»Öffnet die Grenze. Kobane muss leben!« Immer wieder werden Sprechgesänge angestimmt. »Schluss mit dem Massaker.« Die Stimmung ist gelassen, die politische Motivation ernst. Entsetzen herrscht bei den Demonstranten einerseits über die bürgerkriegsähnliche Lage in den kurdischen Gebieten der Türkei, Trauer um die Opfer und Wut andererseits auf die Politik Erdoğans wie über das Wegschauen der europäischen Regierungen. An diesem Samstagnachmittag haben sich mehrere hundert Menschen am Hamburger Hauptbahnhof versammelt; ein breites Bündnis politischer Gruppierungen, darunter die DIDF-Jugend, hat zur Demo aufgerufen. Mit Bannern und Plakaten ziehen die Demonstranten los durch die Innenstadt, um für Frieden in der Türkei zu demonstrieren. Sie sind gekommen, um ein Zeichen zu setzten. Gegen Gewalt, gegen Demokratieabbau, gegen die Ausschaltung der freien Presse, gegen die Missachtung von Menschenrechten in der Türkei.
Brückenschlag. »Merkel leistet Rückendeckung für Ankara in der EU und ist deshalb mitverantwortlich für die Situation in der Türkei«, erläutert der Vorsitzende der DIDF-Jugend Sedat Kaya. Sein thematischer Brückenschlag ist bezeichnend für das Engagement der DIDF-Jugend : Die politische Lage in der Türkei und in Deutschland stehen gemeinsam in ihrem Blickfeld. Das Land ihrer Eltern oder Großeltern und das Land, in dem sie leben. Die DIDF-Jugend ist die seit 20 Jahren selbständige und bundesweit aktive Jugendorganisation der Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (Demokratik İşçi Dernekleri Federasyonu, DIDF), einem 1980 gegründeten Dachverband von Arbeiter- und Kulturvereinen, zu dem hauptsächlich türkische und kurdische Migranten zählen.
In Hamburg wurde die DIDF-Jugend erst 2010 gegründet. Die Zielgruppe des Verbandes sind Jugendliche zwischen zehn bis 27 Jahren. Die meisten der rund 60 Mitglieder haben einen türkischen Migrationshintergrund, aber man sei offen für alle, versichert Emre Ögüt, ein Vorstandsmitglied der Hamburger DIDF-Jugend, nachdrücklich. Er studiert Fahrzeugbau und weiß, wie schwer das Leben als Migrant manchmal sein kann : »Die Unterschiede zur etablierten Bevölkerung sind einfach sehr groß. Die soziale Schere geht immer weiter auseinander. Deswegen bin ich für mehr Gerechtigkeit und Verteilung.« Und Sedat ergänzt : »Wir wollen, dass Deutsche und Migranten zusammenwachsen und nicht gespalten werden. Denn Spaltungen gibt es nicht zwischen Ethnien sondern zwischen den sozialen Schichten – von oben nach unten.« Dies sei eines der Motive, warum er sich persönlich engagiere. Die DIDF-Jugend möchte einfach ein Teil der deutschen Bevölkerung sein und mit anderen Jugendverbänden gemeinsam etwas für Jugendliche erreichen. Daher hatte die DIDF-Jugend den Aufnahmeantrag beim Landesjugendring gestellt und wurde bei der letzten Vollversammlung als 18. Mitglied aufgenommen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Vernetzung, ist sich Sedat sicher.
Politische Bildung und Aktion. Wer auf die
Facebook-Seite der DIDF-Jugend Hamburg schaut, erhält einen Überblick ihrer vielfältigen Aktivitäten. »Schülerdemo für Bleiberecht« von Refugees – die DIDF-Jugend war im letzten Dezember mit dabei und forderte per Flugblatt : »Nicht Geflüchtete, sondern Fluchtursachen bekämpfen!« Im Text heißt es: »Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Der nahe Osten versinkt mit den Waffen aus dem Westen im Chaos. Der Hamburger Hafen dient dabei als Drehkreuz des internationalen Waffenhandels.« Ebenso mobilisierte die DIDF-Jugend für die Ablehnung der Olympiabewerbung Hamburgs beim Referendum im November oder brachte im Juni letzten Jahres streikenden Postlern am Diebsteich Lahmacun und Ayran. Schließlich : »Mit leerem Magen streikt es sich nun mal nicht gut!« Diese und weitere Aktionen gehen einher mit Seminaren und Diskussionsveranstaltungen. Jährliches Highlight ist das bundesweite Sommercamp der DIDF-Jugend : Zuletzt in 2015 kamen über 200 Jugendliche im österreichischen Kärtnen zusammen, um über Themen wie »Die EU und die Griechenlandkrise«, die Konflikte in der Ukraine, die NSU-Morde oder über das Freihandelsabkommen TTIP zu diskutieren.
Trotz Kälte. Nach langem Marsch durch die Hamburger Innenstadt biegt die Menschenmenge um die nächste Kurve und macht Halt vor dem Türkischen Konsulat. Sedat und Emre halten weiter mit anderen DIDF'lern das Banner hoch. »Stoppt das Massaker in Kurdistan! Frieden jetzt sofort!« Sie werden nicht müde. Zumal Erfahrungen mit dem brutalen Vorgehen türkischer Staatsorgane nicht fern sind. Emre : »Nach einem Anschlag gab es in Istanbul Hausdurchsuchungen. In einer der gestürmten Wohnungen wohnte die Cousine eines DIDF-Mitgliedes. Sie habe die Polizisten lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass sie bitte die Schuhe ausziehen sollen. Sie hat ihnen sogar Pantoffeln angeboten. Daraufhin wurde sie aus nächster Nähe in die Brust geschossen. Einfach so. Ohne Grund. Die Verletzungen waren zu schwer. Sie starb daran.«
Auf die Frage, was er sich für die Zukunft wünsche, zögert Emre : »Ich weiß, dass es unrealistisch ist. Aber ich hoffe auf das Beste. Und das ist Frieden.«
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