Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2009, Rubrik Titelthema

Hamburg und der § 33

Wo bitte geht's zur Partizipation?

Von Jürgen Garbers, Landesjugendring Hamburg

Im Oktober 2006 votierte die Hamburgische Bürgerschaft einstimmig für die Verankerung eines Partizipationsgebots im Bezirksverwaltungsgesetz. Mit dem § 33 sind die sieben Bezirke Hamburgs nunmehr aufgefordert, geeignete Verfahren zu entwickeln, um Kinder und Jugendliche bei »Planungen und Vorhaben«, die ihre »Interessen berühren«, in »angemessener Weise zu beteiligen«.

Ausgangslage.
Nicht dass Partizipation von Kindern und Jugendlichen etwas vollkommen Neues in den Bezirken wäre. Es gibt viele Beispiele, in denen junge Menschen an Planungen vor Ort beteiligt waren oder noch sind. Die Palette reicht vom Jugendparlament in Horn oder den Jugendkulturräten in allen Bezirken über die Mitgestaltung von Häusern der Jugend bis hin zur Einbeziehung der Wünsche von Kindern und Jugendlichen bei der Gestaltung von Grünanlagen. Was der § 33 (s. Rechtliche Grundlagen im Überblick) an Neuem fordert, ist die systematische Ausgestaltung des Partizipationsgebots. Die Beteiligung junger Menschen soll aus einer partiell gewährten Option zu einem integralen Bestandteil der bezirklichen Entwicklungskultur ausgebaut werden.

Unbestimmte Rechtsbegriffe. So fragt sich, was der Gesetzestext des § 33 an konkreten Bestimmungen hergibt. Entscheidend ist zunächst, dass der erste Satz des § 33 als Muss-Vorschrift formuliert ist. Die Beteiligung junger Menschen (bei Interessenberührung) liegt also nicht im Ermessensspielraum der Bezirksämter. Aufgeweicht wird diese strenge Norm jedoch durch die Hintertür. Denn das Bezirksamt entscheidet einerseits über die Art der Beteiligung – über das, was »angemessen« sei. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff gewährt folglich ein umfangreiches Auswahlermessen. Der zweite Satz des § 33 stützt dies, indem er dem Bezirksamt andererseits selbst den Auftrag zuschreibt, »geeignete Verfahren« zur Beteiligung zu entwickeln. Es bleibt schließlich die Frage: Wann sind Interessen von Kinder und Jugendlichen von »Planungen und Vorhaben« eines Bezirksamtes »berührt«, damit das Partizipationsgebot überhaupt greift? Mittelbar wären dies fraglos – alle. Intendiert sei im § 33 jedoch der Fall einer unmittelbaren Berührung ihrer Interessen – so lautet zumindest die gängige Auslegung. Im Horizont bezirklicher Gestaltungsspielräume seien daher Bauprojekte und Planungen für Ortsentwicklungen, Volksfeste und Ferienmaßnahmen, ebenso Regelungen über die Einrichtung und Benutzung öffentlicher Einrichtungen (Sportplätze, Schwimmbäder, Jugendtreffs, etc.) und auch Grundsatzentscheidungen z.B. über Schülerbeförderungen oder Schulwegsicherheit typische Anwendungsbereiche des Partizipationsparagraphen. (1)

Wie kommt die Jungfrau zum Kinde? Die Bezirksämter sollen also Initiatoren und Formgeber einer jeweils angemessenen Partizipation junger Menschen an örtlichen Projekten sein. Wie können sie dies werden? Masterplanung am Reißbrett?
Der Sprung in die Praxis kann fraglos nur gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen gelingen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 33 bieten also die Chance, eine bezirkliche Partizipationskultur ansetzend an der Lebenswelt junger Menschen und an bestehenden Organisationsformen zu entwickeln. Der Prozeß ist zwar »top-down« anzustoßen, kann aber nur »button-up« mit Leben gefüllt werden. Top-down meint hier, dass neben der Verpflichtung zur Partizipationseröffnung innerhalb der Bezirksamtsstrukturen insbesondere Mittel und Personal zur Verfügung gestellt werden müssen. Denn ohne eine partizipationsfördernde Infrastruktur und Vernetzung der Akteure geht es nicht. Button-up heißt hingegen, dass Kinder und Jugendliche selbst die ihnen angemessenen Partizipationsformen entwickeln müssen.

