Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2006, Rubrik Titelthema

Chinas Jugend online

Zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlichem Anspruch

von Jens Damm, Universität Berlin

130 Millionen Chinesinnen und Chinesen sind heute online. Der typische User ist jung, männlich und gut gebildet, aber junge Frauen erobern das Netz in ungeahnter Geschwindigkeit. Cyber-Cafés in den ländlichen Regionen bieten Möglichkeiten für die wenig Begüterten. Die Beliebtheit von interaktiven Anwendungen wie Foren und Chats ist weitaus größer als im Westen und die chinesische Jugendkultur ist ohne das Internet und mobilem Telefon nicht vorstellbar. Blogs setzen sich kritisch mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander und stellen damit einen Gegenpol zum insgesamt eher durch Entertainment geprägten chinesischen Internet dar.

Die Zahl der chinesischen Internet-User hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen und waren es bei der erstem Umfrage von CCNIC, dem China Internet Network Information Center (www.cnnic.cn), gerade einmal einige wenige Hunderttausende, die sich mit einem einfachen Modem in den großen Städten einwählten, sind es heute fast 200 mal soviel: 130 Millionen, das sind 10 Prozent der Bevölkerung der Volksrepublik China. Bedenkt man zudem, dass diese Zahlen Hongkong und Macau mit einer bedeutend höheren User-Rate nicht einbeziehen, ebenso natürlich Taiwan und die Chinesen in Südostasien, so können bezogen auf das chinesische Internet – von der Sprache her gesehen - noch insgesamt 15 Millionen Internet-User hinzugefügt werden. In absoluten Zahlen hat damit das »chinesische Internet« alle anderen Sprachen - bis auf das Englische - schon hinter sich gelassen.

Chinas Reform- und Öffnungspolitik

Wer aber ist online in der VR China und welche Bedeutung hat das Internet für die chinesische Jugend? Chinas Gesellschaft heute ist geprägt von raschen Veränderungen, einem explodierenden Wirtschaftswachstum, aber auch von großen Einkommensdifferenzen zwischen den boomenden Küstenstädten und den urbanen Regionen und dem immer noch rückständigen ländlichen Hinterland. Seit dem Beginn der Reform- und Öffnungsperiode Ende der 1970er Jahre hat sich das Leben chinesischer Jugendlicher in einem rasanten Maße verändert und neue Informations- und Kommunikationstechnologien (IuKT) spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Um die heutige Situation einschätzen zu können, ist ein knapper historischer Überblick unumgänglich: Ende der 1970er Jahre war China gelähmt von den Auswirkungen der Kulturrevolution, die Wirtschaft stagnierte, und China war gekennzeichnet durch ein egalitäres, aber sehr niedriges Einkommensniveau weiter Teile der Bevölkerung. Nach dem Tod von Mao Zedong im Jahre 1972 war es zu Machtkämpfen rivalisierender Flügel der Kommunistischen Partei gekommen; ab 1978 setzten sich die Reformkräfte um Deng Xiaoping durch und begannen mit einer behutsamen und graduellen Umformung der Wirtschaft, wobei niemand ahnte, dass dies das Ende der sozialistischen Planwirtschaft einläuten würde. In den 1980er Jahren prägte dann ein nicht immer unproblematisches Nebeneinander von sozialistischer Planwirtschaft und Marktwirtschaft die Gesellschaft. Wirtschaftliche Probleme, Unzufriedenheit mit der Regierung führte dann Ende der 1980er Jahre zu massiven Protesten nicht nur von Studenten, die im Juni 1989 durch die auf den Platz des Himmlischen Friedens einmarschierenden Soldaten gewaltsam gestoppt wurde. Damit begannen eine Entpolitisierung der Gesellschaft und ein Rückzug ins Privatleben. Die Wirtschaftsreformen wurden jedoch 1992 wieder aufgenommen: der greise Deng Xiaoping trat nun spektakulär und propagandistisch erfolgreich begleitet eine Reise in die Sonderwirtschaftszonen im Süden Chinas an, welche auch nach 1989 kapitalistische Modelle ausprobierten. Getreu dem Motto »Egal ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache sie fängt Mäuse« rief er dazu auf, neue Wege zu beschreiten, um China erfolgreich ins 21. Jahrhundert zu bringen.

