Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2019, Rubrik Titelthema

Unterkunft und Lernort mit kleinem Fußabdruck

Was Nachhaltigkeit in Jugendherbergen heißt und warum Jugendherbergen ihren CO₂-Fußabdruck erheben

Von Karin Studier, Deutsches Jugendherbergswerk – Landesverband Nordmark

Zufriedene Gäste, zufriedene Mitarbeiter/innen, geschützte Umwelt – das leitet unser Handeln. Der Gedanke, Wirtschaftlichkeit mit sozialen und ökologischen Zielen zu verknüpfen, hat bei Jugendherbergen eine lange Tradition. Gesicherte Lebensgrundlagen und Entwicklungschancen für jetzige und künftige Generationen durch eine nachhaltige Entwicklung sind unser Ziel. Das spiegelt sich in Satzung, Bewirtschaftung und Programm wider. Und hierfür steht das »Rahmenkonzept für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung im DJH«. Es wurde 2014 vom Deutschen Jugendherbergswerk verabschiedet und da-
nach auch im Landesverband Nordmark e. V., dem Trägerverein für die 45 Jugendherbergen in Schleswig-Holstein, Hamburg und dem nördlichen Niedersachsen, mit insgesamt 8226 Betten und über einer Million Übernachtungen pro Jahr, als Ziel formuliert und eingeführt.

Aber wie lässt sich dieses abstrakte Ziel im Alltag einer Unterkunft für Kinder, Jugendliche und Familien konkret umsetzen? Welche Standards sind sinnvoll, welche sind leicht umzusetzen? Wo gibt es Stolpersteine oder Widersprüche? Was wollen die Gäste? Was ist für Mitarbeiter/innen wichtig? Einige Antworten darauf und einen Einblick in unseren Weg zur Nachhaltigkeit gibt dieser Bericht. Der Fokus liegt dabei auf ökologischen Aspekten, doch auch soziale sollen erwähnt werden.

Unsere soziale Verantwortung als Arbeitgeber spiegelt sich in einem betrieblichen Gesundheitsmanagement, umfangreichen Aus- und Fortbildungsangeboten für Mitarbeiter/innen aller Funktionsbereiche von Jugendherbergen, Möglichkeiten zum internationalen Mitarbeiteraustausch im Rahmen des weltweiten Jugendherbergsnetzes, der Beschäftigung von Menschen mit Handicap, Löhnen über dem gesetzlichen Mindestlohn oder dem Angebot einer betrieblichen Altersvorsorge.

Das Stichwort »barrierefrei« steht für ein Beispiel unserer sozialen Verantwortung Gästen gegenüber. Rolli-Piktogramme bei Jugendherbergsbeschreibungen in unseren Katalogen und auf unserer Website sind ein erster Hinweis darauf, ob eine Jugendherberge für Gäste mit Mobilitätseinschränkungen geeignet ist. Im Einzelfall ist dies allein aber nur bedingt aussagekräftig. Ob eine Unterkunft wirklich für einen konkreten Gast geeignet ist, ist von vielem abhängig. Die Größe eines Rollstuhls ist wichtig, bei einem Durchgang kommt es dann ggfs. auf den Zentimeter an, und die Frage, von welcher Seite eine Sanitäreinrichtung anfahrbar ist, kann entscheidend sein. Deshalb war es uns wichtig, unsere Informationen zur Barrierefreiheit so präzise wie möglich zu fassen. Unser Projekt »Vermessung barrierefrei« erbrachte dafür neben einer genaueren Beschreibung der Zugänglichkeit von Jugendherbergen aus der Sicht einer Betroffenen viele Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten. Dass bei Baumaßnahmen die Barrierefreiheit immer mitbedacht und soweit wie möglich umgesetzt wird, ist selbstverständlich. Jedoch ist auch klar, dass bei einem gemeinnützigen Träger nicht gleichzeitig und überall alle denkbaren baulichen Verbesserungsmöglichkeiten umgesetzt werden können.

Unsere ökologischen Nachhaltigkeitsstandard reichen vom Einsatz regenerativen Stroms über Zielvorgaben bei der Ausstattung mit LED und Durchflussmengenbegrenzern bis hin zum Ausbau des vegetarischen Verpflegungsangebots oder der Qualität der angebotenen Bildungsprogramme – um nur einige zu nennen.
Die Stromausschreibungen unserer Einkaufsgenossenschaft berücksichtigen immer auch ökologische Aspekte. So wurden z. B. über den letzten Stromanbieter laut Zertifikat, im Vergleich zum deutschen Strommix, jährlich rund 2000 t CO₂ und 2 kg radioaktiver Abfall vermieden.

Die Ausstattung mit LED und Durchflussmengenbegrenzern weiter voranzutreiben, ist unser Ziel und wird bei allen Reparaturen und Renovierungen berücksichtigt. Wichtig ist aber auch, dass gerade beim Wassersparen auch die Trinkwasserhygiene betrachtet werden muss. Herausfordernd können nicht- oder geringinvestive Energiesparmaßnahmen sein, die mit eingefahrenen Abläufen kollidieren und organisatorische Änderungen und ständige Erinnerungen notwendig machen.

