Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2023, Rubrik Titelthema

Ferienfreizeit

Ferienfreizeiten und Zeltlager sind als Kernangebot nicht aus dem Alltag der Jugendverbandsarbeit wegzudenken. Sie stellen aufgrund ihrer Atmosphäre einen besonderen Mikrokosmos dar und es entstehen Gefühle der Nähe und Vertrautheit zwischen Teilnehmenden und Jugendleiter*innen, möglicherweise Liebesbeziehungen unter Teilnehmenden, aber auch verschiedene Machtgefälle. Das Team muss sich über die besondere Situation auf Ferienfreizeiten und Zeltlagern im Klaren sein, denn auch in diesem Kontext von Peer-to-Peer-Situationen kann es zu sexualisierter Gewalt kommen.

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Hinweis:
Prävention sexualisierter Gewalt im Kontext von Ferienfreizeiten:
• Schutzkonzept vorher auf Homepage veröffentlichen
• Informationen zu Teamenden, Vertrauenspersonen und Beschwerdemöglichkeiten mit dem Infobrief an Teilnehmende und Eltern schicken
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Bei der Planung einer Ferienfreizeit sollte mit den Jugendleiter*innen über mögliche Rechte, Pflichten und Prävention sexualisierter Gewalt gesprochen werden und für die Freizeit ein Reader mit Schutzkonzept, Interventionsplan und Dokumentationsformularen zur Verfügung gestellt werden. Dieser ist für alle Teamende zugänglich und enthält mögliche Ansprechpersonen. Die Teamenden wissen, dass sie von Vertrauenspersonen, dem Vorstand, der Geschäftsstelle des Verbandes oder durch ein Krisenteam unterstützt werden. Darüber hinaus hat jede teamende Person vor der Ferienfreizeit ein Seminar zu Prävention sexualisierter Gewalt absolviert, weiß wie sie sich im Verdachtsfall zu verhalten hat und hat eine Selbstverpflichtung unterzeichnet. Teamende, die auf der Freizeit als Vertrauenspersonen für Teilnehmende agieren, sollten bereits im Vorbereitungsprozess festgelegt werden, genauso wie die Beauftragten für einen möglichen Kummerkasten (siehe Beschwerdemanagement).

Auf Ferienfreizeiten empfiehlt es sich bereits am Anfang gemeinsam mit allen Teamenden und Teilnehmenden eine gemeinsame Haltung, Regeln für den Umgang miteinander, klar formulierte Schutzvereinbarungen und Beschwerdemöglichkeiten im Plenum zu erarbeiten. So werden die Teilnehmenden an den Prozessen aktiv beteiligt. Die gemeinsam erarbeiteten Regeln und Schutzvereinbarungen sollten für alle sichtbar über den Zeitraum der kompletten Ferienfreizeit auf dem Gelände aushängen. So entsteht eine Atmosphäre der Offenheit, Toleranz und Wertschätzung. Mögliche Probleme und Wünsche sollten im Plenum in so genannten regelmäßigen »Is was?«-Runden offen angesprochen werden, da diese vor allem schüchterneren Teilnehmenden helfen können, sich zu öffnen. Um umgehend auf mögliche Wünsche oder Beschwerden der Teilnehmenden zu reagieren, trifft sich das Team jeden Tag zu einer Sitzung.

Darüber hinaus kann ein Merkblatt für Ferienfreizeiten für alle Beteiligten gut sichtbar ausgelegt werden, damit sich auch die Teilnehmenden informieren können, was im Falle von Beobachtungen, der eigenen Erfahrung oder möglicher Verunsicherungen im Hinblick auf sexualisierte Gewalt zu tun ist.

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Hinweis
Ein Merkblatt für Ferienfreizeiten sollte folgende Aspekte enthalten:
• Was ist sexualisierte Gewalt?
• Regeln zum gemeinsamen Umgang
• Schutz von Betroffenen
• Fachberatungsstellen bei Beratungsbedarf
• Ansprechpersonen im Verband
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Sollte es auf einer Ferienfreizeit zu einem Verdacht oder einem tatsächlichen Vorfall sexualisierter Gewalt kommen, muss auch dieser schriftlich dokumentiert werden. Eine Dokumentation enthält das Datum, nach Möglichkeit die genaue Uhrzeit, den Ort, die Beschreibung der Situation sowie die Namen aller Zeug*innen. Die Namen der beschuldigten Person und der Betroffenen müssen aufgrund des Datenschutzes anonymisiert werden – mit Ausnahme der Namen der Betroffenen, wenn diese den Fall selbst schildern. Es ist wichtig zwischen objektiven und subjektiven Eindrücken zu unterscheiden. Da die Dokumentation vertrauliche Informationen enthält, muss sie so aufbewahrt werden, dass sie für Dritte nicht zugänglich ist (z.B. in einem abgeschlossenen Raum, denn nur Personen aus dem Leitungsteam betreten dürfen). Die persönlichen Daten der Betroffenen dürfen nur an Dritte (z.B. Kolleg*innen, Geschäftsstelle oder Fachberatungsstellen) weitergegeben werden, wenn diese ausdrücklich zustimmen.

Im Anschluss an die Ferienfreizeit muss eine Evaluation der Teilnehmenden stattfinden (siehe Beschwerdemanagement), sowie eine Reflexion für das gesamte Team. Für eine gute Teamreflexion ist entscheidend, dass diese in einem geschützten Rahmen, transparent und im Sinne einer offenen Fehlerkultur stattfindet. Ehrenamtlich Jugendleiter*innen müssen oftmals erst noch Erfahrungen sammeln. Fehler sind menschlich und können passieren. Gerade eine offene Fehlerkultur kann dazu beitragen, dass die Teamenden aus den Fehlern lernen und diese auf der nächsten Freizeit nicht wiederholen, was positive Auswirkungen auf den ganzen Jugendverband hat. Dies gelingt aber nur, wenn sich die Jugendleiter*innen dem Team, Vertrauenspersonen und dem Vorstand offen, ohne Angst und Schamgefühl anvertrauen können.

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Hinweis:

Grundprinzipien der Gesprächsführung: glauben – trösten – schützen
1. Ruhe bewahren: Überstürztes Handeln verschlimmert die Situation meistens noch.
2. Glaube der Person, wenn sie dir von sexuellen Übergriffen berichtet und nimm sie ernst. Versichere, dass sie keine Schuld an dem Geschehen hat. Zeige, dass sie über das Erlebte sprechen darf, aber dränge nicht und frage sie nicht aus.
3. Mache nur Angebote, die erfüllbar sind und keine Versprechungen, die du nicht einhalten kannst (z. B. Geheimhaltung). Teile der Person mit, dass du dir selbst Unterstützung holen wirst und das, was sie dir erzählt hat, vertraulich behandelt wird.
4. Dokumentiere das Gespräch.
5. Hole dir Unterstützung bei dir im Jugendverband und / oder einer Fachberatungsstelle (siehe Heftrückseite).
6. Beziehe die betroffene Person altersgerecht in die weiteren Entscheidungen mit ein.
7. Keine voreilige Konfrontation des*der Täter*in!