Beispiele aus anderen Bundes- oder EU-Ländern zeigen, wie die Autoren der vorangegangen Beiträge ausführen, dass eine Partizipationskultur nur dann Erfolg haben kann, wenn Kinder und Jugendliche auch die Wirksamkeit ihres Engagements erfahren. Heißt im Umkehrschluss: Nicht das vermeintlich richtige Beteiligungsformat garantiert allein den Erfolg – sondern maßgeblich ist die Bereitschaft der bezirklichen Akteure, politische Macht teilen zu wollen.

Blick in die Bezirke. Die Praxis zum Partizipationsparagraphen ist in den Bezirken unterschiedlich weit gediegen. Noch kein Bezirk kann auf ein Gesamtkonzept verweisen, das die Teilhabe junger Menschen als Querschnittsaufgabe realisiert hätte. Einen Überblick zum Stand der Dinge erbrachte zuletzt die Antwort des Senates zur Schriftlichen Kleinen Anfrage des SPD-Abgeordneten Sören Schumacher vom Mai 2009. (2) Dieser hatte nach den aktuellen »Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche« und ebenso nach Planungen, diese zu erweitern, gefragt. In seiner Antwort listet der Senat, gegliedert nach Bezirken, zunächst konkrete Beteiligungsprojekte auf. Sie reichen von den bereits oben benannten Projekten über Beispiele wie die 1. Wandsbeker Kinderkonferenz (März 2009) bis hin zu Workshops zum Masterplan Volkspark oder die Einbeziehung junger Menschen an quartiersbezogenen Entwicklungs- und Erneuerungskonzepten. Auch werden Jugendverbände erwähnt, in denen »Partizipation und die frühzeitige Übernahme von Verantwortung regelhafter Bestandteil der selbstorganisierten Gruppenangebote« ist.

Konzeptentwürfe. Über situative Teilhabeprojekte hinaus arbeiten einige Bezirke an der konzeptionellen Einbindung des Partizipationsgebotes. So hat das Bezirksamt Eimsbüttel im Rahmen der bezirklichen Entwicklungsplanung eine »fachamtübergreifende Projektgruppe« eingesetzt, das gegen Ende 2010 eine »Liste von exemplarischen Beteiligungsvorhaben für eine erste, zweijährige Erprobungsphase« vorlegen soll. Im Bezirk Altona ist das Fachamt Sozialraummanagement, zusätzlich ausgestattet mit einer halben Personalstelle, federführend für die Konzeptentwicklung. Im Mai 2009 legte es dem Jugendhilfeausschuss ein »vorläufiges Handlungskonzept« vor und veranstaltet am 29. und 30. Januar 2010 einen Workshop zur Entwicklung weiterer Handlungsschritte mit Kindern und Jugendlichen, Jugendeinrichtungen und -organisationen. Ziel ist die Entwicklung einer Beteiligungskultur für junge Menschen, die als Querschnittsaufgabe innerhalb des Bezirksamtes zu verankern wäre. Weiterhin ist auch die Landeszentrale für politische Bildung damit beauftragt, in Abstimmung mit den Bezirksämtern ein Konzept zur Initiierung von Jugendparlamenten und Jugendräten zu entwickeln, deren Erprobungsphase 2010 anlaufen soll. (vgl. Bürgerschaftsdrucksache 19/2344)

Ausblick. Nach drei Jahren Anlaufzeit scheint das Jahr 2010 Bewegung in die bezirkliche Partizipationsfragen zu bringen. Entscheidend wird sein, ob der Schritt aus situativ gewährter Partizipation hin zur Etablierung einer Beteiligungskultur junger Menschen – gerade auch unter Einbeziehung jener Formen, in denen jene bereits Partizipationspraxis leben – gelingt. Dazu bedarf es des politischen Willens, Macht im bezirklichen Raum auch teilen zu wollen.

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Anmerkungen:
1. Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Bergedorf – Projektdokumentation; erstellt von der Studiengruppe RIA 2007y des Studiengangs Public Management an der HAW, Hamburg 2009
2. Bürgerschaftdrucksache 19/3098 vom 22. Mai 2009