Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2006, Rubrik Titelthema

Jugendverbandsarbeit in der Großstadt

Eine empirische Studie über die Hamburger Jugendfeuerwehr

von Helmut Richter, Wibke Riekmann und Michael Jung, Universität Hamburg

Ein Jugendverband stellt sich der eigenen Wirklichkeit: An der Universität Hamburg wurde im Fachbereich Erziehungswissenschaft in den letzten 15 Monaten eine empirische Studie über die Hamburger Jugendfeuerwehr durchgeführt und ausgewertet. Thema war sowohl das »Alltagsgeschäft« der Jugendverbände, nämlich die Frage nach den Perspektiven von Mitgliedschaft und Ehrenamt, als auch die Frage nach der Verwirklichung von langfristigen Zielen, wie der demokratischen Bildung von Kindern und Jugendlichen.

Einleitung
Obwohl die Entstehung der meisten Jugendverbände nun mehr als 100 Jahre zurückliegt und sie inzwischen nicht nur eine lange Geschichte, sondern auch eine große Vielfalt und Differenzierung aufweisen, sind die Forschungsbemühungen in diesem Feld überschaubar. Es schien bisher nicht notwendig, Jugendverbandsarbeit detailliert zu untersuchen. Seit einigen Jahren rückt nun die außerschulische Bildung mehr ins Blickfeld. Die PISA-Ergebnisse mögen dazu beigetragen haben, die Engführung auf das schulische Lernen zu kritisieren und zunehmend auch das »informelle Lernen« in den Blick zu nehmen (vgl. Rauschenbach/Düx/Sass 2006, Sturzenhecker 2004). Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. In einer merkwürdigen Gleichzeitigkeit von steigender (politischer) Wahrnehmung und wissenschaftlicher Erforschung gerät Jugendverbandsarbeit auch zunehmend unter Druck. Zu nennen sind zum Beispiel die zurückgehende Grundfinanzierung der Jugendverbände zu Gunsten einer Projektfinanzierung und der Ausbau der Ganztagsschulen. Wenn also Jugend(verbands)arbeit nicht für alle möglichen Ziele der Politik, von Drogenprävention bis zur Gewaltverhinderung, instrumentalisiert werden, und sich im Rahmen der Ganztagsangebote nicht mit der »Rolle der betreuenden Juniorpartnerin« (Züchner 2006, S. 208) zufrieden geben möchte, tut sie gut daran, die eigenen Leistungen genauer zu beschreiben und ihre Stärken hervorzukehren.

Im Folgenden stellen wir Ihnen einen Ausschnitt aus der Studie »Jugendverbandsarbeit in der Großstadt. Perspektiven zu Mitgliedschaft und Ehrenamt am Beispiel der Jugendfeuerwehr Hamburg« vor. Wie der Titel bereits verrät, beansprucht die Studie durchaus, auf allgemeine Entwicklungen von Jugendverbänden in Großstädten hinzuweisen, auch wenn die empirischen Befunde nur für den untersuchten Jugendverband der Jugendfeuerwehr Hamburg gültig sind.

Vorstellen möchten wir an dieser Stelle Ergebnisse, die weniger jugendfeuerwehrspezifisch, wohl aber jugendverbandsspezifisch sind. Es handelt sich um Ergebnisse zum ehrenamtlichen und freiwilligen Engagement, zur Partizipation von Kindern und Jugendlichen sowie um einen Ausblick auf die demokratische Bildung und damit auf die Handlungsfelder des Jugendverbandes. Zunächst jedoch folgt eine Kurzvorstellung der Hamburger Jugendfeuerwehr, die durch einige Hinweise auf die methodische Rahmung der Studie ergänzt werden.

