Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2016, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Zur Situation der Ausbildung und den Betriebspraktika

Der Ausbildungsreport Hamburg der DGB-Jugend 2016

Von Christian Kröncke, DGB-Jugend Nord / Hamburg

Die DGB-Jugend ist ein Jugendverband, der den Interessen junger Menschen im Bereich Praktikum, Ausbildung und Beruf eine Plattform bietet und für sie eintritt. Wir sind die Experten/innen für alle Fragen, die sich um das Thema Arbeit drehen – sowohl im Betrieb als auch außerhalb dessen. Als Interessenvertretung junger Arbeitnehmer/innen üben wir Druck auf Politik und Unternehmen aus. Wir setzen uns zum Beispiel dafür ein, dass es genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze für junge Menschen gibt und dass diese fair gestaltet sind und angemessen entlohnt werden. Ein Instrument dafür ist auch der Ausbildungsreport, der aktuell in der zweiten Auflage für Hamburg vorliegt.

Als Dachverband eint die DGB-Jugend alle jungen Gewerkschaftsmitglieder ihrer acht Mitgliedsgewerkschaften [1]. Das sind bundesweit mehr als 500.000 Menschen bis 27 Jahre. In den Gewerkschaften können junge Menschen in unseren Gremien sowie Projekt- und Aktionsgruppen aktiv werden : Auszubildende, Schüler/innen, Studierende, Praktikanten/innen, junge Menschen, die arbeitslos sind – alle haben die Möglichkeit, Mitglied zu werden und sich an der Arbeit der Gewerkschaftsjugend zu beteiligen.

Damit wir für die Durchsetzung von Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen junger Menschen gute Argumente in der Hand haben, ist es notwendig, die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen zu analysieren. Genau dies machen wir mit der Veröffentlichung des Hamburger Ausbildungsreportes. Bereits zum zweiten Mal nach 2012 haben wir im Februar 2016 unseren länderspezifischen Ausbildungsreport herausgebracht. Für den Ausbildungsreport befragten wir 3400 Hamburger Auszubildende aus 43 Ausbildungsberufen unterschiedlichster Branchen.
Die Befragung zur Ausbildungsqualität ergab, dass fast zwei Drittel der Auszubildenden mit ihrer Ausbildung insgesamt zufrieden sind. Dem gegenüber stehen allerdings zum Teil unzureichende, inakzeptable Ausbildungsbedingungen. Einige zentrale Ergebnisse sind folgende :

• Arbeitszeiten und Überstunden : 13,4 Prozent der Auszubildenden sagen aus, dass sie wöchentlich mehr als 40 Stunden arbeiten. 38,2 Prozent der Auszubildenden leisten regelmäßig Überstunden, von denen nur 64,6 Prozent überhaupt einen Ausgleich für die Überstunden in Form von Freizeit oder Bezahlung erhalten.