Neue Kommunikations- und Informationstechnologien

Kapitalismus, der Rückzug ins Privatleben, technologische Modernisierung, Globalisierung und natürlich der Boom der neuen Informationstechnologien prägten fortan die Entwicklung Chinas. Mit Mobiltelefonen und dem Internet konnte sich Chinas Jugend nun ihren privaten Freiraum schaffen, den sie bis dahin noch nie gekannt hatte. Waren zu Beginn der Reform Privattelefone noch weitgehend unbekannt, kommt heute – statistisch gesehen – auf drei Chinesen ein Mobiltelefon und China ist der größte Markt für mobile Telefone weltweit. Zur gleichen Zeit begann auch der Siegeszug des Internets in China. Von Anfang an stand die chinesische Führung hierbei vor dem Dilemma, wie man das Internet für Chinas Modernisierung nutzen kann, ohne die Kontrolle über gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu verlieren. Eines war hierbei jedoch immer klar: den Weg von Kuba, Burma oder Nordkorea, die ihren Bürgern schlicht den Zugang zum Internet verwehren wollte man nicht gehen. Trotz aller Einschränkungen, Sperrung von einzelnen Webseiten und systematisches Durchforsten von Emails nach »Sperrwörtern« ist daher das Internet für chinesische Jugendliche zu einem nicht mehr wegzudenkenden Teil ihres Lebens geworden, wobei jedoch große Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen entwickelten und unterentwickelten Regionen bestehen.

Seit einem Jahrzehnt veröffentlicht das China Internet Network Information Center halbjährliche Berichte über die Internetentwicklung in China. Neben dem starken Anstieg der User-Zahl lässt sich folgendes feststellen: Die 130 Millionen chinesischen Internet-User sind geographisch sehr ungleichmäßig über das Land verteilt. Während in Europa oder Nordamerika keine wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land, entwickelteren und weniger entwickelteren Gebieten bestehen, sind in den Großstädten wie Peking oder Shanghai ein Drittel der Bevölkerung online, während dies in den ärmeren Provinzen im Süden und Westen wie Guizhou oder Tibet nur 2 bis 3 Prozent sind.

Das gender gap, das Verhältnis von Männern und Frauen, die online sind, schließt sich nur relativ langsam, und stärker als in vielen anderen Ländern der Welt, sind die Männer online vertreten: fast 60 der User sind männlich. Vom Alter her gesehen stellen junge Leute die Mehrzahl der Internet User dar: die größte User-Gruppe sind die 18- bis 24-Järigen (35 %), es folgt die Gruppe zwischen 25 bis 30 (19,3 %) und unter 18 (16,6 %). Das heißt 71.0 % der User sind unter 30. Auch die verschiedenen Berufsgruppen sind sehr ungleichmäßig vertreten: SchülerInnen und StudentInnen machen 35 % der User aus. Aber auch die Zahl der LehrerInnen mit 7 % ist beachtlich und etwa so hoch wie die Zahl anderer Staatsangesteller/Behördenangestellter. Die meisten User entstammen der neuen Mittelschicht, aber auch die so genannten WanderarbeiterInnen, d.h. MigrantInnen aus ärmeren Provinzen, - zumal wenn sie im Dienstleistungssektor wie Hotels tätig sind – nutzen das Netz regelmäßig.
Die Geschwindigkeit des chinesischen Internets hat sich in den letzten Jahren verbessert – sowohl was die Bandbreite betrifft als auch die Art der Zugangs: fast 60 Prozent der User können sich heute über DSL oder vergleichbaren Anschluss einwählen. Die meisten User haben daher auch einen relativen Bildungsgrad: mehr als 50 Prozent besitzen einen Fachhochschulabschluss oder höher und 30 Prozent sind noch Schüler einer High School – vergleichbar mit der Mittel- oder Oberstufe im deutschen System.

