Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2013, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Was Jugendliche brauchen

Jugendliche im Zentrum des Kirchentages

Von Siegmar Grapentin, Evangelische Jugend Hamburg

Auf den Punkt. Der Kirchentag ist das christliche Großereignis in Deutschland. Alle zwei Jahre kann man in einer Deutschen Großstadt die Fragen, mit denen sich Kirche und Gesellschaft gerade befassen, ganz konzentriert und in aller Breite erleben und Durchdenken.
Nach dem 2. Weltkrieg suchten die Menschen ein Forum für offene Diskussionen und einen Neuanfang für Kirche und Gesellschaft. Der Kirchentag, der seit 1949 an die Gedanken der »bekennenden Kirche« und dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus anschließt, bringt dabei auch immer wieder Spannungen, Stimmungen und Meinungen auf den Punkt, die danach in Politik und vielen gesellschaftlichen Gruppen weiter verarbeitet werden.
Ein ganz großer Teil der Besucherinnen ist jung, und deswegen wird mit einigem Aufwand dafür gesorgt, dass Jugendliche sich wohlfühlen. Natürlich gibt es in den Messehallen und an den Veranstaltungsorten und Open-Air-Bühnen in der City auch für Jugendliche ganz viel zu sehen und erleben. Aber der Kirchentag bietet noch mehr: Ein eigenes Festival für Jugendliche.

Festival im Fest. »Zentrum Jugend« ist das Stichwort, nach dem Du in dem dicken Programmheft und demnächst in der App suchen musst, um die über 150 Angebote zu finden. Geboten wird (fast) alles, was Jugendliche brauchen: Für die Ohren und Augen gibt es viel Musik und Kultur auf mehreren Bühnen. Für den Kopf gibt es Diskussionen und Workshops zu spannenden Themen. Den ganzen Tag berühren Gottesdienste die Herzen. Interessante Leute bieten an ganz vielen Infoständen Informationen zu Ausbildung und wichtigen Fragen. Mitmach-Angebote laden dazu ein, sich körperlich auszutoben. Wer dann kaputt ist, kann sich in einem der chilligen Cafés und Cocktail-Bars ausruhen.

Mitmachen statt Konsum. Das »Zentrum Jugend« bietet Jugendlichen von Donnerstag bis Samstag (2.–4. Mai) ganz vielfältige Möglichkeiten, sich mit dem Motto des Kirchentages »Soviel Du brauchst« auseinander zu setzen. Bei allen Angeboten wird darauf geachtet, dass Jugendliche nicht nur »von vorne« beschallt werden. Mitmachen, Mitdenken und mit diskutieren ist angesagt. Dass dies nicht nur ein Anspruch ist, zeigt sich daran, dass alle Angebote ganz überwiegend von Ehrenamtlichen aus der Jugendarbeit gestaltet werden. Über 2000 Jugendliche aus den unterschiedlichsten Verbänden sind allein im »Zentrum Jugend« aktiv. Dazu gehören fast schon selbstverständlich ganz viele Pfadfinder/innnen, ohne die die Mega-Organiation wohl nicht klappen würde. Aber auch die meisten Musiker/innen, Moderator/innen, Workshopleiter/innen und alle Sprecher/innen setzten sich ehrenamtlich ein. Die Mitwirkenden stammen aus der evangelischen Jugend mit all ihren Facetten – aber auch aus politischen Gruppen, diakonischen Einrichtungen, freien Verbänden und internationalen Organisationen. Kirchentag bildet so ein Spektrum der verbandlichen Jugendarbeit auch weit über die »kirchliche« Szene hinaus ab.

Fragen fragen. Über den Tagen stehen Fragen: Wie viel ich? – Was brauchen mein Leib und meine Seele? (Donnerstag) Wie viel du? – Was brauchen andere Menschen, andere Kulturen? (Freitag) und Wie viel Welt? – Was brauchen wir alle für die Zukunft? (Samstag)
Der Kirchentag selbst beginnt am 1. Mai mit großen Gottesdiensten in der Hamburger Innenstadt, auf der Reeperbahn, vor der Fischauktionshalle und in der Hafencity. Den ganzen Abend über kann man beim »Abend der Begegnung« feiern, Musik genießen, Köstlichkeiten aus dem Norden genießen. Wenn am Sonntag (5. Mai) im Stadtpark über 150.000 Menschen einen gemeinsamen Gottesdienst feiern, hat Hamburg den Kirchentag »überstanden«.

