Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2014, Rubrik Titelthema

Was taugt's aus Sicht der Jugendverbände?

Interview zu Erasmus+ mit Tobias Köck, Deutscher Bundesjugendring (DBJR)

Anfang Januar 2014 ist Erasmus+ in Kraft getreten. Können die Jugendverbände mit dem Programm zufrieden sein?

Tobias Köck: Wir sind froh, dass es mit JUGEND IN AKTION im Rahmen von Erasmus+ ein eigenes Programm für die außerschulische Jugend- bzw. Jugendverbandsarbeit gibt. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung, die Sichtbarkeit der non-formalen Bildungsarbeit unter dem Dach von Erasmus+ zu gewährleisten.

Wir freuen uns allerdings über die finanzielle Mehrausstattung in den nächsten Jahren und versuchen damit über unsere Mitgliedsorganisationen auch die europäische Idee voranzutreiben. Diese Förderung darf allerdings nicht für die momentan herrschenden, arbeitsmarktpolitischen Nöte missbraucht und unsere Arbeit damit verzweckt werden.

Ein eigenes Jugendprogramm in Erasmus+ ist mit Blick auf die Vorgeschichte der Programmentwicklung ja nicht selbstverständlich – oder?

T. K. : Nicht selbstverständlich ist stark untertrieben. Ursprünglich war kein eigenständiges Jugendprogramm vorgesehen und das alte Förderprogramm JUGEND IN AKTION wäre somit in 2013 ersatzlos ausgelaufen.

Nur dank der konzertierten Lobbyarbeit der Jugendverbände und Jugendringe auf Bundes- und Landesebene, dem Einsatz des Europäischen Jugendforums und der Initiative einzelner deutscher Mitglieder des europäischen Parlaments, insbesondere von Doris Pack und Petra Kammerevert, ist es gelungen, das Jugendprogramm wieder zu etablieren. Unterm Strich profitieren wir jetzt sogar von der Entscheidung der Europäischen Union, den Bildungsbereich zu stärken.

Für Erasmus+ ist ein nationaler Begleitausschuss eingerichtet worden, in dem Du für den DBJR die Interessen der Jugendverbände vertrittst. Wie groß sind die Gestaltungsmöglichkeiten?

T. K. : Grundsätzlich ist die Berücksichtigung als Wertschätzung der bisher geleisteten Arbeit des DBJR im Bereich der europäischen Jugend- und Förderpolitik zu sehen. In dem nationalen Begleitausschuss sind jedoch alle für das Erasmus+-Programm zuständigen Bundesministerien, die Kultusministerkonferenz sowie die vier Nationalagenturen für die einzelnen Erasmus+-Programme und andere Sozialpartner vertreten. Das ist ein riesiger Ausschuss. Der DBJR und die Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe sind darin eher die »Exoten« aus der Kinder- und Jugendhilfe.

Die konstituierende Sitzung fand Mitte Februar statt. Und schon jetzt ist absehbar : Die Gestaltungsmöglichkeiten halten sich für den DBJR sehr in Grenzen. Dies liegt einerseits an der Ausschussgröße (40 – 50 Personen) und andererseits an der Arbeitsweise, die rein vorbereitenden Charakter für den dreimal jährlich in Brüssel tagenden EU-Programmausschuss hat. Zudem ist eine umfassend inhaltliche Beteiligung am kompletten Programmumfang von Erasmus+ fachlich nicht zu bewältigen. Schließlich umfasst es Austausche und Förderungen im universitären und schulischen Bereich sowie in den Feldern der Berufsbildung und des Sports. Dies alles zu überblicken, kann man mit unseren limitierten Ressourcen nur schwer leisten.

Gibt es folglich Änderungsbedarf?

T. K. : Eine Mitarbeit im Begleitausschuss für Erasmus+ reicht dem DBJR nicht aus, da die Gestaltungsmöglichkeiten gerade in dem uns betreffenden Teilprogramm sehr gering bzw. nicht vorhanden sind. Wir fordern daher schon seit längerem einen eigenen nationalen Beirat für JUGEND IN AKTION. Wenn dieser vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eingerichtet wird, beteiligen wir uns daran sehr gern aktiv. Die uns vorliegenden Informationen deuten in die Richtung, dass sich das BMFSFJ nach längerer Prüfung für eine Einrichtung entschlossen hat. Informationen über eine mögliche Zusammensetzung liegen aber noch nicht vor.

Wo sieht der DBJR seine Prioritäten in Erasmus+? Und wo sollten Jugendverbände das Programm aktiv nutzen?

T. K. : Die inhaltlichen Schwerpunkte des DBJRs liegen vor allem in der europäischen Jugendpolitik und im europäischen Jugendaustausch. Den Strukturierten Dialog wollen wir als das Beteiligungsinstrument junger Menschen im EU-Raum und vor Ort weiterentwickeln und ausbauen. Auch den Europäischen Freiwilligendienst betrachten wir als Chance für Jugendliche, in einem gemeinnützigen Projekt im EU-Ausland Erfahrungen zu sammeln. Diese Punkte wollen wir als demokratisch legitimierte Interessensvertretung junger Menschen weiterhin engagiert begleiten und proaktiv gestalten. Für Jugendverbände sehe ich konkrete Fördermöglichkeiten insbesondere im Bereich des europäischen Jugendaustausches. Hier könnten die Jugendverbände – und nicht nur jene, die bereits im internationalen Austausch aktiv sind – ihre Phantasie spielen lassen und innovative Projekte im europäischen Raum mit Partnern entwickeln. Insbesondere bei der dafür nötigen Vernetzung im europäischen Kontext und der Antragsstellung begleiten wir die Verbände – neben der für JUGEND IN AKTION zuständigen, staatlichen Serviceagentur »Jugend für Europa« – gerne im Rahmen unserer Möglichkeiten.