Internetnutzung

Womit verbringen die chinesischen User ihre Zeit am Computer? Nach einer aktuellen Umfrage von CNNIC spielen Nachrichten die größte Rolle, aber auch Email, wobei im internationalen Vergleich diese beiden Features jedoch in China von geringerer Bedeutung sind. Eine Besonderheit spielt die große Bedeutung von Instant Messaging, wobei das verbreitetste Programm in China QQ im Westen so gut wie unbekannt ist, aber von fast jedem chinesischen Jugendlichen benutzt wird und ein Westler, der kein QQ kennt, als »fremdes – und vor allem technologisch rückständiges – Wesen« betrachtet wird. Ebenso kommt den verschieden Internetforen – angeboten von den großen Webportals wie Sina, Sohu oder Netease, aber auch von den größeren Schulen und insbesondere Universitäten – eine sehr große Bedeutung zu: etwa die Hälfte der Internetuser sagen von sich, dass sie die regelmäßig diese Foren besuchen. Ein Drittel der User verbringt die Zeit mit dem Hören von Musik, dem downloaden von Filmen und dem Spielen von Internet Games – wobei anzumerken ist, dass das chinesische Internet im Bereich politischer Informationen bedeutend stärker kontrolliert ist als im Westen, aber im Bereich von Copyright weiterhin ein Paradies für Musik- und Filmliebhaber ist – so bietet die chinesische Suchmaschine sogou.com einen MP3-Suchdienst an, der im Westen unvorstellbar wäre. Weitaus geringer ist das Interesse am Gestalten persönlicher Webseiten, welches nur von knapp 15 Prozent genutzt wird. Grund hierfür sind chinesische Gesetze sein, die das Registrieren von Webseiten verbindlich machen und das Verbot von kostenlosen Websites wie von Yahoo (bzw. Geocities). In letzter Zeit haben jedoch Blogs Einzug in China gehalten und sowohl die großen internationalen Blogs wie MSN (spaces.msn.com) als auch chinesische Blogs wie CNBlog.org erfreuen sich großer Beliebtheit. Ein weiterer Bereich, der auch von Jugendlichen genutzt wird, betrifft Online Erziehung und Weiterbildung – genutzt von 15 Prozent der User: Dies reicht von Angeboten Englisch zu lernen bis hin zur Vorbereitung auf Universitätsaufnahmeprüfungen. Ebenfalls zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit renommierter Universitäten an der Küste und in den großen Städten mit kleineren Universitäten im unterentwickelten Westen, sodass es über E-Learning Möglichkeiten bestehen, auf Materialien und Kurse der Peking Universität oder andere renommierter Universitäten der Hauptstadt oder Shanghais zuzugreifen. E-Banking und E-Commerce dagegen spielen eine vergleichsweise geringe Rolle.

Um den digital divide deutlich zu machen, schauen wir uns im Folgenden einmal zwei fiktive Beispiele an, wie unterschiedlich chinesische Jugendliche die neuen Technologien nutzen: Xiao San ist der Sohn einer typischen Pekinger Mittelstandsfamilie: Seine Familie besitzt eine Eigentumswohnung und ein eigenes Auto. Xiao San hat sein eigenes Zimmer und geht auf eine renommierte Senior High School. Zusätzlich besucht er noch Nachhilfeunterricht, der in China jedoch wenig damit zu tun hat, dass Xiao San ein schlechter Schüler ist, sondern dass nur Privatschulen in der Lage sind, optimal auf die Universitätsaufnahmeprüfungen vorzubereiten. Schon seit geraumer Zeit benutzt die Familie einen PC, in letzter Zeit ist noch ein kleiner Laptop hinzukommen. Weiterhin gibt es eine Digitalkamera und einen VCD/DVD Player: Der DSL Anschluss gehört in der Eigentumswohnung zum Standard. Mobiltelefone sind nicht aus dem Leben Xiao Sans wegzudenken, und er besitzt gleich zwei: eines nur für Peking mit einer festen Nummer, welches sehr kostengünstig ist und eines mit einer chinaweit verwendbaren Sim-Karte und einfachen Kamera, welches er jedoch in aller Regel nur für das Versenden von SMS/MMS verwendet – auf chinesisch natürlich. Der PC und Laptop befinden sich im Wohnzimmer, auch wenn Xiao San ihn hauptsächlich verwendet, da seine Eltern selten privat ins Internet gehen, sein Vater höchstens wenn er Emails liest und verfasst, seine Mutter hat in letzter Zeit an wenig an der Börse spekuliert. Xiao San verbessert sein Englisch mit verschiedenen Lernprogrammen und hat auch zwei Brieffreunde in den USA gewinnen können. Wenn er keine Hausaufgaben verfasst, gehört QQ – Instant Messaging – zu seiner Lieblingsbeschäftigung. Wenn Xiao San dann in zwei Jahren erfolgreich seine Universitätsaufnahmeprüfung bestanden haben wird, wird er wohl weiterhin QQ benutzen, aber sich zunehmend dem Internetforum seiner Universität zuwenden, welches eine Vielzahl an Lifestyle Themen bietet: von Autos, Software, über die beliebten »wuxia Roman« (Helden- und Kriegerromane) bis in zur Möglichkeit, online dates zu suchen.

