Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2016, Rubrik Titelthema

Mehr und anders!

Die Basics der Jugendverbandsarbeit

Jugendverbandsarbeit ist mehr als Unternehmungen im Freundeskreis. Und  sie ist anders als eine Teilnahme junger Menschen bei Events oder Ferienfahrten kommerzieller Anbieter. Jugendverbandsarbeit ist dergestalt mehr und anders: Weil sie auf Dauer ausgelegt und selbstorganisiert ist. Und weil sie in der Regel von Jugendlichen für Jugendliche gemacht wird. Wer einen Jugendverband gründen oder fortführen will, sollte also prüfen, ob die nachfolgenden Basics gelebt werden.  [ Die Grundlagen der Jugendverbandsarbeit sind im Sozialgesetzbuch (SGB) beschrieben; siehe dazu unter »Was wollt Ihr machen?« ]

»Drop-Out«-Klausel
Jugendverbandsarbeit richtet sich an junge Menschen und wird von ihnen gelebt. Sie ist keine paternalistische Jugendhilfe älterer Generationen, die sich um das Wohlergehen junger Menschen bekümmern wollen. Ziele und Zwecke von Jugendverbänden richten sich in der Regel an junge Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahre. Sie sind also nicht das »Objekt«, dass es zu »bespaßen« oder zu erziehen gilt, sondern junge Menschen sind selbstorganisiert die Akteure und »Bestimmer« im Jugendverband.

Ehrenamtlichkeit
Hauptamtliche sind im Jugendverband die Ausnahme. Die vielfältigen Angebote von Jugendverbänden werden weitgehend von ehrenamtlich Aktiven ausgedacht, organisert und durchgeführt. Beispiel Ferienfreizeit: Laut einer statistischen Erhebung (Projekt Freizeitenevaluation 2015) liegt der Betreuungsschlüssel bei Jugendverbandsfahrten in der Mehrzahl zwischen vier bis acht Teilnehmenden auf einen Teamer. Und diese Teamer sind in der Regel ehrenamtliche Jugendleiter/innen mit Juleica (s.u.). Zudem arbeiten auch die Vorstände der Jugendverbände ehrenamtlich.

Gelebte Demokratie und Selbstorganisation
In der Jugendverbandsarbeit gilt: Nicht allein die Strukturen (Vorstandswahlen und Programmdebatten) sind demokratisch organisiert, sondern Demokratie und Partizipation beschreiben den Alltag auf allen Ebenen der verbandlichen Arbeit. Wenn junge Menschen in ihrer Freizeit selbst entscheiden, welche Projekte sie anpacken oder welche Themen sie behandeln wollen, dann lernen sie ihre Interessen zu formulieren und zugleich den Aushandlungsprozess, was gemeinsam realisert werden soll. Zusammen mit Gleichaltrigen und den Jugendleiter/innen. Gleichberechtigt und mit Blick darauf, gefundene Projektentscheidungen auch gemeinsam in die Praxis zu tragen und zu verantworten. Gelingt dies, sind Jugendverbände Werkstätten gelebter Demokratie.

Jugendliche für Jugendliche
Wer ehrenamtlich im Jugendverband aktiv ist und eine Leitungsrolle ausübt, sei es auf Ferienfreizeiten, bei Gruppenstunden oder auf Seminaren, wird  Jugendleiter/in genannt. Sie sind das Rückgrat der Jugendverbände und werden besonders qualifiziert durch eine Ausbildung, an derem Ende der Erwerb der bundeseinheitlichen Juleica (Jugendleiter/in-Card) steht.  [ mehr zur Juleica unter »Ehrenamtlich und qualifiziert«Diese Ausbildung können junge Menschen in der Regel ab 16 Jahren absolvieren und in die aktive Leitung von Gruppen in ihrem Jugendverband einsteigen. Daraus resultiert ein weiteres Grundprinzip: Jugendverbandsarbeit ist, pädagogisch beschrieben, »Gleichaltrigenerziehung«. Rund drei Viertel aller Jugendleiter/innen sind laut bundesweiter Statistik sind unter 25 Jahre alt. Das macht Jugendverbandsarbeit attraktiv für junge Menschen. Sie treffen hier Leute, die ähnlich ticken, also ihre Lebenswelt, Interesen und Probleme teilen.

