, das Geschehen in Göhren weiter verfolgen. Die Zuschauer/innen klatschen begeistert Beifall für dieses gelungene Stück Lokalpolitikgeschichte und bedanken sich beim Regisseur für seine Offenheit.
Zum Abschluss des Klimakinos weist Louisa auf die kommenden Veranstaltungen der BUNDjugend Hamburg hin und lädt alle Interessierte zum Kommen ein. Als »total authentisch und echt«, bewertet sie den Film. Nadine sei ein richtiges »Rolemodel«, und obwohl es als Zuschauer anstrengend sei, sich in die verschiedenen Menschen hineinzuversetzen, lockere die Situationskomik den Dokumentarfilm immer wieder auf und motiviere dazu, sich selbst zu engagieren.
Und jetzt noch die Erde retten. Die BUNDjugend Hamburg ist ein offener, bunter Jugendverband, der sich aktuellen Themen wie Klima und Naturschutz, deutscher und – bei der Frage nach Klimaungerechtigkeit – auch der internationaler Politik widmet. Die Aktiven zeigen mit verschiedenen Aktionen und Bildungsangeboten Probleme auf und versuchen Lösungsansätze sichtbar zu machen und zu erarbeiten. Zu den Aktivitäten der BUNDjugend Hamburg zählen neben Klimawerkstatt und Klimakino beispielsweise Vorträge zu ökologischer Landwirtschaft, Demonstrationen und Exkursionen wie z.B. ein Besuch im Ökodorf Siebenlinden.
Anna ist als 17-Jährige durch Fridays for Future zur BUNDjugend Hamburg gekommen, da sie den regionalen Aspekt und lokalen Bezug zu Hamburg sehr spannend findet. Die heute 20-Jährige schlägt als eine von drei gewählten BUJU-Sprecher/innen die Brücke zwischen Jugendverband und dem BUND Landesverband Hamburg (Bund im Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V.) und ist beispielsweise bei dessen Vorstandssitzungen dabei. Sie hat in den letzten Jahren viel gelernt und betont, wie großartig es ist, dass man sich nicht nur mit Klima- und Umweltschutz beschäftig, sondern vor allem auch mit Politik und sozialen Fragen auseinandersetzt. Was aber das Engagement der BUNDjugend vor allem ausmacht, sei der Zusammenhalt der Gruppe, die sich trotz Corona regelmäßig im Haus der BUNDten Natur trifft. Momentan sieht es eher so aus, als müsste sich die Gruppe wieder digital treffen. Corona hat dem Jugendverband geschadet, aber Anna ist dennoch hoffnungsvoll, dass sich in Zukunft wieder eine regelmäßige Teilnahme der Engagierten einstellen wird. Basisdemokratische Prozesse machen offline in der Realität einfach mehr Spaß.