Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2023, Rubrik Titelthema

Möglichkeiten und Grenzen der Intervention für Jugendleiter*innen

Die Jugendverbandsarbeit wird zu einem wesentlichen Teil vom Engagement der Jugendleiter*innen getragen, die in vielen Bereichen aktiv sind und sich für die Interessen von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Sie leiten Gruppen, organisieren Ferienfreizeiten und tragen Verantwortung in ihrem Jugendverband.

Wie können Jugendleiter*innen in die Prävention sexualisierter Gewalt einbezogen werden, ohne sie zu überfordern und ihre Möglichkeiten und den Rahmen ihrer Verantwortung zu sprengen?

Jugendleiter*innen müssen sich mit dem Thema auseinandersetzen, da sie mit Verdachtsfällen und Grenzüberschreitungen konfrontiert sein können. Daher brauchen sie Grundinformationen über sexualisierte Gewalt sowie Handlungsperspektiven und Ansprechpersonen, an die sie sich wenden können.

Sie sind jedoch keine professionellen Fachkräfte, daher ist es wichtig die Grenzen der Jugendleiter*innen zu berücksichtigen und Unterstützungswege aufzuzeigen.

Möglichkeiten von Jugendleiter*innen in ihrer Arbeit präventiv zu wirken, ergeben sich aus ihrer Vorbild- und Leitungsfunktion im Jugendverband:
• Präventive Grundhaltung: Wertschätzung und Aufmerksamkeit den Kindern und Jugendlichen gegenüber (hinhören und ansprechen) sowie Stärkung des Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls von Kindern und Jugendlichen,
• Regeln zum respektvollen Umgang miteinander und eine klare und konsequente Haltung gegen sexualisierte Grenzverletzungen und Gewalt,
• Verantwortungsvoller Umgang mit Nähe und Distanz (die Beziehung zu Kindern und Jugendlichen verantwortungsvoll gestalten),
• Geschlechtsreflektierende Arbeit: einen gleichberechtigten Umgang der Geschlechter vorleben, Hierarchien und geschlechtsstereotype Rollenzuschreibungen reflektieren,
• Thematische Angebote, wie zum Beispiel: Kinderrechte, Präventionsbotschaften, medienpädagogische Ansätze und altersgemäße sexualpädagogische Angebote (sich der eigenen Körperlichkeit und Gefühle bewusstwerden, über eine angemessene Sprache für sexuelle Themen verfügen, Wahrnehmung von Nähe- und Distanzbedürfnissen).

Sexualisierte Grenzverletzungen (wie zum Beispiel sexualisierte Beleidigungen, sexistische Sprüche und ähnliches) sind leider alltäglich. Daher werden auch Jugendleiter*innen in ihren Gruppenangeboten mit diesen konfrontiert sein. Wichtig ist, dass dieses Verhalten nicht toleriert wird, sondern Grenzverletzungen angesprochen und deutlich gemacht werden. Sich zu positionieren und aufzuzeigen, dass ein Verhalten grenzüberschreitend ist, ist ein wichtiger erster Schritt, um die betroffene Person zu unterstützen und weitere Grenzverletzungen zu verhindern.

Sexualisierte Grenzverletzungen finden häufig auch unter Kindern und Jugendlichen statt (Peer-Gewalt). Daher sollten Jugendleiter*innen darauf vorbereitet werden und wissen, wie sie mit sexualisierten Grenzverletzungen umgehen und bei diesen intervenieren können (Grenzverletzungen verhindern, Grenzen setzen und Partei ergreifen).

Es kann jedoch ebenfalls sein, dass Jugendleiter*innen einen Verdachtsfall sexualisierter Gewalt mitbekommen, zum Beispiel weil Kinder ihnen davon berichten oder sie eine Situation wahrnehmen.

Im Verband aktive Jugendleiter*innen sind, auch wenn sie für die Thematik sensibilisiert sind, in der Regel keine Fachkräfte auf diesem Feld.

Gibt es einen Verdachtsfall, ist es wichtig, dass Jugendleiter*innen die Grenzen der eigenen Interventionsmöglichkeiten kennen und professionelle Unterstützung einholen.

In einem Verdachtsfall verantwortlich handeln, heißt für Jugendleiter*innen, in der Situation Ruhe zu bewahren und die zuständigen Personen und Stellen einzuschalten (Verantwortungsübergabe).

Daher ist es wichtig, dass sie Ansprechpersonen kennen, an die sie sich wenden können und Unterstützung erhalten (Ansprechpersonen im Verband und externe Fachberatungsstellen).

Prävention sexualisierter Gewalt als Thema in der Schulung zum/r Jugendleiter*in:
Die Prävention sexualisierter Gewalt ist ein verpflichtender Bestandteil von Ausbildungsseminaren und bietet sich gut als Thema bei Fortbildungen für Jugendleiter*innen an.

Inhalte (jeweils angepasst an das Alter der Teilnehmenden) können sein:
• Grundlegende Kenntnisse über sexualisierte Gewalt,
• Sensibilität gegenüber grenzverletzendem Verhalten und Reflexion des eigenen Verhaltens und der eigenen Rolle als Jugendleiter*in,
• Regelungen und Selbstverständnisse kennen,
• Auseinandersetzung mit alltagsnahen Situationen, die eine besondere Aufmerksamkeit benötigen (z. B. Situationen mit besonderer Nähe, gemeinsame Übernachtungen, Teilnehmer*in ist in Leiter*in verliebt),
• Umgang und Handlungsmöglichkeiten für alltägliche Grenzverletzungen,
• Hilfe zum Umgang mit Verdachtsmomenten sexualisierter Gewalt (Handlungsleitfaden, Ansprechpersonen intern und extern, Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und Grenzen der Zuständigkeit).