Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2006, Rubrik Kommentar

Forever young

von Hans-Jürgen Plate
LJR-Vorsitzender

Die »Berufsjugendlichen« – jeder kennt sie im eigenen Verband – sind Menschen, die sich mit der Jugend für die Jugend engagieren. Aber um welchen Preis?
Nehmen diese »Berufsjugendlichen« dem Nachwuchs die Luft, da sie alle wichtigen Schlüsselpositionen innehaben? Oder bieten sie mit ihrem Wissensschatz die nötige Starthilfe, um dem Nachwuchs auf die Beine zu helfen?
In vielen Verbänden gibt es momentan ein leidiges Problem: es fehlt an jungen Menschen, welche die Nachfolge der »Alten« antreten wollen. Ist eine Generation verloren gegangen? Suchen wir nicht teilweise händeringend nach jungen Menschen, die bereit sind, Positionen in unseren Organisationen zu übernehmen? Wie viele Versuche werden unternommen, um unsere demokratische Struktur zu erhalten? Es wird gesucht, es wird Überzeugungsarbeit geleistet, den jungen Menschen Hilfen zugesagt, usw. Das Thema kennt, glaube ich, fast jeder. Nichtsdestotrotz werden die Verantwortlichkeiten zumeist an »Berufsjugendliche« vergeben, da Junge nicht dazu bereit sind. Machen wir etwas falsch?

Es ist an der Zeit, die Definition zu hinterfragen: Was ist ein Jugendlicher? Bei unseren Freunden der Shanghai Youth Federation definiert man Jugendliche als unter 40 Jahre alt. Auch in unseren Gefilden scheint mir dies zutreffender zu sein, als wir es uns eingestehen wollen. Studien belegen zudem, dass sich die Zeit der »gefühlten« Jugendlichkeit nach hinten verschiebt. Auch die Mode des permanenten Jung- und Dynamisch-Seins spricht da Bände.

Ist es nicht so, dass wir uns länger jung fühlen – als wir es tatsächlich sind? Aber wonach definiert sich im Gegensatz dazu »alt«? Ist es nicht so, dass tradierte Lebenspläne, die in der klassischen bürgerlichen Gesellschaft einmal galten, mit unserem Lebenswandel nicht mehr viel zu tun haben? Früher definierte sich Jugendlichkeit als Bereich zwischen dem Kind- und Erwachsenenstatus, wobei letzterer eng verknüpft war mit dem Schritt, Verantwortung zu übernehmen und die Selbstständigkeit zu meistern. Die Selbstständigkeit scheint heute aber später einzusetzen und damit schwindet auch das Bewusstsein, Verantwortung übernehmen zu wollen.

Diese Veränderungen spiegeln sich in der Lebenswelt der Jugendverbände wieder. Die Altersstruktur unserer Gremien hat sich deutlich verändert. Das biologische Alter liegt im Durchschnitt zwar höher als noch vor ca. 10 Jahren, aber das gefühlte Alter der Akteure liegt doch meist weit vor dem »Alt-Sein«. Das jugendliche Selbstwertgefühl bestimmt durchaus unser Empfinden und Handeln. Aber wieso gehen wir davon aus, dass dieses Phänomen nur uns betrifft? Es ist viel weiter verbreitet, als wir es selber wahrhaben wollen. Die demographische Entwicklung der Gesellschaft zeigt, dass Jugendliche eine immer kleinere Bevölkerungsschicht werden. Und für schrumpfende Bevölkerungsgruppen gilt, dass es für sie immer schwieriger wird, einen Platz für die eigene Entwicklung zu finden. Schwer sind die Erwartungen, die auf dieser Gruppe lasten. So fußt ein Teil der gesellschaftlichen Sozialsysteme auf dem sogenannten »Generationenvertrag«, von dem nur wenige junge Menschen wissen, was dieser überhaupt für sie bedeutet.

Wir (»Berufsjugendliche«) dürfen darüber hinaus eines nicht vergessen: es wird von uns ja auch verlangt, »jugendlich« zu denken und zu handeln. Und zwar für die Jugendlichen, die diese Verantwortung noch nicht tragen wollen oder können, müssen wir etwas tun, um auch ihnen die Möglichkeit zu geben, sich in unserer Gesellschaft zu etablieren. Jugendverbände sind so in einer paradoxen »Advokatenrolle«. Das Ziel, junge Menschen zu aktiven Teilhabern der Bürgergesellschaft zu prägen, ist als »Weg« idealer Weise der Alltag im Mikrokosmos Jugendverband. Den Raum dafür müssen halt zuweilen auch die »Berufsjugendlichen« erstreiten und offen halten.

»Wenn wir bestehen wollen in dieser Gegenwart, dann müssen wir unsere jugendliche Eigenschaft, unsere Neugier und Dynamik und Flexibilität beibehalten, auch in einem Alter, in welchem die Jugend eigentlich längst vorüber sein müsste. Nur extreme Jugendlichkeit kann Anpassung an diese immer dramatischeren Transformationen gewährleisten. Oder besser, nur extreme Jugendlichkeit hat den Hauch einer Chance, sich daran anzupassen«, schreibt Harrison. Man könnte es auch so sagen: »Wir sind zur Jugendlichkeit verdammt. Wer nur erwachsen ist, der ist verloren. Bloß weil wir zur Jugend geradezu verdammt sind, erübrigt sich noch lange nicht die Notwendigkeit, erwachsen zu werden.« (C. Seidel, Warum wir nicht älter werden)

(Weitere Infos zum Thema gibt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung, APuZ 49-50/2005)