Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2018, Rubrik Kommentar

Dafür lohnt es, sich politisch einzusetzen

Von Laura Vanselow, LJR-Vorsitzende

Viele Menschen, groß und klein, die meisten tragen Kluft und ein Tuch um den Hals, viele schwarze Jurten und gute Stimmung: Ich bin beim 1. Hamburger Pfadfindertag in Planten un Bloomen – und bin beeindruckt. Denn die Veranstaltung ist groß: In den Jurten werden verschiedene Themen vorgestellt und bearbeitet, die Stämme stellen sich vor, es gibt eine Rally mit 28 Stationen (für jeden Mitgliedsstaat Europas) und eine große Gruppenfotoaktion, bei der alle Teilnehmenden die europäische Flagge nachbilden.

Ich weiß, dass nicht jeder Stamm sich als politisch begreift. Aber wenn ich mir diesen Pfadfindertag so angucke, dann kann ich es gar nicht anders empfinden: Dieses Fest ist originär politisch! Das zeigen die einzelnen Aktionen und die alltägliche Pfadi-Praxis: In einem Zelt wird LGBT zum Thema gemacht. Das Aushandeln gemeinsamer Aktionen und die Verständigung über Werte, die geteilt und vertreten werden, prägen das Pfadi-Leben. Die Einübung von Partizipation und von Verantwortungsübernahme, die Sorge um Umwelt und Gemeinschaft (sowohl in der eigenen Sippe oder im Stamm als auch weltweit) – all das ist für mich sehr politisch und wird auf diesem 1. Hamburger Pfadfindertag gelungen dargestellt.

Am Ende entsteht ein großer Abschiedskreis. Das kenne ich aus meinem Verband, allerdings folgt das Einander-an-den-Händen-fassen einem komplizierteren Muster. Ich brauche dazu einen Augenblick und orientiere mich dann an meiner Nachbarin. Das Abschlusslied kenne ich auch und singe mit, was mir von den umstehenden Pfadis – in Anbetracht meiner Nicht-Kluft – anerkennende Blicke verschafft. Der Abschiedskreis, das An-die-Hände-fassen und das Singen gefallen mir. Ich glaube, es sind diese gemeinschaftsstiftenden und -vergewissernde Momente, die ein Jeder / eine Jede aus der Jugendverbandsarbeit kennt. Jungen Menschen zu zeigen, du bist Teil einer Gemeinschaft, du zählst – wie auch alle anderen links und rechts von dir: Darum geht es doch schließlich in der Jugendverbandsarbeit, ob nun bei den Pfadis, den politischen, konfessionellen, helfenden oder ganz anderen Verbänden. Neben all den sozialen und organisatorischen Fähigkeiten, die ein junger Mensch aus der Jugendverbandsarbeit mitnimmt, ist es dieses Selbstverständnis von gelebter Gemeinschaft, das so elementar ist für unsere Demokratie.
Bezeichnend und schön ist auch der Pfadi-Gruß: Ring-, Mittel- und Zeigefinder werden ausgestreckt, während der Daumen über den kleinen Finger gelegt wird. Das symbolisiert: Die Großen (Starken) schützen die Kleinen (Schwächeren). Und dieser Gedanke steht weiter für die Grundelemente der Jugendverbandsarbeit: Zunächst für das Prinzip »Jugend führt Jugend«. Er steht für den Schritt von dem/der Gruppenteilnehmer/in zur/zum Gruppenleriter/in, für den Zusammenschluss mehrerer Sippen zu einem Pfadi-Stamm, für die Bildung einzelner Jugendverbände zu Dachverbänden und letztendlich auch für den Landesjugendring als Vertretung und Sprachrohr der Jugendverbände und aller Kinder und Jugendlichen in Hamburg.

Der Abschiedskreis löst sich auf, und innerhalb von Minuten sacken die schwarzen Jurten in sich zusammen. Es werden Feuerstellen aufgelöst und Unmengen an Material abtransportiert. Alles wuselt, aber ich habe den Eindruck, jede/r weiß, was zu tun ist. Nach 15 Minuten weiß nur noch, wer selbst dabei war, dass hier eben noch viele Pfadfinder/innen mit Jurten, Klampfen, Spaß und Aktionen die Wiese belebten.

Am Ende gehe ich nach Hause mit vielen bunten Stickern in der Tasche, einem guten Gefühl und der Gewissheit, warum wir im Landesjugendring dafür eintreten, solche Freiräume, wie ihn die Pfadis auf dem Fest mit Vielfalt und Leben füllten, für junge Menschen zu schaffen und zu erhalten. Dazu braucht es nicht nur den finanziellen Rahmen – sondern auch men/womenpower: sowohl in der Teilnehmer/innenschaft als auch bei den Leitern/innen und bei den Bildungsreferenten/innen. Diese Freiräume sind wichtig für jede/n Einzelne/n, für die Gesellschaft und für die Zukunft unserer Demokratie.