Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2013, Rubrik Titelthema

Integrationspolitik in Hamburg: Die gesellschaftspolitische Dimension Interkultureller Öffnung

Von Nicole Möhle, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration

Hamburg hat seine Integrationspolitik in diesem Jahr neu ausgerichtet und im Frühjahr ein neues Integrationskonzept verabschiedet. Wenn wir uns die Hamburgische Gesellschaft anschauen, wird auch schnell deutlich, warum dies notwendig war.

Unsere Stadt ist international, fast 30% aller Hamburger/innen haben familiäre Wurzeln in einem anderen Land – und bei den Kindern und Jugendlichen sind es sogar schon 45%. Insgesamt leben hier Menschen aus 179 Ländern. Was bedeutet dies für unser Zusammenleben? Für unser Integrationsverständnis? Es bedeutet, sich konsequent von dem Denken »wir und die anderen« zu verabschieden, Vielfalt zu leben und auch dem politischen Handeln ein Wir-Konzept zugrunde zu legen.

Die Herkunft und die Frage »Woher kommst Du« soll zukünftig keine Rolle mehr dafür spielen, wie sich das Leben hier gestaltet. Wer jetzt denkt, dass wir uns selbst widersprechen, weil wir immer noch von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sprechen, der hat Recht. Aber wir wollen diese Unterscheidung nur noch vorübergehend bzw. so lange, wie die Statistik eine migrationsspezifische Benachteiligung oder strukturelle Diskriminierung in fast allen Lebensbereichen aufzeigt. Das Ziel des neuen Integrationskonzepts muss daher sein, diese Benachteiligungen abzubauen. Schon der Titel »Teilhabe, Interkulturelle Öffnung und Zusammenhalt« macht unser interkulturelles Integrationsverständnis deutlich, und durch alle Kapitel ziehen sich die zentralen Strategien der Interkulturellen Öffnung und der Anti-Diskriminierung.

Was das bedeutet, möchte ich anhand zweier Beispiele vorstellen: Schulpolitik und Sport.
Für die Schule bedeutet interkulturelle Öffnung, dass sie sich bewusst auch auf die kulturelle und sprachliche Heterogenität der Schüler/innen ausrichtet. Ein Ziel ist, dass alle Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft gleiche Chancen auf einen guten Schulabschluss haben; bislang ist der Anteil von Abiturienten/innen mit Migrationshintergrund aber noch deutlich geringer als derjenigen mit deutschen Wurzeln.
Im Kapitel »Sport« des Integrationskonzepts geht es zum Beispiel nicht nur darum, mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Migrationshintergrund für den Sport zu begeistern. Sondern es wird als wichtiges Ziel gesehen, »möglichst viele Menschen mit Migrationshintergrund als Übungsleiterinnen und -leiter, Betreuerinnen und Betreuer, aber auch als Trainerinnen und Trainer, Kampfrichterinnen und -richter oder Funktionärinnen und Funktionäre im organisierten Vereins- und Verbandssport zu gewinnen.« Denn ob ein Mensch zum Beispiel ein Talent als Trainer oder Kampfrichter hat, hat nichts mit seiner Herkunft zu tun. Trotzdem sind viele solcher Funktionen immer noch eher mit Menschen ohne Migrationshintergrund besetzt.

Ein weiteres ganz wichtiges Kapitel im Integrationskonzept, welches hier vorgestellt werden soll, betrifft die Jugendverbandsarbeit:
»Jugendverbände tragen in besonderer Weise zur Förderung von gesellschaftlichem Engagement, Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, Verantwortungsübernahme und Toleranz bei: In Jugendverbänden lernen Kinder und Jugendliche, sich selbst zu organisieren und ihre eigenen Interessen zu entfalten, sie üben demokratische Prozesse und übernehmen Verantwortung für sich und andere. Insbesondere jugendliche Flüchtlinge haben im Rahmen des Jugendgipfels der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) im Mai 2012 u.a. gefordert, dass sie mehr Gelegenheit erhalten, sich auszuprobieren, um zu erkennen, was ihnen Spaß macht. Zudem haben sie ihren Wunsch nach mehr Kontakt zu ,deutschen‘ Gleichaltrigen bekundet. Beides ist in Jugendverbänden in idealer Weise möglich.

Untersuchungen zeigen jedoch, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in ,deutschen‘ Jugendverbänden unterrepräsentiert sind. Allerdings haben sich in den letzten 30 Jahren mehrere internationale Jugendverbände in Hamburg gebildet, die speziell für Jugendliche mit Migrationshintergrund attraktiv sind, da sie die sozialen und bildungsspezifischen Bedürfnisse dieser Jugendlichen ansprechen und dabei einen sensitiven Erlebnisraum für kulturelle und kreative Aktivitäten bilden. Die zunehmende Zahl dieser Jugendorganisationen und der wachsende Zulauf in den letzten zehn Jahren spiegeln die demographischen Veränderungen in der Hamburger Jugend wider. Die Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (VJM) leisten einen konstruktiven Beitrag zur Integration und bilden eine Brücke des Verstehens und des Respekts zwischen den Kulturen. (…) Die Verbände sind offen für junge Menschen jeglicher Nationalität und kultureller Herkunft, schon heute arbeiten in den Verbänden deutsche Jugendliche auf allen Ebenen mit.

Zur Interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit gehören daher zwei Aspekte:
• die Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Jugendverbänden,
• die gleichberechtigte Anerkennung und Partizipation der Vereine und Verbände von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.«

Durch das Prinzip Selbstorganisation kann und darf der Staat den Jugendverbänden hier zwar keine Vorschriften machen. Er kann aber fördernde Rahmenbedingungen schaffen. Dies macht die BASFI durch Beratung, die Ermöglichung von Fortbildungen und aktuell auch durch die Kofinanzierung des Projektes »Partizipation – Bildung – Integration. Integration von Migrant/-innenjugendselbstorganisationen (MJSO) in Jugendverbandsstrukturen«. Viel Spaß und Erfolg dabei!

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Weitergehende Informationen:
http://www.hamburg.de/contentblob/128792/data/konzept.pdf
oder barrierefrei: http://www.hamburg.de/contentblob/3980828/data/konzept-integration-zuwanderer-barrierrefrei.pdf