Veggieday. Etwas holprig war unser Versuch, in einigen Jugendherbergen einen vegetarischen Tag in der Woche einzuführen. Dass vegetarische Verpflegung mit angeboten wird, ist selbstverständlich. Dass alle kalten und warmen Mahlzeiten an diesem Tag vegetarisch waren, wurde nicht immer und von jedem positiv aufgenommen. »Vegetarisch« heißt nicht »Es wird etwas weggenommen«, sondern »Es kommt etwas hinzu« – dieser Gedanke muss sich noch weiter durchsetzen. Doch Gästerückmeldungen wie »Spannend fand ich auch, dass ich mal was Veganes oder Vegetarisches ausprobieren konnte.« oder »Verpflegung war für unseren Geschmack sehr gut und meine Tochter meinte, in dieser JH könne sie sogar zum Vegetarier werden«, bestärken uns weiterzumachen.

Es ist eine Binsenweisheit, soll aber noch einmal betont werden: Essen muss schmecken, was bei einer Gemeinschaftsverpflegung grundsätzlich herausfordernd ist. Der Landesverband hat deshalb eine Reihe von Kochworkshops ins Leben gerufen, die regelmäßigen Erfahrungsaustausch ermöglichen, Kreativität fördern und diesen sehr wichtigen Arbeitsbereich »Küche« weiter entwickeln. Dieses Angebot stieß auf sehr positive Resonanz bei unseren Küchenmitarbeitern/innen.

Nachhaltigkeit. Mülltrennung und Müllreduzierung gehören seit Jahrzehnten zum Herbergsbetrieb. Sowohl im Gast- als auch im Wirtschaftsbereich wird immer ermöglicht, den Abfall nach Wertstoffgruppen zu trennen. Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass die korrekte Nutzung dieser Mülltrennstationen für Gäste in einem Betrieb mit ständig wechselnden Nutzern selten optimal läuft.

Portionsverpackungen haben wir aus Jugendherbergen weitestgehend verbannt, was unsere Gäste sehr positiv wahrnehmen. Warum die Einschränkung »weitestgehend«? Weil es nach unserer Ansicht eine sinnvolle Überlegung ist, sich zu fragen: Stelle ich eine große Portion Marmelade auf das Buffet, im Wissen, dass es kaum einen Rest geben wird, den ich wegwerfen muss? Oder weiß ich aus Erfahrung, Honig wird von den gerade anwesenden Gästen kaum nachgefragt, weshalb fünf Portionsverpackungen völlig reichen?

Im Verwaltungsbereich wurde komplett auf Recyclingpapier und -kartonagen umgestellt und überlegt, wie der Papierverbrauch überhaupt reduziert werden kann. Digital statt ausgedruckt muss die Devise sein. Der klimaneutrale Versand wurde auf sämtliche Postsendungen ausgedehnt. Unsere Broschüren entstehen auf FSC-Papier und klimaneutral. Damit haben wir z. B. durch Kompensation von Treibhausgasemissionen Projekte zur Wasseraufbereitung und zum Waldschutz in Kenia unterstützt.
Unsere Jugendherbergen bieten verstärkt Programmangebote mit professionellen Partnern und Pädagogen an, die gezielt ökologisches und soziales Lernen ermöglichen und somit das Umweltbewusstsein stärken und das Erkennen ökologischer Zusammenhänge sowie nachhaltiges Handeln allgemein fördern.

CO₂-Fußabdruck. Ein Kern des Nachhaltigkeitskonzepts ist es, für alle Jugendherbergen zwischen Nord- und Ostsee zu ermitteln, welchen CO₂-Fußabdruck ihr Wirtschaften hinterlässt. Mobilität, Energieverbräuche, Verpflegung, Printprodukte, Reinigung/Wäsche, Restmüllaufkommen und Wasserverbrauch fließen in den CO₂-Fußabdruck ein. Ziel ist es, dass alle Jugendherbergen des DJH weniger als 20 kg CO₂ pro Übernachtung produzieren. Bisher wurden in knapp der Hälfte der Jugendherbergen des Landesverbandes Nordmark Werte zwischen fast 10 bis 15 kg CO₂/Übernachtung ermittelt. Damit haben wir einen sehr guten Anfang gemacht. Das Angebot klimaneutraler Übernachtungen in Jugendherbergen wird ein nächster Schritt sein.
Wichtig ist uns auch: Aus dem CO₂-Fußabdruck können Jugendherbergen wertvolle Tipps für ihren Betrieb herauslesen. Denn er ist auch ein Controlling-Instrument für eine nachhaltige und wirtschaftliche Betriebsführung. Der Betrieb erhält Kennzahlen für den Vergleich mit anderen Betrieben des gleichen Typs und kann nachvollziehen, in welchen Bereichen die größten Emissions- und Kosteneinsparpotenziale liegen.

Immer dann, wenn es im Vergleich der Häuser hierbei große Unterschiede gibt, stellt sich die Frage nach dem Warum. Wenn die Stromverbräuche zwischen 12 und 70 kWh/m2 liegen: Ist es erklärbar durch Schließzeiten oder Ausstattungsmerkmale? Oder liegt es am nicht optimal eingestellter Heizkessel, nicht funktionsfähigen Thermostaten oder einer fehlenden Regulierung der Temperaturen in Anpassung an die Belegung? Deutet ein Ausreißer beim Wasserverbrauch auf eine unentdeckte Leckage hin oder spiegelt er die geforderte Legionellenprophylaxe wider? Es lässt sich vielleicht nicht immer sofort eine Antwort finden. Aber Ansatzpunkte für sinnvolle Fragen, die auch zum Verständnis des eigenen Betriebs beitragen, sind immer gegeben.

Insofern schließt sich hier der Kreis: Nachhaltigkeit ist immer als Zusammenspiel aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Verantwortung zu sehen. Diese Ansprüche miteinander in Einklang zu bringen, ist ständige Herausforderung im Alltag von Jugendherbergen.

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Alle Fotos: © DJH Nordmark