Die Jugendfeuerwehr Hamburg
Die Jugendfeuerwehr Hamburg (im Folgenden: JF) ist ein Zusammenschluss der lokalen JF-Gruppen. Die einzelnen Jugendfeuerwehren sind jeweils an eine der 87 Freiwilligen Feuer-wehren in Hamburg angegliedert und wie diese auf Stadtteilebene organisiert. Ende des Jahres 2005 hatten mehr als die Hälfte der Freiwilligen Feuerwehren, nämlich 49, eine Jugendfeuerwehr mit insgesamt 839 Mitgliedern.
Die Jugendfeuerwehren bzw. JF-Gruppen bestehen aus Jugendlichen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren und haben zurzeit durchschnittlich 17 Mitglieder. Ein Verweilen in der JF über das vollendete 18. Lebensjahr hinaus ist nicht möglich. Mit 17 oder 18 Jahren kann der Übertritt in die Freiwillige Feuerwehr erfolgen. Jede Jugendfeuerwehr wählt eine/n Jugendfeuerwehrwart/in (im Folgenden: JFW) und eine/n Stellvertreter/in, beide müssen Erwachsene und Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sein. Darüber hinaus wählen die Jugendlichen aus ihren eigenen Reihen Jugendsprecher/innen. Die Jugendsprecher/innen und ihre Vertreter/innen sowie die JFW oder ihre Vertreter/innen repräsentieren die einzelnen JF im höchsten Beschlussorgan der Jugendfeuerwehr, der Delegiertenversammlung.

Das sind noch längst nicht alle Organe oder Ämter, die es in der Jugendfeuerwehr gibt – aber dies sollte zur Vorstellung genügen. Wer sich genauer informieren möchte, sei auf die Seiten der JF im Internet verwiesen unter:
www.jf-hamburg.de.

Methodische Rahmung
Nach einer qualitativen und quantitativen Voruntersuchung wurde die Hauptuntersuchung in drei Gruppen durchgeführt. Befragt wurden auf der Grundlage einer Vollerhebung mit Fragebögen vor Ort alle Mitglieder und Ehrenamtlichen sowie in Telefoninterviews die in den letzten 5 Jahren ausgetretenen ehemaligen Mitglieder der Jugendfeuerwehr. Die Teilnahmequoten waren sehr zufrieden stellend. Bei den Mitgliedern erreichten wir eine Teilnahmequote von 83 %
(= 650 Teilnehmer/innen), bei den ehemaligen JF-Mitgliedern mit den Telefoninterviews eine Teilnahmequote von 52 % (= 248 Teilnehmer/innen) und bei den Erwachsenen in der JF eine Teilnahmequote von 74 % (= 247 Teilnehmer/innen). Insgesamt können wir von einer Repräsentativität der Daten für die JF Hamburg sprechen.

Freiwilliges und ehrenamtliches Engagement in der Diskussion
»Jugendverbandsarbeit in der Krise« oder auch »Vorbei mit den Vereinen« – so titelten noch Ende der 90er Jahre die großen Jugendstudien. Man machte sich Sorgen über den künftigen sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft: Jugendliche würden sich nicht mehr engagieren wollen – so der Tenor –, die Zukunft gehöre den »Egotaktikern« (Hurrelmann u.a. 2002, S. 33).
Mit der Veröffentlichung der ersten Welle des Freiwilligensurveys der Bundesregierung 2001 waren auf einmal ganz andere Töne zu hören: Die Gruppe der Jugendlichen liege mit 37 % Engagierten sogar über dem Durchschnitt. Dazu komme, dass 63 % der Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren sagten, sie hätten ein grundsätzliches Interesse an einer freiwilligen oder ehrenamtlichen Tätigkeit (vgl. BMFSFJ 2000). Die anderen Jugendstudien zogen nach: Schon 2002 schrieb die Shell-Studie, 76 % der Jugendlichen seien gelegentlich gesellschaftlich aktiv (vgl. Deutsche Shell 2002), und auch die vor kurzem veröffentlichte zweite Welle des Freiwilligensurveys lobt die engagierte Jugend (vgl. BMFSFJ 2005).