Freiwilligkeit, Offenheit, aber nicht unverbindlich
Jugendverbandsarbeit basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Jugendliche entscheiden selbst, ob sie in einem Jugendverband aktiv werden wollen oder nicht. Das individuelle Interesse zählt. Freiwillig bedeutet jedoch nicht beliebig. Wer nicht allein an einer Aktion oder an einer Ferienfahrt teilnehmen, sondern für einen längeren Zeitraum sich engagieren möchte, wird Mitglied in jenem Jugendverband, der zu seinen Interessen, Leidenschaften oder Überzeugungen passt. Folglich gilt auch für Neugründer eines Jugendverbandes: Die Basis ist das Mitgliederprinzip von Vereinen. Damit einher gehen Regeln, die sich die Mitglieder in der Satzung ihres Jugendverbandes, die Ziele und Zwecke beschreibt, selbst geben. Da dies demokratisch geschieht, ist so eine Satzung auch nicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt. Ist etwas veraltet oder passt nicht mehr zu den aktuellen Interessen, können die Verbandsmitglieder über eine Reform ihrer Satzung beraten und abstimmen.
Grundsätzlich stehen die Angebote der Jugendverbände allen Jugendlichen offen, sofern es nicht besondere Altersvorgaben für spezielle Angebote gibt. Folglich gilt: Jede/r kann mitmachen und ausprobieren!

Bunt, vielfältig und nicht eindimensional
Über 60 Jugendbände gibt es in Hamburg: von der Arbeiter-Samariter-Jugend bis zur Waldjugend, von konfessionellen, kulturellen bis zu politischen Jugendverbänden, von Pfadfindern bis zur Sportjugend, vom Jugendrotkreuz bis zur Jugendfeuerwehr oder von der Vereinigung Hamburger Deutsch-Türken bis zum Internationalen Jugendverband Europa-Lateinamerika.  [ > Übersicht aller Hamburger Jugendverbände | > Reportagen: Jugendverbandsarbeit vor Ort ]
Vielfältigkeit ist ein wesentliches Merkmal der Jugendverbandsarbeit. Doch das gilt nicht allein in der Vielzahl der Vereinigungen und deren Ausrichtung. Vielfältigkeit beschreibt auch die innerverbandliche Aktivität. Denn nicht eine eindimensionale Tätigkeit wie Fußballspielen, Naturschutzkunde oder  »Retten und Bergen« macht eine Gruppierung zum Jugendverband. Ob Sportjugend oder Naturschutz-Jugend oder Jugendfeuerwehr: Zu dem jeweiligen Hauptmerkmal kommen begleitend eine Vielzahl regelmäßiger Angebote, Aktionen und Projekte hinzu, die unterschiedliche Interessen ihrer Jugendlichen aufgreifen und von ihnen mitgestaltet werden. Erst dann kann man von einem lebendiger Jugendverbandsarbeit sprechen.

Nicht-kommerziell
Jugendverbände sind natürlich nicht-kommerziell. Mit ihren Angeboten wird kein »Geld verdient«. Mitglieds- oder Teilnahmebeiträge, z.B. bei Ferienfahrten oder Seminaren, sollen einen Teil der anfallenden Kosten decken. Im Vergleich zu kommerziellen Anbietern sind Angebote der Jugendverbände in der Regel relativ kostengünstig, da vieles selbstgemacht ist und zudem finanzielle Zuschüsse aus dem staatlichen Landesförderplan »Familie und Jugend« beantragt werden können. Beispielsweise helfen Extramittel Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien, um an Ferienfahrten teilzunehmen. (jg)