Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2013, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

»Auch in Zukunft ein Erfolgsmodell«

Senatsempfang für engagierte Jugendleiter/innen

Von Isabella David, Hamburg

»Hamburg engagiert sich«: Mehr als 800 Ehrenamtliche waren am 5. Dezember zum traditionellen Senatsempfang zum »Tag des Ehrenamts« geladen – erstmalig handelte es sich dabei explizit um engagierte Jugendleiter/innen.

Trotz Sturm »Xaver« treffen rund 500 Ehrenamtliche aus den 60 Hamburger Jugendverbänden im großen Festsaal des Rathauses ein. Empfangen werden sie mit musikalischen Klängen der Gruppe Dalara Ezgi aus dem MIG-Zentrum – und natürlich vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz: »Dieser Empfang ist ein Dank für Ihre Arbeit, Ihre Leidenschaft und Ihr Engagement.« Zum internationalen Tag des Ehrenamts sollten in diesem Jahr besonders jene jungen Hamburger/innen gewürdigt werden, die sich ehrenamtlich in der Jugendverbandsarbeit engagieren.

Die Zukunft selbst in die Hand nehmen. »Gerade die ehrenamtlich geleistete Arbeit von, für und mit Jugendlichen hat für mich einen unschätzbaren Wert für unsere Gesellschaft«, sagt Scholz weiter. Mit ihrem Wirken würden die ehrenamtlich Engagierten die Gesellschaft mitgestalten und somit einen prägenden Beitrag zum sozialen Klima der Stadt leisten. Besonders wichtig sei es dabei, dass die junge Generation ihre Zukunft selbst in die Hand nehme und so Grundwerte wie Solidarität, Rücksichtnahme, Fairness, Hilfsbereitschaft und Toleranz weiter vermittelt würden. Dies sieht Scholz auch als demokratisches Fundament, das in der deutschen Geschichte nicht immer selbstverständlich war: »Die Vielfalt von 60 Jugendverbänden in Hamburg wäre vor 70 Jahren im damaligen Nazi-Deutschland nicht möglich gewesen.« Alle Jugendverbände waren gleichgeschaltet und in die Hitler-Jugend zwangsweise eingegliedert worden. Wie heute fest im Grundgesetz verankert, gelte der Pluralismus von Weltanschauungen und Werthaltungen in besonderem Maße auch in der Jugendverbandsarbeit. »Nach diesen Prinzipien hat weder rassistisches noch antisemitisches oder auch antiislamisches Gedankengut Platz in der Gesellschaft und erst recht nicht in der Jugendarbeit«, betont der Bürgermeister. Viele Jugendverbände würden überdies einen großen Beitrag zur Integration von jungen Migranten/innen leisten.

Finanzielle Unterstützung für das »Erfolgsmodell«. Die Anerkennung für den zivilgesellschaftlichen Beitrag der Jugendverbandsarbeit zeige sich auch in der Förderpolitik des Senats. »Denn wir setzen trotz knapper Kassen klare Schwerpunkte: So ist die finanzielle Unterstützung der Jugendverbände seit 2011 stabil. Und so soll es auch in Zukunft bleiben, was keineswegs selbstverständlich ist«, betont Olaf Scholz.
Besondere Herausforderung sei es, die Vereinbarkeit von Ganztagsschule, Bachelor- und Masterstudium sowie Ausbildung mit dem Ehrenamt junger Menschen auch in Zukunft zu gewährleisten. »Manche der älteren Schülerinnen und Schüler oder auch Studierende stehen vor der Frage, ob ein zeitaufwendiges, ehrenamtliches Engagement wie in den Jugendverbänden noch möglich ist. Für die Jugendverbände ist das eine Existenzfrage«, sagt Scholz. Der Bürgermeister zeigt sich zuversichtlich, dass es mit den Schulen und Universitäten zu Gesprächen und Verabredungen über die Freiräume und Anerkennung ehrenamtlichen Engagements komme. Da die Situation von Schule zu Schule sehr unterschiedlich sei, werde es darauf ankommen, möglichst passgenaue Lösungen zu entwickeln. »Die Umsetzung dieser gewiss nicht einfachen Aufgabe hat die Unterstützung des Senats, auch finanziell«, sichert Olaf Scholz zu. Zu diesem Zweck wird unter anderem eine halbe Stelle beim Landesjugendring Hamburg aus Projektmitteln finanziert. »Ohne hier zu sehr ins Detail gehen oder gar den Schulen in ihre Gestaltungsfreiheit hineinregieren zu wollen, bin ich doch überzeugt, dass es mit den Schulen zu Verabredungen kommt, um das ehrenamtliche Engagement von älteren Schülerinnen und Schülern unter Bedingungen der Ganztagsschule zu erleichtern und zu unterstützen.« Schließlich gilt es, ebenso im Hinblick auf die Hochschulen, Freiräume für jugendliches Engagement zu sichern. »Ich bin überzeugt, dass die Hamburger Jugendverbandsarbeit auch in Zukunft ein Erfolgsmodell bleiben wird«, so Scholz.

