Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2006, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

respekt*4

ein Wochenende, das Mut macht

von Jan Jetter, Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände

Es ist bald 23 Uhr am Samstagabend bei respekt*4, es herrscht gespannte Stille im Saal, man könnte die berühmte Nadel auf den Boden fallen hören, als Fritz Bringmann sagt: »Es ist nun an Euch – der jungen Generation – in unserem Sinne weiter gegen den Faschismus zu kämpfen!«. Gänsehaut, Standing Ovations des Publikums, berührte aber auch strahlende Gesichter bei allen Anwesenden im Raum am Ende dieses bewegenden Programmpunktes von respekt*4. Fritz Bringmann, der 89jährige Kommunist und Überlebende verschiedener nationalsozialistischer Konzentrationslager, hat lange und ausführlich aus seinem Leben erzählt und stand dem Publikum für viele Fragen Rede und Antwort. Ein außerordentlich konzentriertes und interessiertes Publikum hatte vorab schon einer Lesung ausführlicher Passagen aus Fritz Bringmanns Biographie gelauscht.


Aus dem Leben eines Antifaschisten.
Gerade siebzehnjährig wird der Lübecker Handwerkslehrling Fritz Bringmann von der Gestapo verhaftet und von brutalen SS-Schergen im berüchtigten Konzentrationslager Fuhlsbüttel (Kola-Fu) gefoltert. Er hatte die Parole »Nieder mit Hitler« an eine Wand gemalt. Es folgen vier lange Jahre im KZ Sachsenhausen und 1940 die Verlegung in das zentrale Konzentrationslager im Norden Deutschlands, nach Neuengamme. Fritz Bringmann berichtet von den Qualen und dem viel-fachen Tod im KZ. Neben der unmenschlichen Behandlung durch die SS beschreibt er aber auch die große Solidarität der Gefangenen: »Ohne die Solidarität hätte ich nicht überlebt. Sie ist für mich der größte Wert bis heute.« Empört berichtet er davon, wie nach dem Krieg alte Nazis nicht nur in seiner Heimatstadt Lübeck wieder das Sagen bekommen. Er wird von den Behörden schikaniert, weil er immer noch Kommunist ist, die Bestrafung von SS-Verbrechern fordert und sich gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik einsetzt. Und schließlich spannt der Ehrenpräsident der »Amicale Internationale de Neuengamme« den Bogen zur Gegenwart und fordert die Anwesenden dazu auf, im Sinne der Überlebenden nicht nachzulassen im Kampf gegen Rechts. Sein Appell hat an diesem Abend sicherlich viele Anwesende nachhaltig erreicht – noch lange reden die Besucher/innen über das Gehörte. Der Höhepunkt von respekt*4 hat bei den über 150 Gästen viel Stoff für Diskussionen und Gespräche geschaffen ...

respekt*4 mit neuem Besucherrekord. Am 19./20.11.06 fand im KÖLIBRI, einem Stadtteilzentrum in St. Pauli, »respekt*4 – gegen alltägliche gleichgültigkeit« statt. Erneut organisierten die Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände (AGfJ) und der Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nord (PBN) gemeinsam dieses große Aktionswochenende zu den Themen Rassismus, Antisemitismus und NS-Vergangenheit. Das Jugendmagazin Freihafen, ein Projekt der jphh, beteiligte sich als Medienpartner an der Aktion. Dass sich »respekt« mittlerweile als beliebte Veranstaltung etabliert hat, zeigen die gestiegenen Besucher/innenzahlen in allen Veranstaltungsteilen von respekt: Im ganzen haben 400 Besucher/innen am respekt-Wochenende an den verschiedenen Programmpunkten wie Workshops, Lesung, Diskussionen, Vortrag usw. motiviert und engagiert teilgenommen – ein absoluter Besucherrekord!

Informieren – Diskutieren – Agieren! So diskutierten am Samstagnachmittag die Teilnehmenden in fünf verschiedenen Workshops über Strategien gegen Rechts: Es war Thema, welche Kleidercodes die Naziszene nutzt und dass es notwendig ist, diese Codes zu demaskieren. Überfüllt war der Workshop, der der Frage nachging, wie die Rechten mit satirischen Mitteln bekämpft werden können. Ebenso wurden in einem Workshop Strategien praktisch erprobt, wie man im Alltag rassistischen Sprücheklopfern entgegentreten kann. Für viel Diskussionsstoff sorgte das Thema zu Erscheinungsformen des Antisemitismus, in dem kontrovers diskutiert wurde, dass in der Auseinandersetzung mit Israel in nicht wenigen Fällen antisemitische Stereotypen mitschwingen. In Überleitung zu dem Abend mit dem antifaschistischen Widerstandskämpfer Fritz Bringmann wurde am Beispiel der Gedenkstätte Neuengamme in einem weiteren Workshop die Notwendigkeit der Erinnerungspolitik thematisiert.

»NPD-Verbot – Warum nicht?« Auch das politische Frühstücksmatinée mit leckerem Brunch und Musik von »Feinkost« am Sonntagmittag platzte aus allen Nähten. Neben dem Futter für den Bauch gab der Journalist Andreas Speit reichlich Kost zum Nachdenken mit auf dem Weg: In seinem Vortrag »NPD goes Mainstream« stellte er die gefährlichen Strategien der NPD in Verbindung mit sog. »Kameradschaften« dar, die auf der einen Seite durch den »Kampf um die Parlamente« die Mittel der Demokratie für sich nutzen, dies den politischen Gegnern jedoch zu verweigern und sie notfalls mit Gewalt und brutalem Straßenterror an der Ausübung demokratischer Rechte hindern. Auf die Frage nach einem NPD-Verbot antwortet Speit: »Warum nicht? – Inhaltlich hätten sie es verdient! Gescheitert ist das Verfahren nur an formalen Fragen.«
Traurige Aktualität erlangte der Vortrag über die Gefährlichkeit der Nazis durch die Meldung, dass die zweite geladene Referentin, die Journalistin Andrea Röpke, nicht kommen konnte, da sie vor einer Veranstaltung in Brandenburg von Nazis verfolgt und in einem Supermarkt vor Dutzenden Zuschauern brutal zusammengeschlagen wurde. Ein Argument mehr für alle Anwesenden, den Nazis entgegenzutreten, wo immer es geht.

Alle zufrieden – respekt! Vielfältige Ausstellungen, Büchertische und Infos, anregende Diskussionen, spannende Workshops, interessante Begegnungen, respekt-T-Shirts und respekt-Schlüsselbänder, Aktionen und Ideen und eine Menge Spaß – für all das steht ein erfolgreiches respekt*4-Wochenende in schöner, gemütlicher und anregender Atmosphäre. Eine Vielzahl ehrenamtlicher Aktiver hat respekt ermöglicht und deutlich gemacht: Es ist möglich, den Nazis, den Rassisten und Antisemiten aktiv etwas entgegen zusetzen – und es gibt Viele, die daran ein Interesse haben und aktiv werden wollen. AGfJ und PBN könnten sich kein zufriedeneres Fazit vorstellen.

respekt*5 am 17./18.11.2007 sollte schon jetzt in den Kalendern vorgemerkt werden!