• Ausbildungsplan und Ausbildungsnachweis : 34,8 Prozent der Auszubildenden liegt kein betrieblicher Ausbildungsplan vor, obwohl dies vorgeschrieben ist. Dieser Ausbildungsplan schreibt den zeitlichen Ablauf der zu lernenden Inhalte verbindlich fest und gibt eine Orientierung darüber, zu welchem Zeitpunkt etwas zu lernen ist. Dies sichert unter anderem die Qualität der Ausbildung. Wichtig ist : Auszubildende sollten ihr Berichtsheft [2] unter Anleitung und Hilfestellung der Ausbilder/innen während der Arbeitszeit schreiben, um Lernprozesse durch Eigen- und Fremdeinschätzung reflektieren zu können.
• Zufriedenheit : Die Zufriedenheit mit der Qualität der Ausbildung hängt neben den Faktoren Betreuung, Interessenvertretung [3] und Belastung auch von der Frage ab, ob der Ausbildungsberuf ein Wunschberuf oder eine Notlösung ist. Die Ergebnisse zeigen, je weniger der realisierte Ausbildungsberuf den Berufswünschen der Auszubildenden entspricht, desto unzufriedener sind diese mit ihrer Ausbildung und desto wahrscheinlicher wird ein Wechsel in ein anderes Berufsfeld.
56 Fragen zur Ausbildung umfasst der Fragebogen, auf die uns die Berufsschüler/innen eine Rückmeldung zu ihrer Ausbildungsplatzsituation geben. Neben einem allgemeinen Teil stellen wir auch immer Schwerpunkte der Befragung heraus. Im Hauptteil erhielten wir Antworten auf die fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb, Ausbildungszeiten und Überstunden, Ausbildungsvergütung und die persönliche Beurteilungen der Ausbildung durch die Azubis. Eine der beiden Sonderauswertungen stellt geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bewertung der Ausbildung dar. • Ausbildungsbedingungen : Ein Ergebnis dieser Auswertung nach Geschlechtern ist, dass wir massive Unterschiede in der Zufriedenheit zwischen männlich und weiblich dominierten Berufen feststellen. So liegt der Anteil der »zufriedenen« und »sehr zufriedenen« Auszubildenden in den männlich dominierten Ausbildungen mit 75,1 Prozent deutlich über dem der weiblich dominierten Berufe (55,1 Prozent).
Die zweite Sonderauswertung befasst sich mit der Situation der Betriebspraktika, die während der Schulzeit vor der Berufsausbildung verpflichtend von allen Hamburger Schüler/innen absolviert werden müssen. Diese Betriebspraktika sind zentraler Bestandteil der Berufsorientierung für jede/n Schüler/in. Sie sollen folglich dazu beitragen, dass jede/r den für sich passenden Beruf erkundet und eine Berufswahlentscheidung nach dem Abschluss der Schule fällt. In Hamburg müssen alle Schüler/innen zwei dieser Praktika in der 9. Klasse absolvieren. Ein wichtiger Bestandteil dieser Praktika ist die »besondere betriebliche Lernaufgabe« oder der »Praktikumsbericht«, die in der Regel später in die Note einfließen [4]. • Bedeutung der Betriebspraktika für die Berufswahl : Die DGB-Jugend wollte nun wissen, wie die Berufsschüler/innen ihr Betriebspraktikum während der Schulzeit bewerten und wie viel es zur Wahl des Ausbildungsberufes beigetragen hat. Fast 60 Prozent der befragten Hamburger/innen sagten aus, dass ihnen die Betriebspraktika bei der Suche ihres jetzigen Ausbildungsberufes nicht geholfen hatten. Zudem sagte fast die Hälfte (46,1 Prozent) von ihnen aus, dass sie die Tagesabläufe im Betrieb uninteressant fanden und ihnen der Beruf nicht gefiel. Für jeden Fünften gab es keine Einbindung im Betrieb und es durfte nichts gemacht werden.
• Unterstützung durch Schule und Betrieb während der Betriebspraktika : Die Betreuung während der Praktika ist das A und O für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem Beruf und des Erstellens des Berichtes bzw. der betrieblichen Lernaufgabe. Hier sagten jedoch nur 65,9 Prozent der Schüler/innen, dass sie von der Schule unterstützt wurden. Die Unterstützung durch den Betrieb fällt mit 58,0 Prozent sogar noch geringer aus.
Die DGB-Jugend hat aufgrund dieser Ergebnisse Forderungen entwickelt, die wir an die Politik und die Wirtschaft stellen, damit Missstände beseitigt werden. Zentral ist jedoch, dass sowohl in der Ausbildung als auch im Betriebspraktikum die Betreuung sichergestellt sein muss, um die Qualität zu gewährleisten. Da wir aufgrund des Ausbildungsreports etliche Verstöße gegen gültige Gesetze feststellen (z. B. bei sehr langer Arbeitszeit – insbesondere bei unter 18-Jährigen, dem fehlenden Ausgleich von geleisteten Überstunden oder der mangelhaften Betreuung durch den/die Ausbilder/in), müssen die gültigen Gesetze zum Schutze der Jugend und jungen Generation eingehalten und bei Verstößen durch die Betriebe auch Sanktionen folgen.
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[1] junge GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft), EVG Jugend (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft), junge IG BAU (Industriegewerkschaft Bauen – Agrar – Umwelt), IG Metall Jugend (Industriegewerkschaft Metall), IG BCE Jugend (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie), junge Gruppe der GdP (Gewerkschaft der Polizei), junge NGG (Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten), ver.di Jugend (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft)
[2] Das Berichtsheft ist der Ausbildungsnachweis für die Berufsausbildung und die Azubis sind verpflichtet, dies zu führen. Dieser Nachweis ist entscheidend dafür, ob man zur Prüfung zugelassen wird oder nicht.
[3] Mit Interessenvertretung ist eine Jugendauszubildendenvertretung gemeint. Sie kümmert sich um die Belange der Azubis im Betrieb und verteidigt dich zusammen mit dem Betriebsrat (BR) gegenüber dem Chef bzw. der Chefin.
[4] Näheres zum Betriebspraktikum ist im Praktikumsleitfaden für Schüler/innen nachzulesen: http://li.hamburg.de/zsw/material/4145796/artikel-leitfaeden; Behörde für Schule und Berufsbildung (Hrsg.): Das Praktikum der Stadtteilschule – Leitfaden für Schülerinnen und Schüler, Hamburg, November 2013.