Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2019, Rubrik Kommentar

Zusammen an einem Strang ziehen

Die aktuelle Shell-Jugendstudie verschafft uns wieder einen umfangreichen Einblick in die Lebensrealitäten junger Menschen in Deutschland. Insbesondere mit ihren Fragen zur politischen Aktivität, Demokratiezufriedenheit und Populismusaffinität von Jugendlichen trifft sie den Nerv der Zeit. Aus Sicht der Jugendverbände ist es lohnend und spannend, die Erfahrungen aus der Verbandsarbeit mit den Ergebnissen der repräsentativen Studie zu vergleichen und die eigene Wahrnehmung um den gesamtgesellschaftlichen Blick der Studie zu erweitern.

Dass beispielsweise über Zweidrittel der Jugendlichen (49% »Ja/voll und ganz«, 19% »Eher ja«) die Aussage »In Deutschland darf man nicht Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden« unterstützen, ist Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die auch die Jugendverbände betrifft. Rechtspopulistische Denkmuster und Argumentationen – ob im eigenen Verband, in der Schule, im Ausbildungsbetrieb oder an der Universität – fordern die Jugendverbände heraus, ihre Rolle sowohl als Orte der politischen Bildung als auch als Akteure der demokratischen Zivilgesellschaft zu schärfen.

Auf der LJR-Vollversammlung im Oktober 2018 haben sich die Mitgliedsverbände im Landesjugendring bereits eindeutig gegen den erstarkenden Rechtspopulismus positioniert. Einstimmig haben wir beschlossen, Haltung zu zeigen – für Demokratie, Vielfalt, Würde und Gleichheit aller Menschen. Als neugewählter Vorstand werden wir das auch weiterhin tun und uns klar gegen jede Form antidemokratischer und menschenfeindlicher Bestrebungen und Ideologien stellen. Dafür ist es gut, dass im Vorstand des Landesjugendrings die Vielfalt der Jugendverbände in Hamburg repräsentiert ist. Das verleiht unserer Stimme mehr Gewicht und macht deutlich, dass die Jugendverbände  – angesichts der Infragestellung der Förderung antirassistischer Projekte und einzelner Jugendverbände von Seiten rechtspopulistischer Parteien wie der AfD – solidarisch füreinander einstehen.

Die Jugendverbände als Orte, an denen junge Menschen freiwillig, selbstorganisiert und gemeinschaftlich ihren Interessen nachgehen können, sind für die Demokratie von großem Wert. Im Jugendverband sammeln viele junge Menschen erste und positive Erfahrungen mit demokratischen Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen, sie übernehmen Verantwortung und Ämter und werden selbst zu Multiplikatoren/innen der Demokratiebildung. In dieser Funktion als »Werkstätten der Demokratie« sind sie unbedingt zu stärken. Als Jugendverbände müssen wir an diesem Punkt aber auch kritisch auf unsere eigene Praxis schauen und unter anderem überprüfen, wen wir alles mit unseren Gruppen und Aktivitäten erreichen. In der Shell-Jugendstudie erweisen sich immer wieder die Bildungsposition und die soziale Schicht der Jugendlichen als wichtige Faktoren, die mit dem persönlichen Optimismus, den politischen Einstellungen und den Sorgen und Ängsten der Jugendlichen zusammenhängen. Als Jugendverbände müssen wir uns bemühen, diese Trennlinien aufzubrechen. Der Schulabschluss, die besuchte Schulform oder der Geldbeutel der Eltern dürfen keine Hürden sein, die über das Engagement im Jugendverband bestimmen.

Ich freue mich darauf, mich als Vorstandsmitglied des Landesjugendrings weiter für die politische Anerkennung und die notwendigen Rahmenbedingungen der Jugendverbandsarbeit einsetzen zu können. Dazu gehört beispielsweise unsere Forderung, dass Schulen und Universitäten stärker als bisher bereit sind, Freiräume zu schaffen und ehrenamtliches Engagement im Jugendverband zu ermöglichen.

Von Fatih Ayanoğlu, LJR-Vorsitzender