Was war geschehen?
Nach unserer Lesart hatten sich weniger die Einstellungen und Verhaltensweisen der Jugendlichen verändert, wohl aber die Studien. Ein wahres Feuerwerk an Begriffen war entstanden: Freiwilliges Engagement, Selbsthilfe, Bürger- oder Freiwilligenarbeit, Ehrenamt, politisches, soziales, bürgerschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement sind nur einige der Begriffe, die umschreiben, dass wir nicht mehr wissen, wovon wir eigentlich reden, wenn es um die zukünftige soziale und demokratische Integration der Gesellschaft geht. Aufgrund dieser Unklarheiten ist es nach wie vor auch nur eingeschränkt möglich, die These vom »Strukturwandels des Ehrenamtes« (Beher u. a. 2000) – weg vom längerfristig-institutionalisierten, hin zum kurzfristig-spontanen Engagement – eindeutig zu bestätigen bzw. zu widerlegen.

Diese gegensätzlichen und gleichzeitig wenig präzisen Forschungsergebnisse haben in der Jugendfeuerwehr Hamburg Anfragen hinsichtlich der mittel- und langfristigen Perspektiven ihrer Organisation ausgelöst. Denn obgleich die JF heute eine der wenigen Jugendverbände ist, die ein zahlenmäßiges Wachstum zu verzeichnen haben – Ende des Jahres 2005 hatte die JF Hamburg 839 Mitglieder im Vergleich zu 200 Mitgliedern im Jahr 1990 –, können vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung mögliche negative Entwicklungen in der Zukunft nicht ausgeschlossen werden.

Die besondere Bedeutung des Ehrenamtes begründet sich dadurch, dass ein gesellschaftliches Engagement zwar den sozialen Zusammenhalt befördert, jedoch nicht automatisch zur Demo-kratie beiträgt oder als »Teil der demokratischen Kultur« (Rosenbladt 2001, S. 20) bezeichnet werden kann, wenn man z. B. bedenkt, dass es in Deutschland das höchste gesellschaftliche Engagement in der Zeit des Nationalsozialismus gegeben hat. Insofern ist es notwendig, die angesprochene Gleichsetzung von freiwilligem und ehrenamtlichem Engagement in den aktuellen Ehrenamtsforschungen zu überwinden und klar zu definieren, wodurch sich ein explizit demokratisches Engagement auszeichnet. Ausgangspunkt hierfür ist das demokratische Ehrenamt, d. h. eine regelmäßig und dauerhaft auszuübende freiwillige Tätigkeit in einer auf den Vereinsprinzipien beruhenden lokalen Organisation, für die man gewählt oder durch demokratisch legitimierte Amtsträger ernannt wird und für die der Aufwand entschädigt werden kann. Mit dieser Bestimmung sollen andere Formen eines gesellschaftlichen Engagements nicht abgewertet, sondern lediglich elementare Voraussetzungen für ein demokratisch organisiertes Miteinander im Verein und damit in der Gesellschaft benannt werden.

Ehrenamtliches und freiwilliges Engagement in der Jugendfeuerwehr
Jugendliche haben vielfältige Möglichkeiten, ehrenamtlich in der JF tätig zu sein. Sie können z. B. Jugendsprecher/in werden, Schriftführer/in oder Kassenwart/in. Und obwohl es kein Selbstläufer ist, Jugendliche für ein Engagement zu gewinnen, ist die Rekrutierung Jugendlicher insgesamt sehr erfolgreich – fast ein Drittel der jugendlichen Mitglieder ist in einem Amt tätig. Mit der Übernahme eines solchen Ehrenamtes wird von den Jugendlichen ausgedrückt, dass sie zum einen bereit sind, Verantwortung in der JF zu übernehmen, aber auch, dass sie sich demokratisch auf der Grundlage der Jugendordnung in der JF engagieren wollen.
Für die Erwachsenen ist als ein erstes zentrales Ergebnis zunächst festzuhalten, dass es der JF Hamburg – im Unterschied zu teilweise anders lautenden Ergebnissen aktueller Jugend- bzw. Freiwilligenstudien – nach wir vor gelingt, eine beachtliche Zahl an freiwillig und ehrenamtlich engagierten Erwachsenen zu rekrutieren. Auch wenn in einigen JF nur unter Schwierigkeiten engagierte Erwachsene zu finden sind, die sich zu einem dauerhaften Engagement bereit erklären, so sind doch die ehrenamtlichen Positionen in den JF meist kontinuierlich besetzt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Helfer und Betreuer, die sich – als Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr vor Ort – teils ehrenamtlich, teils freiwillig in den einzelnen JF engagieren.

