Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2006, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Partnersuche auf russisch

von Maren Riepe, LJR-Hamburg

Vom 6. bis 13. September 2006 reiste eine achtköpfige Delegation von Vertretern Hamburger Jugendverbände mit dem Landesjugendring Hamburg (LJR) nach St. Petersburg. Mission dieser Reise war die Suche nach Partnern für den Jugendaustausch.

Viel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in Russland verändert und auch die Institutionen der Jugend blieben von diesem Wandel natürlich nicht unbeeinflusst. Soviel war allen Teilnehmern der Reise im Vornherein klar. Bereits in der Zeit der Perestroika fand eine Zersplitterung der bis dato stark vereinheitlichten Jugendverbandslandschaft statt. Die Komsomol, die staatliche Jugendorganisation der KPdSU, wurde zunächst zwar nicht aufgelöst. Es gründeten sich aber zahlreiche kleine, ganz unterschiedliche Verbände, zu deren Unterstützung Anfang der 1990er Jahre »Runde Tische der Jugend« auf Gebietsebene gegründet wurden. Wie genau gestaltet sich die Arbeit dieser neuen russischen Jugendorganisationen heute? Welche Interessen haben russische Jugendliche und ihre Verbände? Würden wir zuverlässige Partner finden? Mit diesen und vielen anderen Fragen im Gepäck reisten wir auf Einladung des »Runden Tisches der Kinder- und Jugendverbände« nach St. Petersburg.

Für unseren einwöchigen Aufenthalt im »Venedig des Nordens« hatte »Runde Tisch St. Petersburg« ein abwechslungsreiches und interessantes Programm zusammengestellt. Wir lernten nicht nur viele der touristischen Sehenswürdigkeiten der Stadt kennen, sondern besuchten auch zahlreiche Jugendverbände und -initiativen und trafen Vertreter der staatlichen Jugendbehörden. Zudem nahm unsere kleine Delegation als eine der zahlreichen Mannschaften am Treffen der St. Petersburger Jugendverbände im Camp Lena teil. Bei diesem Großereignis rund 100 Kilometer nördlich von St. Petersburg, nahe der finnischen Grenze, messen sich all jährlich rund 200 Jugendliche in so ausgefallen Sportarten wie »Wasserbomben-Volleyball«, Kanu-Slalom und Torten-Bau. Russische Pfadfinder, nationale und ökologische Jugendverbände, parteinahe Jugendorganisationen sowie studentische Vereinigungen zelten an einem Flussarm und verbringen zusammen ein Wochenende. Neben diesem einfallsreichen und mit viel Liebe zum Detail organisierten Jugendcamp beeindruckten uns auch die zahlreichen Aktivitäten der St. Petersburger Jugendverbände in der Stadt. Mit wenig Mitteln und großem Engagement wird hier gearbeitet. So besuchten wir z.B. den Verband »Kultur-Vorposten«, in dem sich Kinder und Jugendliche versammelt haben, um historische Spiele und Zeltlager durchzuführen. Mitten im Wohngebiet haben sie von der Stadt eine eigene kleine Wohnung zur Verfügung gestellt bekommen. Diese ist mit vielen historischen Karten und eigenen Funden ausgestattet und wird von den Kindern und Jugendlichen sorgsam gepflegt.

Das Projekt »Perspektive«, eine Initiative für Jugendliche ohne Ausbildung oder Arbeit, versucht diesen eine sinnvolle Beschäftigung zu ermöglichen, organisiert Arbeitswerkzeug und Werkstattplätze, so dass manch einer auch ein wenig Geld verdienen kann. Die Studentenorganisation der Nord-West Beamten-Akademie kümmert sich um die Interessen der Studierenden und zukünftigen Staatsdiener. In ihrer Stammkneipe »Mob Joint« trafen wir Jugendliche der parteinahen Jugendorganisationen »Junge Garde«, die sich der Putin-Partei »Einges Russ-land« verbunden fühlen. Beim Besuch des ehemaligen Zarendomizils in Peterhof diskutierten wir mit Jugendlichen der Organisation »Junges Europa« und der Jugendorganisation der Oppositionspartei »Apfel« über die Jugendverbände in Russland und Deutschland sowie die gemeinsame Zukunft in Europa.

In dem Arbeitsraum des »Runden Tisches« erklärten der Vorsitzende Alexander Kostrikin und die internationale Sekretärin Veronika Fedorova uns Strukturen und Gesetzgebung der russischen Jugendverbandsarbeit. Zudem sprachen wir durch ihre Vermittlung mit Herrn Sergey Grischin, dem Vorsitzenden des Komitees für Jugendpolitik und Zusammenarbeit mit Nicht-Regierungsorganisationen der Stadtverwaltung. Im Stadtparlament im prachtvollen Mariinski Palast gibt seit einigen Monaten einen Jugendrat, der auf Initiative des »Runden Tischs« ins Leben gerufen wurde und die Regionalpolitiker in allen Jugendliche betreffenden Fragen beraten soll. Auch mit einem Vertreter dieser neuen Institution konnte der »Runde Tisch« für uns einen Termin organisieren. Dass der »Runde Tisch« gut organisieren kann und eng mit seinen Mitgliedsorganisationen zusammenarbeitet, stellte auch der kulturelle Teil unseres Programms unter Beweis. Denn vielmals verhalfen uns die guten Kontakte zu freiem Eintritt oder kostenlosen Führungen.

Zum Abschluss unseres Besuchs lud der »Runde Tisch« zu einer Barkassenfahrt auf der Neva ein, dem Fluss, der sich mit seinen zahlreichen Nebenarmen und Kanälen durch ganz St. Petersburg zieht. Rund 20 russische Jugendliche ganz unterschiedlicher Jugendverbände begleiteten uns bei dieser Fahrt. Vom Wasser aus konnten wir so noch einmal diese schöne, historische Stadt bewundern und uns bei unseren zahlreichen neuen Freunden bei einem selbst gemachten Buffet verabschieden. Für den Mai 2007 freuen wir uns schon jetzt auf einen Gegenbesuch. Denn im Mai nächsten Jahren sollen auch die Feierlichkeiten der Stadt Hamburg anlässlich des 50-jährigen Städtepartnerschaftsjubiläum mit St. Petersburg stattfinden, die wir dann gemeinsam begehen können. Wer noch Lust und Zeit hat, sich am Programm des Gegenbesuchs zu beteiligen, ist dazu herzlich eingeladen.