Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2012, Rubrik Titelthema

Deportation rappen?

Maximilian Jakob (17) und Pia Laura Eileen Abel (16) über eine Revolution der Erinnerungskultur

Einen Gedenkort mitgestalten: Was bedeutet das für dich, Max?

Max: Ich glaube, ich war nicht der einzige, der anfangs nicht verstanden hat, was wir hier machen. Dann hat sich herausgestellt, dass es die Ausstellung, die es am Lohseplatz geben soll, bereits gibt und dass wir nur noch Teile ergänzen können. Und das fand ich sehr, sehr traurig. Ich fand’s schon cool, dass wir überhaupt etwas machen können, aber ich hatte mir vorgestellt, dass wir viel, viel mehr machen können. Und ich find’s auch cool, dass wir Sachen einbringen können, die genau das Gegenteil von dem Erinnerungsbild sind, das wir in Deutschland haben. Gerade dieser Hip-Hop-Song, wo ich mit Leib und Seele hinter stehe, das ist wirklich mal etwas ganz anderes. Diese »Revolution der Erinnerungskultur« finde ich den spannendsten Teil des Projekts.

Wie erlebst du denn die gegenwärtige Erinnerungskultur?

Max: Sehr, sehr viel Museum. Man guckt sich viel an, muss viel lesen und dann ist man auch echt geschockt. Das ist gut so, aber ich finde, dass gerade wir meine Generation mit Medientechnik und Facebook ansprechen müssen, damit die sich das mal angucken und es ihren Kindern weitergeben. Es soll vor allem emotionaler werden. So dass sie dann nachdenken und sich auch gegen Rechts engagieren. Dafür haben wir das Hip-Hop-Lied gemacht. Wir haben den Chillout-Room mit den Biographiewürfeln, wo man sich entspannen kann und dann aber zu den Plexiglaswürfeln greifen kann und dort die Biographien von Deportierten nachlesen kann. Und dann planen wir eine Tondusche. In den vier Ecken eines dunklen Raumes wird jeweils eine Lebensgeschichte von Deportierten erzählt, und wenn man in der Mitte steht, hört man alles durcheinander. Das soll ein Gefühl erzeugen wie in einem Deportationswaggon. Und dann haben wir einen Eingangsbereich geplant, in dem die Türen gleich zugehen: Man hört Zuggeräusche und hat wieder das Gefühl, in einem Deportationswaggon zu sein. Dort wird dann ein Brief verlesen, den eine Frau schrieb, als sie in einem Waggon saß. Dann hört man noch eine kleine Einleitung in die Ausstellung, danach erst gehen die Türen wieder auf. Also: Weniger lesen, mehr hören.

Pia, wie siehst du das?

Pia: Also, ich hab’ nicht gedacht, dass wir alleine eine Ausstellung planen könnten. Aber ich fand es schade, dass die Räume festgelegt sind. Wir hatten untereinander schon diskutiert, wie wir die Räume gestalten wollen, mit Tunnel und Eisenbahnschienen … Und das kann man gar nicht mehr umsetzen, weil so viel schon durch die Gedenkstättenplanung festgelegt ist. Im Endeffekt haben wir viel zu wenige Räume, weil wir so viele Ideen haben. Wir wollten auch einen Raum für Filme haben. Wir hatten also das Gefühl, dass die sagen: »Wir machen jetzt was mit Jugendlichen, damit es irgendwie Interesse erweckt.« Aber im Endeffekt steht schon alles fest. Wir haben also viele Ideen einzubringen, aber wir glauben nicht, dass vieles davon auch umgesetzt wird. Wichtig ist uns jetzt der Hip-Hop-Song, den wir besonders cool finden. Der ist sehr ironisch und überspitzt – mit historischen Bezügen, die nicht richtig sind. Uns wurde gesagt, dass das nicht gut ist, und es kam sehr viel Kritik. Aber wir wollen überspitzen und so die Aufmerksamkeit der Leute haben.

Wie kam es denn zu dem Lied?

Max: Wir haben hier mit einem Rapper zusammen gesessen und sehr viel politische Musik angehört, von Bertolt Brecht über die Toten Hosen bis hin zum Ballermann-Partysong. Also wir haben uns damit beschäftigt, was politische Musik sein kann und dann einen Beat gesucht, zu dem wir texten wollten. Dann haben wir aus einem Kinderlied einen »Deportations-Rap« geschrieben – mit dem Refrain: »Tuk Tuk Tuk die Eisenbahn, wer von uns muss diesmal fahr’n, wir brauchen keinen Fahrschein, wenn wir Glück ham, komm’ wir lebend an.« Das fanden viele im Beirat – der ist hier ja das Wichtigste – zu krass.