Ein wesentlicher Grund für das Engagement der Erwachsenen ist, dass sie in dieses Engagement hineinwachsen. Das heißt, vor allem die jüngeren Erwachsenen kommen selbst aus der JF, während andere inzwischen auch ihre eigenen Kinder in der JF haben und so eine familiäre Bindung fortsetzen. Dies ist auf der einen Seite als eine Stärke des Verbandes zu interpretieren – auf der anderen Seite aber sollte nicht vernachlässigt werden, dass es auch für Neueinsteiger aus dem Stadtteil und der Freiwilligen Feuerwehr möglich sein muss, sich in der JF zu engagieren.

Bei den Motiven für das Engagement zeigt sich, dass Erwachsene nicht unbedingt »anders ticken« als Jugendliche. Selbstlose und selbstbezogene Motive haben beim Engagement einen gleichen Stellenwert. Das bedeutet, dass es den in der JF tätigen Erwachsenen nicht nur darum geht, etwas für andere, sondern immer auch etwas für sich selbst zu tun. Von besonderer Bedeutung aber sind für das Engagement der Erwachsenen die Jugendlichen. Auf den unmittelbaren Umgang mit ihnen und auf ihre Entwicklung zielen die Aktivitäten der Jugendfeuerwehr vornehmlich ab. Deshalb sind es auch in erster Linie die Jugendlichen, die den Engagierten das notwendige positive Feedback geben.

Zeit und Engagement: ein Strukturproblem?
Zeit spielt für Ehrenamtliche immer eine zentrale Rolle. In der JF Hamburg ist es daher nicht nur die Zahl der Ehrenamtlichen, die es ermöglicht, die Angebote und Aktivitäten aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Es ist auch der hohe Zeitaufwand, der hierfür regelmäßig und dauerhaft aufgewendet wird. Dies gilt vor allem für die Erwachsenen und insbesondere für die JFW.
Dieses hohe zeitliche Engagement ist außerordentlich anerkennenswert. Es jedoch nur positiv zu würdigen, wäre schon in Anbetracht der Verpflichtungen bedenklich, denen die in der JF tätigen Erwachsenen auch in ihrer Rolle als Mitglieder der FF gerecht werden müssen. Vor allem aber lässt es der Zeitaufwand zweifelhaft erscheinen, ob die Amtsträger zu ersetzen sind, weil er abschreckend wirken und dadurch andere Personen von einem Engagement abhalten kann.

In der Graphik kann man sehen, dass 25 Prozent der JFW und 10 Prozent der Helfer und Betreuer die Marke von 50 Stunden Zeitaufwand im Monat überschreiten. 50 Stunden aber entsprechen der steuerrechtlichen Grenze für eine Nebentätigkeit. Mehr Zeit sollte daher auch ein Ehrenamt nicht umfassen.
Natürlich sind diese Zahlen immer nur Orientierungen, und sie hängen auch bei den Erwachsenen von der subjektiven Empfindung der Belastung ab; denn ob sich jemand belastet fühlt, kann nicht nur in Stunden gemessen werden. Eine grundsätzliche Konsequenz für die Gewinnung von Erwachsenen, die sich in der JF freiwillig oder ehrenamtlich betätigen, ist daher eine möglichst breite Aufteilung und Delegation von Aufgaben, um die individuellen Belastungen gering zu halten. Also: Mehr Leute machen weniger, statt weniger Leute machen mehr.

Als Unterstützung für ihr Engagement wünschen sich die Erwachsenen gute Rahmenbedingungen, was u. a. eine vielfältige Anzahl an Seminarangeboten, die Bereitstellung von kinder- und jugendgerecht aufbereiteten Arbeitsmaterialien, aber auch finanzielle Zuwendungen bedeutet. Was sie sich allerdings nicht wünschen, ist eine zu starke Einschränkung und Kontrolle ihrer Aktivitäten in der JF vor Ort. Die konkrete Gruppenarbeit soll ihre eigene Sache bleiben.

Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen
Wird die Frage nach der Gleichberechtigung von Kindern und Jugendlichen auf die Frage nach der Verwirklichung demokratischer Prinzipien im alltäglichen Umgang verdichtet, so ist sie aus Sicht der jugendlichen Mitglieder weitgehend gewährleistet, z. B. in Bezug auf die Meinungsfreiheit, das Mehrheitsprinzip oder die Möglichkeit, über Entscheidungen diskutieren zu können. Nachdenklich stimmt in diesem Zusammenhang allerdings die Gewährleistung des Schutzes von Minderheiten, und zwar speziell auch von jüngeren JF-Mitgliedern; denn Entscheidungen in den JF-Gruppen werden überwiegend nach dem Mehr-heitsprinzip, seltener aber z. B. nach dem Konsensprinzip getroffen. Deshalb ist zu klären, warum etwa Mädchen und auch Jugendliche mit Migrationshintergrund in geringerem Maße der Meinung sind, Minderheiten würde eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und wa-rum die Jugendlichen – dies trifft vor allem auf die Ehemaligen zu – öfter als die Erwachsenen finden, Jüngere hätten es in der Gruppe schwer, ihre Meinung durchzusetzen. In jedem Falle ist zu bedenken, dass der Minderheitenschutz nicht nur über die oft umständliche Form der Einstimmigkeit, sondern ebenso über das ausdrückliche Einverständnis der Minderheitengruppe gesichert werden kann.

Bei der Mitbestimmung, mit der sowohl die JF-Mitglieder – vor allem die ehrenamtlich tätigen Jugendlichen – als auch die Ehemaligen insgesamt sehr zufrieden sind bzw. waren, ist zudem vor allem der Unterschied zu den Wahrnehmungen der Erwachsenen erklärungsbedürftig, weil sie hierfür insgesamt größere Möglichkeiten sehen als die Jugendlichen. Offenbar haben die Jugendlichen die Mitbestimmung auf ihre Erfahrungen und ihr tatsächlich ausgeübtes Verhalten bezogen, während die Erwachsenen sie stärker mit Blick auf die Möglichkeiten eingeschätzt haben. Dies deutet darauf hin, dass es den Jugendlichen – sofern sie es denn wollen – durchaus weitgehend möglich ist, in der JF mitzubestimmen, dass diese Möglichkeiten jedoch von einem Teil der Jugendlichen – insbesondere von den Jüngeren – nicht voll ausgeschöpft werden. Zur Abklärung der unterschiedlichen Erwartungen und Wahrnehmungen sollten die Erwachsenen daher das Gespräch mit den Jugendlichen suchen und sie darüber aufklären, in welchen Bereichen sie Mitbestimmung ausüben können und sollten.

Ausblick: Stärkung demokratischer Prinzipien auf hohem Niveau
Als Ausblick wurden für die Jugendfeuerwehr Hamburg fünf Handlungsfelder identifiziert:
• Jüngere mehr einbeziehen
• Jugendliche zu einer verstärkten Mitbestimmung anregen
• Mehr Freiraum für engagierte Erwachsene
• Minderheitenschutz stärken
• Stadtteilorientierung fördern und bisher unterrepräsentierte Gruppen bevorzugen.
Da die ersten vier Punkte schon angesprochen worden sind, möchten wir mit dem letzten Punkt: der Förderung der Stadtteilorientierung und der Bevorzugung bisher unterrepräsentierter Gruppen, die Vorstellung der Studie schließen und zugleich einen Ausblick auf die demokratische Bildung geben.

