Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2009, Rubrik Kommentar

In Hamburg sagt man Tschüss …

Nach fünf Jahren im Vorstand des Landesjugendrings Hamburg ist es Zeit zu gehen. Ich habe in meiner Zeit viel Freude gehabt und viel gelernt – z.B. wie Demokratie aussehen kann, wenn ich meine Meinung zu gewissen Themen deutlich vertrete. Es war eine sehr bittere Erfahrung, dass die zu vertretenden Interessen von Jugendlichen in den Hintergrund treten können, wenn andere Prioritäten das Handeln einzelner Verbände bestimmen.

Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Aber die Folgen eines solchen Verhaltens werden sicher noch nachwirken – bei mir persönlich, aber auch im Miteinander zwischen den Verbänden. Dies ist sehr schade, da es nur gemeinsam voran gehen kann, um eine vernünftige Arbeit zu gewährleisten.
Wie notwendig ein gemeinsames Agieren im Bereich der Interessenvertretung ist, kann man schon daran ermessen, wie gut oder schlecht der Stellenwert verbandlicher Jugendarbeit in der politischen Öffentlichkeit verankert ist. Dazu ein Blick auf die Programmatiken der Parteien zur jüngsten Bundestagswahl.

Im Regierungsprogramm der Union heißt es: »Wir werden die Förderung der verbandlichen und offenen Jugendarbeit fortsetzen. Die vielfältige Jugendarbeit in den Jugendverbänden, den Jugendringen der offenen Jugendarbeit, der kommunalen Jugendarbeit und in den Jugendbildungsstätten ist ein Erfolgsmodell.« Dies ist meines Erachtens ein positives Signal. Unsere Arbeit wird im Lager der Union anerkannt und soll weiter gefördert werden.

Anders sieht es bei der FDP aus. Hier fanden Jugendliche nur im Zusammenhang mit Kriminalität (Drogen etc.) Einzug ins Wahlprogramm. Auch im Programm der SPD ist die Auskunft mager: »Mit einer starken Jugendpolitik wollen wir den besonderen Bedürfnissen von Jugendlichen Rechnung tragen.« Und die Grünen schreiben lediglich: »… wir [setzen] uns insbesondere für Räume und Projekte ein, die von Jugendlichen selbstbestimmt organisiert werden. Jugendverbände leisten dazu einen wichtigen Beitrag.«

Diese schmalen Lippenbekenntnisse sollten allen, die sich engagieren, eine mehr als deutliche Warnung sein. Jugendliche und ihre Interessen sind nicht überall in der Wahrnehmung der Entscheidungsträger präsent.

Auf unserem LJR-Neujahrsempfang sagte Dr. Friederike Föcking (CDU) sehr anschaulich zum Thema Integration, dass für jede Partei inzwischen Abgeordnete mit Migrationshintergrund in der Bürgerschaft säßen, da Migranten als Wählergruppe wichtig seien. Jetzt mein Umkehrschluss: Warum nicht auch Jugendliche in die Bürgerschaft wählen? Das wird kaum realisierbar sein, zeigt aber deutlich, dass Jugendliche nicht als Wähler/Engagierte/Interessierte wahrgenommen werden.
Es besteht somit die Gefahr, dass in den nächsten Landes- oder Bundeshaushalten auf unserer Ebene der Rotstift angesetzt wird. Denn es steht keine starke Lobby hinter unserer Arbeit, die uns vor kommenden Einsparwellen schützen könnte.

Deswegen mein Credo: »Tue Gutes und sprich darüber.« Jeder kann natürlich unter sich bleiben und seinen Leuten sagen, was alles toll ist. Aber wenn wir zusammen sprechen, sind wir lauter! Dann werden wir von vielen Seiten gehört, nicht allein von denen, die uns ohnehin schon kennen. Unsere Leistungen, die wir in der täglichen Arbeit erbringen, dürfen nicht aus dem Blickfeld der Entscheidungsträger fallen. Jugend ist und bleibt eine Querschnittsaufgabe für uns alle gemeinsam. Wie heißt es doch so treffend: »Jugend ist mehr als Sport und Beten!«

Tschüss sagen wir bald auch zu unserer »bunten« JuLeiCa. Es kommt die weiterentwickelte und Online zu beantragende JuLeiCa im neuen Design (optisch nun nicht mehr als »Kaugummiautomatenkarte« erscheinend – sondern im »DHL-Gelb mit Telekom-Magenta-Punkten«). Wir werden sehen, ob die erhofften Potenziale (schnellere Ausstellung, gesparte Personalkosten in der Behörde, mehr Beantragungen, mehr verwertbare Informationen über die Beantragenden) eintreten werden.

Tschüss kann man auch der SPD Hamburg sagen – mit Blick auf das letzte Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl. Eine solche Wahlniederlage in der einst roten Hafenstadt wird auch ihre Position als Opposition nicht vereinfachen: Kein Konzept, keine klare Position. Traurig, aber wahr. Vielleicht sollte sie bei der FDP schon mal nach dem Konzept der 18-Prozent-Kampange fragen. Könnte vielleicht helfen.

Zum Schluss noch ein Tschüss zum Thema »Recht auf freie Meinungsäußerung«. Herr Thilo Sarrazin äußert eine sehr polemische Sicht auf die Integrationssituation in Berlin. Er vertritt damit eine Meinung, die viele Berliner denken, aber so nicht öffentlich sagen. In der anschließenden, sehr aufgeregten Debatte wurde Herr Sarrazin nun gar mit Joseph Goebbels verglichen. Dies ist aus meiner Sicht eine Unart der Meinungspolitik in Deutschlands. Man kann und muss sich mit den Thesen auseinandersetzen, aber man darf darüber hinaus nicht den Menschen, der sie äußert, durch überzogene Vergleiche gesellschaftlich diskreditieren wollen. Bei näherer Betrachtung erkennt man die Problematik, die sich dahinter verbirgt. Ich bin froh, das jemand diese verbreitete Ansicht auch öffentlich äußert, damit die Integrationspolitik auf den Prüfstand kommt. Ich habe bisher keinen wirklich inhaltlich begründeten Protest aus Berlin gehört.
Und um es auch hier noch einmal deutlich zu machen: Herr Sarrazin spricht die Probleme an, die er in Berlin sieht. Dies sollte ihm nicht zum Schaden gereichen, denn er hat ein Recht auf freie Meinungsäußerung – auch als Mitglied des Bundesbankvorstandes. Er hat sicherlich sehr drastische Vergleiche herangezogen, aber vielleicht sollte auch mal darüber nachgedacht werden, wie mit Meinung und Meinungsmache umgegangen wird und werden sollte. Nur zur Erinnerung: Herr Sarrazin von der SPD war ehemals Senator für Finanzen in Berlin und ist kein Publizist aus dem Süden.

Nun, wie heißt es doch so schön: In Hamburg sagt man Tschüss …


Hans-Jürgen Plate,
LJR-Vorsitzender