Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2008, Rubrik Titelthema

Demokratie lernen und leben

Werkstattberichte: Zivilgesellschaft, aktive Bürger und Jugendleiter/innen

Was also ist Demokratie? Parteien. Parlament. Wahlen. Sicher!
Aber warum fallen uns diese Begriffe als erstes ein?
Warum nicht: Der Mensch ist frei geboren und Träger von Rechten? Das Recht auf freie Meinungsäußerung zum Beispiel oder das Recht, sich zu Organisationen zusammenzuschließen.
Oder: Gewaltenteilung, die Herrschaft der Gesetze, die Sozialpflicht und die Existenz einer (Zivil-)Gesellschaft.
Warum wird Demokratie so oft top-down und nicht buttom-up definiert?

Bürger. Zivilgesellschaft. Freiwillige. Erneut Begriffe, die jede und jeder kennt und doch bleiben sie verschwommen, insbesondere dann, wenn man die Begriffe in Beziehung zueinander setzen will. Und dass unser Wort »Bürger« im französischen sowohl mit »Bourgeouis« als auch mit »Citoyen« übersetzt werden kann, unterstreicht, dass bei den Begriffen ein Sinn liegen muss, sonst kommt eine Verständigung nicht zustande.
Der Bürger, zumal der aktive, ist ein Ideal in der Demokratie. Viele Aktivitäten Einzelner = viel Demokratie? Kann Demokratie gesteigert werden, in dem die Aktivitäten von Einzelpersonen stimuliert werden – von wem und wodurch auch immer?
Und: reicht es, aktiv zu sein ohne zu wissen, warum eigentlich und wofür?
Der mündige Bürger – ein weiteres Ideal. Muss man ihn bilden, damit er mit dem 18. Geburtstag sein Recht, wählen zu dürfen, als Pflicht, wählen zu gehen, begreift? Demokratiebildung als schulische Aufgabe, speziell Institutionenlehre?

Zugegeben, so eng sieht das niemand mehr. Aber wie viele gibt es hierzulande, die (Zivil-)Gesellschaft nicht als Bollwerk gegen einen zu mächtigen Staat definieren, sondern als generelles Konstitutionsprinzip, das auf gemeinschaftlicher Verantwortung, sozialem Vertrauen und Selbstorganisation beruht. So gesehen sind Vereine, Organisationen u.s.w. keine Orte, wo Demokratie gelernt wird, sondern sie sind derer immanenter Bestandteil. Und weil es so viele Letztbegründungen gibt für Handeln, deshalb muss es auch mindestens genauso viele Organisationen geben.

Jugendverbände sind beides: immanenter Bestandteil von Demokratie und deren Bildungsort. Das Übernehmen von kleinen Aufgaben von Anfang an, das Hineinwachsen in Verantwortung und das Leben in Gruppen prägen für ein ganzes Leben. Nirgendwo sonst kann man so früh erfahren, was Verantwortung für sich und die anderen »in Echt« bedeutet. Das belegen die vielen Menschen, die aktiv sind und die Studie »Informelle Lernprozesse im Jugendalter in Settings des freiwilligen Engagements« des renommierten Deutschen Jugendinstituts, worüber punktum 2/2006 berichtete. Wer das erlebt hat, kennt die über die Befriedung eigener Interessen hinausgehende Bedeutung von Elternvertretungen, Personalräten und Vereinsvorsitzenden.

Es bedarf hierfür ständig neuer Konzepte und Vorbilder, am besten von Gleichaltrigen. Gleichaltrige, Vorbilder – wieder nur Sprachhülsen? Die aktive Seniorengesellschaft wird es nicht richten können. Was wir – und eben nicht nur wir – benötigen, sind junge Menschen mit Ideen und vor allen Dingen mit Zeit für Engagement in der Gesellschaft. (ck)