Demokratie ist immer »nur« ein Formprinzip und bedarf der inhaltlichen Ausgestaltung, damit sie konkret werden kann. Für die Jugendfeuerwehr wäre eine Stadtteilorientierung anzustreben, die die bisher noch vorrangig familiär-gemeinschaftlichen Beziehungen durch die interkulturelle Integration der Stadtteilbewohner und -bewohnerinnen vergesellschaftet. Ein erster Schritt auf diesem Wege könnte es sein, dem Wunsch der JFW zu entsprechen und mehr Fortbildungen über sozialpädagogische Themen anzubieten, um so den Blick für gesellschaftliche Integrations- und Desintegrationsprozesse zu erweitern. Vor dem Hintergrund, dass sich die JF nach wie vor überwiegend aus männlichen (2004: 82 %) deutschen (2004: 96 %) Jugendlichen zusammensetzt, wäre dann zu klären, wie die Bedürfnisse aller Angehörigen der jeweiligen Stadtteile angemessen zu berücksichtigen wären. Eine Möglichkeit könnte sein, in JF-Gruppen mit einer Warteliste für freie Plätze bislang unterrepräsentierten Gruppen einen gewissen Vorrang einzuräumen. Die Voraussetzungen innerhalb der JF
für eine verstärkte Integration sind jedenfalls grundsätzlich vorhanden. Weder gegenüber Mädchen noch gegenüber Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder mit Behinderung zeigt sich bei den Jugendlichen und den in der JF tätigen Erwachsenen eine überwiegende Ablehnung.
Mit diesen Ergebnissen können wir somit festhalten, dass die JF Hamburg sehr gute Perspektiven für die Mitgliedschaft, das freiwillige und ehrenamtliche Engagement sowie für demokratische Umgangsformen und Bildungsprozesse hat. Die Anregung, den Stadtteil auch als identitären Bindungs- und Bezugsraum wahrzunehmen und die Mitgliederstruktur als Spiegel der Bevölkerungsstruktur zu entwickeln, ist eine Herausforderung – nicht nur für die JF, sondern für alle Jugendverbände, die sich (noch) der demokratischen Bildung verpflichtet sehen.

Wer mehr über die Studie erfahren möchte, kann in der Geschäftsstelle der Hamburger Jugendfeuerwehr eine Kurzfassung beziehen oder gegen eine Schutzgebühr von 15 € die gesamte Studie in Buchform erhalten.
Anfragen unter: info@JF-Hamburg.de


Literatur:
• Beher, Karin/ Liebig, Reinhard/ Rauschenbach, Thomas (2000): Strukturwandel des Ehrenamtes. Gemeinwohlorientierung im Modernisierungsprozess. Weinheim und München
• BMFSFJ (2000) (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Freiwilligensurvey 1999. Ergebnisse der Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement. Band 1: Gesamtbericht. Stuttgart.
• BMFSFJ (2005) (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend/ TNS Infratest, Hrsg.) 2. Freiwilligensurvey 2004 – Ehrenamt, Freiwilligenarbeit, Bürgerschaftliches Engagement – Kurzzusammenfassung.
URL: www.bmfsfj/RedaktionBMFSFJ/Arbeitsgruppen/Pdf-Anlagen/2.freiwilligensurvey-kurzzusammenfassung.pdf;
• Deutsche Shell (2002) (Hrsg.): Jugend 2002. Zwischen pragmatischem Idealismus und robustem Materialismus. Frankfurt am Main.
• Hurrelmann, Klaus/ Linssen Ruth/ Albert, Mathis/ Quellenberg, Holger (2002): Eine Genera-tion von Egotaktikern? Ergebnisse der bisherigen Jugendforschung. In: Deutsche Shell (Hrsg.): Jugend 2002. Zwischen pragmatischem Idealismus und robustem Materialismus. Frankfurt am Main, S. 31-51.
• Rauschenbach, Thomas/ Düx, Wiebken/ Sass, Erich (Hrsg.) (2006): Informelles Lernen im Jugendalter. Vernachlässigte Dimensionen der Bildungsdebatte. Weinheim und München.
• Rosenbladt, Bernhard von (2001) Zusammenfassung, In: Ders. (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Ergebnisse der Repräsentativerhebung 1999 zu Ehrenamt,
Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement. 3 Bde. 2., korrigierte Auflg. Bd. 1. Stuttgart, S. 20.
• Sturzenhecker, Benedikt (2004): Zum Bildungsanspruch der Jugendarbeit. In: Otto, Hans-Uwe; Rauschenbach, Thomas (Hrsg.): Die andere Seite der Bildung. Wiesbaden, S. 147-165.
• Züchner, Ivo (2006): Mitwirkung und Bildungseffekte in Jugendverbänden – ein empirischer Blick. In: deutsche jugend, 54. Jg, H.5, S. 201-209.