Li Min dagegen lebt in einem kleinen Dorf in Guizhou, einer der ärmsten Provinzen Chinas, doch in der Nähe zu einer Kleinstadt mit mehreren Zehntausenden von Einwohnern. Sie selbst besucht auch eine High School, doch die Chancen nach Abschluss der Schule auf eine Universität zu kommen sind gering; ihre Eltern besitzen eine kleine Farm, zusätzlich verdient sich ihre Mutter Geld durch einen kleinen Imbiss. Weitere Familienmitglieder arbeiten – illegal – in den Boomstädten des Ostens wie Shanghai. Li Min ist seit kurzem im Besitz eines einfachen Mobiltelefons, verwendet dieses jedoch ausschließlich um an einige Freunde und Freundinnen SMS zu verschicken. Ihre Schule besitzt seit einiger Zeit einige Rechner, nicht genug für alle Schüler, doch da Li Min in Mathematik sehr gut ist, ist sie einer der Privilegierten, die den Computerkurs mitmachen darf. Ihre Eltern haben keinen Rechner und Li Min kann eigentlich nur den Schulrechner benutzen. Sie könnte auch die paar Kilometer zur Kleinstadt zurücklegen und dort in einer der zahlreichen – oftmals ohne Lizenz arbeitenden Internet-Cafés gehen – aber für eine junge Frau gehört sich das nicht, da diese Cafés in aller Regel von jungen Männern besucht werden, die stundenlang Online Spiele spielen, und auch die verrauchte Atmosphäre behagt ihr nicht. In letzter Zeit hat jedoch in ihrem Dorf in der Nachbarschaft ein kleines Café geöffnet, eigentlich sind es nur zwei Computer, die in einem Laden untergebracht sind. Die Verbindung ist langsam, aber Li Min geht dort manchmal hin, zumal eine ältere Freundin von ihr nun in der Provinzhauptstadt an einer weiterführenden Schule ist, und die beiden chatten gerne miteinander. Erst neulich musste Li Min für einen Nachbarn ins Internetcafé gehen: sein Sohn, der in Korea in einem China-Restaurant arbeitet, hat ihm eine Email geschickt, und nur sie wusste, wie man sie abruft.
Dies sind zwei Extrembeispiele von jugendlichen Internetusern in China: dem reichen Mittelstandskind, der mit dem Internet nicht minder vertraut ist, als sein/ihr Altersgenosse im Westen und dem Jugendlichen in den ärmeren Gebieten, der auf Internet Cafés und relativ schlecht ausgestattete Schulen angewiesen ist. Ob sich diese Lücke – das digital gap – zwischen den beiden Gruppen schließt, oder eher noch zunimmt ist schwierig zu beantworten. Infrastrukturverbesserung, Pläne der Regierung sprechen dafür, dass es zu einer Verbesserung kommt, aber wenn die bessere Ausstattung mit ICT dann einen Vorteil für die bereits entwickelten Regionen hat, dann kann man davon ausgehen, dass gemäß dem Motto »Wer hat dem wird gegeben« sich die Kluft noch vertiefen wird.
Es sind also insbesondere die Großstädte, in denen das Internet – ebenso wie andere ICTs, Mobiltelefone und VCD/DVD Player – zu einem bedeutsamen Teil des Lebens der Jugendlichen geworden ist. Angesichts der günstigen Preise für SMS scheint es, das Jugendliche ununterbrochen Nachrichten tippen, MTV flimmert von den Bildschirmen, die McDonaldisierung der Gesellschaft schreitet selbst in den Kleinstädten voran und Bilder von Jugendlichen in den Großstädten lassen eher auf Tokio, Hongkong oder Taipei schließen als auf ein sich selbst immer noch als sozialistisch bezeichnende VR China.

