Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2007, Rubrik Kommentar

Verdrießliche Politik für »politikverdrossene Jugend«

Allen positiven Beispielen zum Trotz hört man immer wieder das Wort der politisch uninteressierten und ungebildeten Jugend. In erster Linie beziehen sich solche Worte stets auf die Verdrossenheit und das Desinteresse, das viele Jugendliche der Parteienlandschaft und den von ihr geprägten Parlamenten auf den verschiedenen Ebenen entgegenbringen.
Das dies eine starke Verallgemeinerung ist, sieht man sicherlich schon an der – auf niedrigem Niveau – eher steigenden Zahl junger Abgeordneter in eben jenen Parlamenten, wenn auch die Parteimitglieder aus Jugendorganisationen in den großen Volksparteien rückläufig sind.

Angesichts dieses Trends und dem vielerorts diagnostizierten Desinteresse vieler Jugendlichen stellt sich die Frage, warum manche Jugendliche den Bezug politischer Entscheidungen auf ihre Lebenswelt so einordnen, dass sie nur mit den Achseln zucken, wohingegen andere selbst aktiv gestalten wollen.

Dass Jugendliche nämlich großes Interesse an der aktiven Gestaltung ihrer persönlichen Lebenswelt und deren Verbesserung haben, lässt sich deutlich an den seit Jahren anhaltenden Trend zum steigenden Engagement von Jugendlichen in Lebenswelt nahen Bereichen – sei es im Naturschutz, dem karikativen Bereich, den Kirchen oder im Sport – sehen. Hier wirken viele Jugendliche durch ihr Engagement in der Gesellschaft. Das Paradoxe jedoch: nur in den seltensten Fällen nennen sie dieses Engagement »Politik«. Offenbar wird eine unsichtbare und undurchlässige Trennung empfunden: zwischen den lebensweltlichen und parlamentarischen Sphären, zwischen den für unmittelbares Eingreifen und Engagement offenen und den »abstrakt« politischen Bereichen scheint für viele Jugendliche ein unüberbrückbarer Abgrund zu liegen.

Wirkt der Begriff Politik etwa für sich allein schon so abschreckend, dass viele Jugendliche eher einen Bogen um die Sache schlagen? Oder ist es eine medial inszenierte Politik, das Ringen um Macht und Posten, welche so verdrießlich wirkt, dass ein parteipolitisches Engagement für Jugendliche kaum in Frage kommt?

Politik ist im Verständnis vieler von dem medialen Bild der Parteipolitik geprägt. Und dieses Bild, wie es gerade in den letzten Wochen dargeboten wurde, regt nicht nur Jugendliche an, an einer sinnvollen Mitarbeit in diesen Parteien zu zweifeln.
Sei es durch die SPD in Hamburg, die zwischen persönlichen Anfeindungen, manipulierten Abstimmungen und allgemeiner Führungslosigkeit lange vor sich hin taumelt und in der Öffentlichkeit den fatalen Eindruck hinterläßt, mehr mit persönlichem Machtausbau und -erhalt als mit gesellschaftspolitischen Problemen und Lösungen beschäftigt zu sein; oder sei es durch die CSU in Bayern, in der Intrigen geschmiedet, persönliche Skandale in der Presse breitgetreten werden und in der ebenfalls um Führungspositionen geschachert wird – die Bilder wirken auf frappierende Weise ähnlich. Wollte man einen Anti-Clip zur Parteienwerbung aus Wahlkampfzeiten drehen, abschreckendes Material findet sich aktuell zur Genüge.
Dies lässt zumindest in der Außenwahrnehmung kaum einen anderen Schluss zu, als dass die Strukturen der bürgerlichen Parteien mehr auf Machterhalt und Machtstreben ausgerichtet sind als auf die Realisierung von politischen Ideen und auf die Gestaltung der Gesellschaft.

Die benannten aktuellen Vorkommnisse sind nur zwei Beispiele für ein Bild, das viele junge Menschen sicherlich abschreckt, eigenes Engagement mit dem Begriff »Politik« belegen zu wollen. Wen wundert's auch? Ihre Parteienverdrossenheit ist Spiegel einer verdrießlichen Politik.

Eike Schwede
LJR-Vorsitzender