Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2020, Rubrik HausTicker

Wie zerronnen – so gewonnen?

Der Blaue Saal auf dem Stintfang ist perdu. Zumindest für nicht zahlungskräftige Jugendverbände. Jahrzehntelang war der große Saal mit herrlichem Blick auf den Hamburger Hafen für Aktivitäten der Jugendverbandsarbeit kostenfrei nutzbar. Seit Anfang des Jahres ist diese Regelung nichtig. Der Saal steht seit längerem in der Verwaltung des Jukz, der Jugendfreizeiteinrichtung auf dem Stintfang. Diese hat eine gUG gegründet – eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft, der die Raumvermietung nun unterliegt. Die Preise sind gesalzen: die Grundmiete beläuft sich auf 150 € pro Stunde, ein ganzer Tag kostet 500 € pauschal. Diese Beträge sind für Jugendverbände nicht zu leistende Kosten. Bekannt wurde die Umwidmung durch eine Raumanfrage des Landesjugendrings. Für sein Ausbildungsseminar für Jugendleiter/innen suchte er einen ausreichend großen Saal, um unter den aktuellen Pandemie-Bedingungen die Hygiene-Regelungen für alle Teilnehmer einhalten zu können. Inzwischen ist das Landesjugendamt in der Sozialbehörde alarmiert und recherchiert die Hintergründe dieser bedenklichen Entwicklung.
Die kommerzielle Vermietung des Saals auf dem Stintfang ist ein jugendpolitischer Skandal. Nicht nur, weil Jugendverbände auf günstige oder kostenfrei nutzbare Räume angewiesen sind, um Freiräume für junge Menschen durch ehrenamtliches Engagement zu schaffen. Auch andere Wirkungsstätten von Jugendverbänden sind in Zeiten, in der Mieten steigen, bedroht. Wer die Landschaft von rund 60 Jugendverbänden in Hamburg erhalten will, muss den Zugang zu öffentlichen und kostengünstigen Räumen ermöglichen.
Der Fall des Blauen Saals ist zudem mit Blick auf die Geschichte der Jugendeinrichtungen auf dem Stintfang skandalös. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte auf dem Gelände der zerstörten Seewarte zunächst ein Hotel in bester Lage errichtet werden. Paula Karpinski, Präses der Jugendbehörde in den 50er Jahren und erste Frau in einer bundesdeutschen Landesregierung, setzte dagegen den Bau der Jugendherberge auf dem Stintfang durch, in deren hinteren Gebäudeteil sich dann das Haus der Jugend mit dem Blauen Saal befand. Mit ihrer Beharrlichkeit setzte die Senatorin Karpinski damals ein Zeichen für den Stellenwert, den die Jugendarbeit in Hamburg haben sollte. Der Landesjugendring wird hier nicht locker lassen und sich für den kostenfreien Zugang in den Blauen Saal nachdrücklich engagieren.
Zu erinnern ist an dieser Stelle auch eine vollmundige Passage im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen in Hamburg, in der ein »Haus für Engagement und Räume für die Zivilgesellschaft« versprochen wird: »Gerade junge Initiativen sind auf Orte der Zusammenkunft angewiesen. In einer attraktiven Stadt sind Räumlichkeiten ein besonders rares Gut. Wir wollen die vielen ehrenamtlich und zivilgesellschaftlich Aktiven deshalb mit einem Haus des Engagements als Kompetenzzentrum unterstützen. An einem etablierten Ort im Herzen der Stadt wie dem Museum für Hamburgische Geschichte werden wir die Nutzung von Räumlichkeiten für Arbeitsgruppen oder größere Versammlungen ermöglichen. So stärken wir das zivilgesellschaftliche Engagement von Anfang an nachhaltig.«
Wirklich nachhaltig wäre, nicht wegzunehmen, was schon mal da war. Für Jugendverbände ist der Blaue Saal ein »besonders rares Gut« . Und ob das, was einmal zerronnen ist, an anderer Stelle wieder gewonnen werden kann, bleibt mehr als fraglich. (Jürgen Garbers)