Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3+4-2011, Rubrik Titelthema

Anmerkung zum Titelthema

Jugendsexualität im Internetzeitalter

Voll pornös ist ein gebräuchliches Adjektiv junger Menschen, das der Duden den Szenefremden im »Neuen Wörterbuch der Szenesprachen« mit »super, toll, geil« erklärt. Keine Frage, die Sprache Jugendlicher ist (nicht erst seit gestern) mit Sexismen angereichert. Doch wofür steht dies? Für sexuelle »Verrohung«?

Diesen Argwohn Älterer bedient aktuell das Schlagwort von der »Generation Porno«. Es rauscht seit Sommer durch den Blätterwald. Die Zuspitzung sorgt für eine aufgeregte Debatte. Auf dem Höhepunkt der medialen Hysterie warnt gar die Gattin eines ehemaligen Bundesminister der Verteidigung über ein Boulevardblatt: »Pornografie verdirbt unsere Kinder.«

Dieser Generalverdacht über die sexuelle Verrohung Jugendlicher ist jedoch so dramatisierend wie soziologisch kurzschlüssig. Er basiert auf der banalen Feststellung, der Zugriff auf pornografische Bilder und Filme sei für Jugendliche via Internet so einfach wie nie zuvor (also vor dem Internetzeitalter), und ist verquickt mit der Folgerung, der – statistisch nachweislich zunehmende – Pornokonsum führe unmittelbar zur Verderbnis der ganzen Jugend. Eins plus Eins macht hier mal eben Drei, und ein weiteres Vorurteil über die Jugend ist fertig. Ohne einmal analysiert zu haben, wie die jugendliche Rezeption der Pornografie und deren Wirkung tatsächlich ausschauen.

Dass es anders geht, zeigen Urszula Martyniuk und Silja Matthiesen vom Hamburger Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie. Sie fragen im Titelaufsatz: »What do boys/girls do with porn?« Ihr Beitrag zur »Jugendsexualität im Internetzeitalter« basiert auf einer aktuellen, noch laufenden Studie des Instituts.

Aufklärung über Jugendsexualität ist notwendig – auch um zu wissen, wie die Prävention sexualisierter Gewalt im Jugendverband geleistet werden kann. Die landläufige Vorstellung, Pornografiekonsum verführe zu sexualisierter Gewaltanwendung, ist ebenso kurzschlüssig wie der vorherige, generelle Verderbnisverdacht. Was jene Gewalt jedoch ausmacht, wo Grenzüberschreitungen unter Jugendlichen oder zwischen ihnen und Erwachsenen passieren können und wie in Jugendverbänden eine Präventionskultur einzurichten ist, beschreiben Kai Sachs und Heinz Fuchs im Artikel »Prävention ist machbar«. (jg)