Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2014, Rubrik Titelthema

Stichwort: Salafisten

»Wenn jemand verheiratet ist und Unzucht begeht, der muss gesteinigt werden. Das sind Allahs Gesetze.«

(Der salafistische Prediger Ibrahim Abou-Nagie in einem Internetvideo – vgl. www.spiegel.de/politik/deutschland/ibrahim-abou-nagie-organisiert-die-verteilung-des-koran-in-deutschland-a-827367.html)

So wird argumentiert: Die geistige Rückbesinnung auf die »Altvorderen« (arab. as-Salaf al-Salih‚ vom arabischen Wort »as-Salaf«: der Vorfahre, der Vorgänger) ist der religiöse Ausgangspunkt. Die Salafisten argumentieren, dass der Islam sich heutzutage zu weit von seinen Ursprüngen entfernt habe, und daher wollen sie wieder leben wie die ersten drei Generationen der Muslime nach dem Tode des Propheten Mohammed. Aus diesem Grund lehnen sie alles, was es zur Zeit des Propheten noch nicht gab, als »unerlaubte Neuerung« ab und orientieren sich bei ihrer Kleidung und dem Bartwuchs am Vorbild des Propheten. Als Gesetz erkennen sie nur die Scharia an – also Regeln und Vorschriften, die sich aus dem Koran und der Sunna, dem Leben des Propheten – ableiten lassen. Das schließt auch die Steinigung von Frauen ein, die Ehebruch begangen haben sollen. Nach Beobachtungen des Verfassungsschutzes streben Salafisten letztlich die Errichtung eines »Gottesstaates« an.

Hintergrund: Die salafistische Strömung des Islams entstand erst im 19. Jahrhundert – mit Vorläufern im 15. Jahrhundert. Ursprünglich handelte es sich dabei um eine moderne Strömung, die versuchte, die neuen Entwicklungen aus dem Westen aufzunehmen und gleichzeitig die Wurzeln des Islams beizubehalten. Unter dem Einfluss des Wahhabismus aus Saudi-Arabien wandelte er sich jedoch zunehmend zu einer reaktionären Strömung, die zum Teil auch nicht vor Gewalt zurückschreckt, um ihre altertümlichen Vorstellungen einer religiösen Ordnung der Gesellschaft durchzusetzen. Doch: »Nicht alle Salafisten sind Terroristen, aber alle Terroristen mit islamischem Hintergrund waren zumindest zu einem Zeitpunkt salafistisch orientiert«, sagte der Pressesprecher des Innenministeriums, Jens Teschke, der Deutschen Welle.

Das ist daran gefährlich: Durch seine vereinfachte Einteilung der Welt in schwarz und weiß – haram (verboten) und halal (erlaubt), Muslime (Gläubige) und Kuffar (Ungläubige) – ziehen die Salafisten viele junge Menschen an, die den Eindruck haben, sich in der komplizierten modernen Welt nicht mehr zurechtzufinden, in der sich nicht alles in »Gut« und »Böse« einteilen lässt. Viele salafistische Prediger – wie etwa der deutsche Konvertit Pierre Vogel – haben nie eine theologische Ausbildung erhalten und wissen womöglich gar nicht um die komplexen und kontroversen Diskussionen unter islamischen Rechtsgelehrten. Stattdessen präsentieren die Salafisten meist einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte. »Sie verstehen es, den Islam in eine populäre Form zu gießen«, so der Osnabrücker Islamwissenschaftler Prof. Rauf Ceylan. Damit spielen die friedlichen auch den gewaltbereiten Salafisten und Dschihadisten in die Hände: Die ultrakonservative Auslegung des Islams fungiert zunehmend als Ideologie, mit der radikalisierte junge Menschen ihr Eintreten für den Dschihad rechtfertigen. Einer von ihnen, Erhan A., beschrieb gegenüber der Süddeutschen Zeitung sehr eindringlich seine Hinwendung zum radikalisierten Islam. Das lesenswerte Interview findet sich unter: sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/42259/Ich-glaub-das-steht-irgendwo-im-Koran

Weiterdenken + Weiterfragen: Religiöser Fundamentalismus ist nicht allein im Islam als zunehmende Strömung zu beobachten. Die religiöse Rechte in den USA bildet ein Pendant. Die Ablehnung von Aufklärung, Evolutionstheorie und Moderne ist auch ihr wesentlich. So sieht etwa der evangelikale Christ Tim LaHaye in Darwins Theorie den Grund für die »Zerstörung des moralischen Fundaments« der Vereinigten Staaten und macht den säkularen Humanismus für Drogen, Sex, Gewalt und Hemmungslosigkeit an Schulen verantwortlich. Sind die Widersprüche der Moderne der Grund für den Griff in die religiöse Mottenkiste? (mb)

Weiterschauen: »Forum am Freitag« von zdf.info mit Prof. Rauf Ceylan zum Thema »Salafismus und populistischer Islam« auf YouTube unter: http://youtu.be/dfXIm4H4SKg

Quellen: www.dw.de/salafisten-im-visier-der-ermittler/a-16675985 | www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-islamismus-und-islamistischer-terrorismus/was-ist-islamismus/salafistische-bestrebungen