Internet-Foren

Als Beispiel für einen BBS, Bulletin Board System oder Internet-Forum, in dem sich junge User treffen, stelle ich im Folgenden den Chat von Sohu.com vor, einem der großen Portale in China, und verdeutliche, wie sehr das Internet zur Selbstverwirklichung von Jugendlichen dienen kann: in einem solchen chinesischen BBS finden wir unterschiedlichste Themenfelder: Kultur, Lifestyle, Liebe und Bekanntschaften, Nachtleben, Immobilien, Gesundheit, Frauen, Autos, Musik und Film, Sport, Schule und Universität. Offensichtlich spiegelt die Betonung von Lifestyle und Privatleben die Dominanz der Mittelklasse wieder. Untergruppen wie Schulen und Universitäten sind dagegen bedeutend stärker nach den einzelnen Regionen gegliedert, wobei jedoch zu bedenken ist, dass die meisten größeren Universitäten ihre eigenen BBS anbieten. Um noch einmal das Beispiel von Xiao San aufzugreifen: er könnte alleine für Peking zwischen 30 und 40 Themen wählen: »Hotel für alle«, »online Liebe«, »Frauen«, »Singles«, »queer«, »Männerdorf«, »Chat Station«, »Herumwandern in Peking«, »Peking Mode«, »Leben in einem Hutong [die traditionellen eingeschossigen Wohngebiete]«, »Leben im Ausland«, »Suche nach Reisegefährten«, »Shopping«, »Astrologie«, »Tickets«, »Urlaub«, »Pflanzen«, »Tiere«, »Sammler«, »Olympiade«, »Ich liebe mein zu Hause«, »Briefmarken« etc. Li Min hingegen müsste sich mit einem einzigen Forum, benannt nach der Provinz, zufrieden geben.

Blogs

Gesellschaftlicher Anspruch, Veränderungswillen der Jugend zeigt sich weniger in den Internet-Foren die zum Entertainment und zur Selbstverwirklichung, sondern in einem für chinesischen Verhältnis neuem Phänomen: dem Aufkommen von Blogs. Später als im Westen, dann aber mit einer ungeahnten Heftigkeit haben sich Blogs den Weg in chinesische Internet geebnet; Blogs, in denen junge ChinesInnen ihre eigenen Gefühle äußern, aber auch in einen kritische Dialog mit China und über China eingehen. Kaum ein Thema, welches hier nicht frei angesprochen werden kann: vom harmlosen Klatsch über Prominente bis zu Themen wie Umweltverschmutzung und freier Liebe. Gerade in gesellschaftlichen Bereichen wie Umweltschutz, AIDS und außerehelichem Sex zeigt sich, die Veränderung in der chinesischen Gesellschaft: kritische Themen werden kontrovers diskutiert, und auch wenn der Staat im Rahmen von Kampagnen sich immer wieder daran macht, das Netz zu »säubern«. Um nur ein Beispiel für die Rolle des Internets in der kritischen Auseinandersetzung mit staatlichen Entscheidungen zu nennen: das Nu-Staudamm-Projekt sieht vor, den mächtigen Nu Fluss aus dem Himalaja kommend zu bändigen und für die Stromversorgung nutzbar zu machen. Vorangetrieben von der Provinzregierung, aber auch mit Unterstützung von Teilen der Zentralregierung, hat das Projekt unter der ökologisch zunehmend sensibilisieren urbanen Bevölkerung großes Unbehagen hervorgerufen und wiederum spielte das Internet mit seiner Möglichkeiten der freien Diskussion – in BBS und Blogs – eine entscheidende Rolle. Während die normalen Medien wie Zeitungen und Fernsehen zum Thema Nu Staudamm inzwischen zum Schweigen verpflichtet sind, lässt sich das Internet nicht kontrollieren – und der Streit zwischen Wachstum und Umweltschutz ist inzwischen bis in die höchsten Ebenen der Regierung vorgedrungen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Chinas Jugend das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten einerseits zur Selbstverwirklichung und zum Aufbau sozialer Strukturen verwendet, andererseits aber auch dazu, sich kritisch mit Staat und Gesellschaft auseinanderzusetzen.