Vielfältiges Engagement in Hamburg. Um zumindest ein kleines Fenster zur Arbeit der zahlreichen und vielfältigen Jugendverbandsarbeit in Hamburg zu öffnen, werden in drei Kurzinterviews, geführt von Moderator Burkhard Plemper, einige Jugendverbände vorgestellt. »Ich engagiere mich selbst als Gruppenleiterin, weil ich weitergeben möchte, was ich selbst erfahren und gelernt habe«, sagt Claire Leinweber vom Deutschen Pfadfinderbund Hamburg. Oft sei es für die Pfadfinder gerade in Hamburg jedoch schwierig, geeignete Räumlichkeiten für die Arbeit zu finden, ergänzt Johann Meis vom Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nordlicht.
»Unsere Arbeit stützt sich auf die Säulen Bildung, Eigenverantwortung und Selbsthilfe«, erklärt Neriman Kustul, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Internationaler Jugendverbände. Die Migrantenselbstorganisation will Partizipationsmöglichkeiten aufzeigen und so zu Engagement motivieren. Hausaufgabenhilfe, Unterstützung bei der Anerkennung von Abschlüssen und Vermittlung zwischen Schülern/innen, Eltern und Lehrenden sind dabei nur einige weitere Aufgabenbereiche des Verbandes. »Von jungen Migranten und Migrantinnen wird in der Öffentlichkeit oft ein negatives Bild gezeichnet. Dabei liegt großes Potential gerade in ihrer Mehrsprachigkeit und Bikulturalität«, erläutert Melanie Martinez.

Gerade solche Vorurteile sind es, die auch der Arbeitskreis respekt* aus der Welt schaffen will. »In Wochenendseminaren und Workshops machen wir auf Rassismus, Diskriminierung und Gleichgültigkeit im Alltag aufmerksam«, erläutert Charlotte Mauff ihr Engagement für respekt* bei der Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände. Oftmals seien es Zeitzeugen, die dabei eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart bilden würden. »Von ihnen können wir auch lernen, wie bedeutsam politisches Asyl ist«, sagt Svantje Rosenberg und berichtet von einem Gespräch mit einer Überlebenden der NS-Zeit, die nur deshalb überlebte, weil sie illegal nach Argentinien einreiste und dort als Flüchtling unterkam. »In diesem Sinne fordern wir auch einen angemessenen und menschenwürdigen Umgang mit der Gruppe Lampedusa in Hamburg«, sagt die junge Ehrenamtliche weiter und erhält dafür tosenden Applaus der mehreren hundert engagierten Hamburger/innen. Auch Plakate mit der Aufschrift »Wir sind Lampedusa« werden während des Empfangs und auch noch während des anschließenden Buffets für die Ehrenamtlichen in die Höhe gehalten. Mit diesem Statement zeigen die jungen, engagierten Hamburger Bürger/innen, dass ihre Jugendverbände nicht nur in der Theorie demokratische Lehrschulen sind. Vielmehr sind sie Orte gelebter Demokratie, in denen die Grundrechte nicht nur respektiert und anerkannt werden, sondern auch die Bereitschaft besteht, sich politisch für diese einzusetzen.