Harburg ist Hamburg. Hamburg springt ja zurzeit mit Bau und Gartenausstellung über die Elbe. Das mag für Nicht-Hamburger so klingen, als würde dort zum ersten Mal gebaut und gelebt. Aber wer sich durch Harburg bewegt, sieht, dass auch südlich der Elbe und hinter Wilhelmsburg noch ganz viel Hamburg kommt – schon lange war Harburg dort und hat sogar Berge hat. Der Schwarzenberg z.B. ist einer der Orte, an denen das »Zentrum Jugend« Platz findet.
Knapp 20 min. dauert die Fahrt mit der S3/S31 vom Dammtor oder aus Altona bis Heimfeld. Dort landet man direkt vor der Pauluskirche, wo man jeden Tag mit Bibelarbeiten beginnen kann. Dann folgen vielfältige Gottesdienste von Harburger Gemeinden, Jugendkirchen aus ganz Deutschland bis zum »Worship United« am Freitagnachmittag, wo Jugendliche aus sog. Migrationsgemeinden zeigen, wie sie sich in Hamburg einbringen.

Klamotten und Kopf. Gleich um die Ecke ist die Friedrich-Ebert-Halle, in der es tagsüber vor allem thematisch und politisch zu geht. Gleich am Donnerstag setzten sich Jugendliche mit der Modebrache auseinander und sagen, sie wollen es »Schick und fair«. Die Frage nach dem Schönheitswahn wird in dem Tanztheater »We gray« gestellt. Und nach dann wird getanzt: Samba macht Stimmung.
Der Freitag wird geprägt sein vom Thema Beziehungen. Natürlich geht es um Liebe und der guten alten Frage »Willst Du mit mir gehen«. Dazu gibt es Musikalisches, viel Theater und auch ein World-Café der »Jugend Akademie Neu Allermöhe« mit prominenten Gästen. Aber nicht nur um Zweisamkeiten, sondern auch um Schwierigkeiten gesellschaftlichen Zusammenlebens wird sich nicht herum gedrückt. Unter dem Motto »recht behalten!« stellt sich die Evangelische Jugend der »Nordkirche« gegen Rechtsextremismus. Am Abend wird es dann ganz »dichterisch«, wenn die Leute vom »Kampf der Künste« beim Poetry Slam ihre Gedanken fließen lassen.
Am Samstag geht es um die Zukunft, und die beginnt für die meisten Jugendlichen ja bekanntlich nach der Schule mit der Frage: »Master oder Meister – Welche Bildung passt zu mir?«. Reichlich Prominenz läuft auf, wenn Jugendliche Politiker fragen: »Was ist Sache«. Nicht nur das persönliche »Gap Year« sondern ganz andere Gräben thematisiert das Tanztheater »Let’s Bridge the gap«. Ganz zum Schluss wird es dann noch mal köstlich, wenn Sarah Wiener sich fragt, wie gutes Essen und gerechte Verteilung unser Leben zukunftsfähig machen.

Konzentriert und Konzert. Am Freitag feiern ein paar tausend Leute auf dem Schwarzenberg ein Feierabendmahl. Mitten zwischen Zelten und Aktionen, Cafés und der riesigen Hauptbühne. Hier spielen haufenweise große und kleine Bands, sodass bis in die Nacht bis zur »Kasettendisco« ganz schön viel los ist. Wer es lieber etwas kleiner hat, geht in die Schule (direkt neben der Friedrich-Ebert-Halle) oder in eines der Workshopzelte auf dem Sportplatz. In konzentrierten Workshops kann man noch mal genau die Fragen stellen und die Sachen sagen, die gerade im Kopf schwirren oder einem auf der Zunge liegen.
Am Samstag endet das Zentrum Jugend erst mit einem »Danke« in einer großen Abschluss-Show mit ganz viel »Soul-Musik«: Zukunftsglitzern. Zum allerletzten Schluss heizt dann Judy Bailey mit karibischer Popmusik noch mal ein.

Konfirmanden in der TUHH. Konfirmanden sind ja auch Jugendliche und die werden am Samstag noch mal mit Sonderzügen und Bussen aus ganz Norddeutschland das Zentrum Jugend noch voller machen. Weil die ca. 5000 Konfis extra Platz brauchen, werden extra Workshops und Aktionen auf dem Gelände der Technische Universität Hamburg-Harburg – direkt gegenüber vom Schwarzenberg – angeboten.

Antworten finden. An jedem Tag werden also 10.–20.000 junge Leute zwischen Heimfeld, Harburg Rathaus und der Hamburger City unterwegs sein und sich fragen, wie viel sie brauchen. Vielleicht gehen sie mit‚ einer guten Antwort oder einer neuen Idee nach Hause. Beim Kirchentag und ganz besonders im Zentrum Jugend können Jugendliche lernen, dass Kirche und Glaube etwas sein kann, was gut ins Leben passt und ihnen gibt, soviel sie brauchen.