Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2016, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Quer durch die Zeit

Die Evangelische Jugend Hamburg feiert ihr 70-jähriges Bestehen

Von Siegmar Grapentin, Evangelische Jugend Hamburg

Am 11. Oktober 2016 feiert die Evangelische Jugend Hamburg (EJH) ihr 70-jähriges Bestehen. 70 Jahre sind lang – und doch ist uns beim Blick in die Archive deutlich geworden, wie viel Kontinuität an Themen und Fragenstellungen, an organisatorischen Widersprüchen und an jeweils der Zeit geschuldeten Einflüssen vorhanden ist. Sieben Jahrzehnte EJH sind auch sieben Jahrzehnte hamburgische und deutsche Geschichte.

1946. Der 2. Weltkrieg ist vorbei. Die Engländer verwalten Hamburg und installieren eine neue Ordnung, die anknüpft an Gedanken von Freiheit und Demokratie. Die Stadt ist weitestgehend zerstört. Wer überlebt hat, sucht einen Ankerpunkt. In die Trümmer der Stadt kehren Menschen und der Wille zum Wiederaufbau zurück – und mitten drin versucht auch die evangelische Kirche einen Neuanfang. Während der Naziherrschaft war die Evangelische Kirche und damit auch die Jugendarbeit in großen Teilen gleichgeschaltet. Die seit den 20er Jahren bestehende Jugendarbeit war zu großen Teilen und mit wenig Widerstand aufgegangen in den »Deutschen Christen« und in der »Hitler-Jugend«. 

Die Ressourcen waren in der Nachkriegszeit knapp, und alle waren gezwungen zu improvisieren. Trotzdem sammelten verschiedene Pastoren und Ehrenamtliche Kinder und Jugendliche in Kreisen oder Gruppen und schnell wurde klar: Es braucht Schulung und Unterstützung. 

Um die Menschen und die neu aufstellten Organisationen zu bündeln und ein Gremium der Mitsprache zu schaffen, wurden die Jugendkammer und ebenso die Evangelische Jugend Hamburg am 11. Oktober 1946 gegründet. Pastoren, Diakone bildeten mit Frauen und Männern, die Gemeinden und Jugendverbände repräsentierten, die EJH. Die Jugendkammer bildete so etwas wie den Vorstand.

Lokal und kreativ. In den 50er Jahren war die Arbeit stark auf die lokale Gemeinde orientiert. Die Themen der Jugendarbeit drehten sich im Kern um »Bibel« und »Evangelisation« sowie »Geselligkeit«. Dabei war man durchaus kreativ, nutze Medien wie Radio und Film, organisierte Schulungen und Freizeiten. 

In den 60er Jahren verlangten Jugendliche, die nach dem Krieg geboren waren und in der Jugendarbeit groß wurden, mehr Mitsprache und Eigenständigkeit. Politische Themen wurden neben den Treffen in der »Heideburg« in Harburg (so etwas wie das Zentrum der Jugendarbeit) wichtiger. 

Neben der EJH waren in Hamburg der Christliche Verein Junger Menschen, der Verband Entschiedenes Christentum und weitere christliche Jugendorganisationen aktiv. Viele engagierten sich auch im damaligen Hamburger Jugendring. Jedoch hat es eine gemeinsame Plattform wie eine Arbeitsgemeinschaft, wofür bundesweit die aej (Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend) steht, in Hamburg nie gegeben, dafür aber zeitweilig den Ökumenischen Jugendrat. Inwiefern eine Zusammenarbeit mit der Vielfalt der Migrationsgemeinden in Hamburg eine Neuauflage des ökumenischen Jugendrats möglich und nötig macht, wird sich zeigen.

Politisch? Die Evangelische Jugend hat immer Debatten der Zeit aufgenommen. Ob »Studentenrevolution« oder »sexuelle Befreiung«, »Anti-Atomkraft-Demos« und »Friedensmärsche«, »Hafenstraße« sowie »Aktionen gegen Rechts«, »Jugendklimakonferenz«, »Prävention sexualisierter Gewalt«, »Inklusion« und »interkulturelle Öffnung« – alles Themen, die auch in den Archiven der EJH zu finden sind. Wie politisch die EJH ist, lässt sich trotzdem schwer definieren. Sicherlich sind die Jugendtage am Buß- und Bettag, die in ganz verschiedenen Formen schon in den 60er Jahren gefeiert wurden und an denen heute über 1000 Jugendliche teilnehmen, aber Ausdruck für die Befassung mit gesellschaftlich relevanten Themen. 

Wandlungen. Die Strukturen der Kirche änderten sich von einer Hamburgischen Landeskirche über die Nordelbische Kirche mit Schleswig-Holstein hin zur Nordkirche zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern. Diese Strukturwandlungen wie auch die Zusammenlegung von Kirchengemeinden und Kirchenkreisen haben natürlich erhebliche Auswirkungen auf die evangelische Jugendverbandsarbeit. Denn immer wieder muss darum gerungen werden, die Selbständigkeit und Selbstorganisation der EJH gegenüber den kirchlichen Strukturen heraus zu stellen. 

Aktuell geschieht das im Rahmen der Debatten um Partizipation und neue Kinder- und Jugendordnung auf Ebene der Nordkirche. Die EJH steht dabei für das Recht von Kindern und Jugendlichen, sich selbst zu vertreten und eigenständig gegenüber Staat, Gesellschaft und Kirche zu agieren.

Eigen. Dies wird auch in dem aktuellen Motto der EJH deutlich: »Wir ist wo Du bist!« Da, wo Kinder und Jugendliche sich einbringen oder teilnehmen, da wo sie als Evangelische Christen oder als Teil der Evangelischen Jugendarbeit handeln, da ist die EJH und da wird fortgesetzt und immer wieder neu erfunden, was 1946 neu begann.