Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2013, Rubrik Kommentar

»Unverzichtbar«

Ein Blick auf den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD

Von Sebastian Züge, LJR-Vorsitzender

Wenn im 18. Deutschen Bundestag eine neue Regierung – durch eine große Koalition aus CDU, CSU und SPD – gebildet werden sollte (was zum Zeitpunkt der Drucklegung von punktum noch offen war), dann bietet der Koalitionsvertrag der beteiligten Parteien vielfältige Anknüpfungspunkte für die Jugendverbandsarbeit. Daher möchte ich hier einen ersten Blick auf die wesentlichen Themenfelder werfen, die uns in den nächsten Jahren die Chance zur Anknüpfung und Einbringung unserer Forderungen ermöglichen.

Stichwort eigenständige Jugendpolitik. Sozialwissenschaftler und Jugendverbände fordern es seit Jahren: Die Zersplitterung der ministeriellen und behördlichen Zuständigkeiten im Bereich Jugend ist zu überwinden. Dazu steht im Koalitionsvertrag: »Jugend ist eine eigenständige Lebensphase. Wir begreifen Jugendpolitik als ein zentrales Politikfeld, das vorrangig von Ländern und Kommunen vor Ort gestaltet wird. Um unsere jugendpolitischen Ziele zu verwirklichen, benötigen wir eine starke Allianz für die Jugend mit einer neuen, ressortübergreifenden Jugendpolitik, die die Belange aller jungen Menschen im Blick hat. Gemeinsam mit Jugendlichen und ihren Jugendverbänden entwickeln wir das Konzept einer eigenständigen Jugendpolitik weiter. Wir wollen Jugendlichen Freiräume ermöglichen, ihnen Chancen eröffnen und Rückhalt geben. Wir werden gemeinsam mit den Jugendverbänden einen ›Jugend-Check‹ entwickeln, um Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Interessen der jungen Generation zu überprüfen.« (S. 101)

Stichwort Jugendverbandsarbeit. Die Koalitionäre betonen: »Wir unterstützen die Selbstorganisation Jugendlicher in Jugendverbänden. Sie sind unverzichtbar für eine lebendige Demokratie. Wir werden die Infrastruktur der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendverbandsarbeit und die politische und kulturelle Bildung auf Bundesebene stärken und dabei auch die besonderen Bedürfnisse junger Menschen mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen. Der Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) ist das zentrale Instrument, um eine bundeszentrale Infrastruktur der Jugendverbände sicher zu stellen.« (S. 101) Das ist deutlich und erfreulich. Wichtig ist, um es hamburgisch zu sagen, dass auch »Butter bei die Fische« kommt. Wer u.a. die »besonderen Bedürfnisse junger Menschen mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen« will, kommt nicht umhin, erweiterte Mittel zur Verfügung zu stellen. Schließlich wird die interkulturelle Öffnung als politische Zielvorgabe im Koalitionsvertrag anerkannt und als Querschnittsaufgabe angemahnt.

Stichwort interkulturelle Öffnung. »Zur Willkommens- und Anerkennungskultur gehört die interkulturelle Öffnung von Staat und Gesellschaft. Wir setzen uns dafür in allen Lebensbereichen ein, insbesondere im Bereich des ehrenamtlichen Engagements … und der Kultur, im Sport und im Gesundheits- und Pflegebereich.« (S. 106) Denn: »Deutschland ist ein weltoffenes Land. Wir begreifen Zuwanderung als Chance, ohne die damit verbundenen Herausforderungen zu übersehen. In den letzten Jahren haben wir bei der Teilhabe von Zuwanderern und dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft wesentliche Fortschritte erzielt. Migranten leisten einen bedeutenden Beitrag zum Wohlstand und zur kulturellen Vielfalt unseres Landes. Leitlinie der Integrationspolitik bleibt Fördern und Fordern. Wir erwarten, dass Angebote zur Integration angenommen werden. Jedoch ist Integration ein Prozess, der allen etwas abverlangt. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. … Grundlage der Integrationspolitik ist der gemeinsam erarbeitete Nationale Aktionsplan Integration. Integrationspolitik ist auch Bildungspolitik. Dies muss in den dafür zur Verfügung stehenden Finanzmitteln zum Ausdruck kommen.« (S. 106) Auch dies ist erfreulich, wenngleich die Grundförderung der Jugendverbandsarbeit zuvorderst Länder- und nicht Bundesangelegenheit ist. Welche Erfahrungen, Aufgaben und anschließende Herausforderungen sich aus der interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit ergeben, lotet für Hamburg das aktuell gestartete Pilotprojekt beim Landesjugendring aus, das in diesem Heft das Titelthema bildet.

Worauf es ankommt. Auch in anderen Teilen des Koalitionsvertrags werden politisch wichtige Themenfelder für junge Menschen wie (Aus-)Bildung, Jugendarbeitslosigkeit, Partizipation, Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention oder Jugend und Europa als Handlungsfelder der kommenden Regierung benannt.
Es geht mir hier nicht um eine politische Bewertung oder Kritik des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD. Wie immer gilt: Koalitionsverträge beschreiben zunächst politische Zielvorgaben, die in der harten Realität widerstreitender Interessen und ökonomischer Imperative sich erst noch bewähren müssen. Wichtig für uns in der Jugendverbandsarbeit aber ist, dass wir die damit eröffneten Chancen zur Einmischung aufgreifen. Viele unserer drängendsten jugendpolitischen Herausforderungen sind im Koalitionsvertrag benannt. Jetzt kommt es darauf an, diese im politischen Diskurs mit der Bundesregierung und – da politischer Druck immer weiterhilft – auch mit der parlamentarischen Opposition im Bundestag aufzugreifen und weiter voranzubringen. Nur dann kann aus dem großen Titel des Koalitionsvertrages »Deutschlands Zukunft gestalten« auch eine Zukunftsperspektive für junge Menschen erwachsen.