Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3+4-2011, Rubrik Kommentar

Aktiv wählen ab welchem Alter?

Zur Debatte um die Wahlrechtsreform in Hamburg

Von Ronja Kieslich, LJR-Vorsitzende

Ab 16? An Politik zu partizipieren, bedeutet für junge Menschen, die eigene Zukunft mit zu gestalten. Wahlen sind direkte Prozesse zur Beteiligung von Bürgern und Bürgerinnen an der Politik und somit tragende Säule unserer Demokratie. Wählen ist ein unverzichtbares Grundrecht, das gem. § 38 (1) GG zunächst allgemein gilt. Beschränkt wird dieser Allgemeinheitsgrundsatz jedoch durch eine Altersgrenze. In der Bundesrepublik Deutschland ist sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht zumeist an die Volljährigkeit geknüpft. Das aktive Wahlrecht ab 16 Jahren ist in Deutschland noch relativ jung. In insgesamt sechs Bundesländern darf inzwischen auf kommunaler Ebene ab 16 gewählt werden. Bremen ist zurzeit das einzige Bundesland, in dem 16- und 17-Jährige auch auf Landesebene wählen können. Aktuell wird in der Hamburger Politik diskutiert, ob auch wir den Schritt in Richtung mehr Demokratie wagen.

Der Landesjugendring Hamburg beschäftigt sich bereits seit längerer Zeit mit diesem Thema. 2006 hat die Vollversammlung eine Position verabschiedet, mit dem Tenor »Wahlalter senken & Partizipation stärken«. In Jugendverbänden übernehmen junge Menschen früh viel Verantwortung – und das erfolgreich. Der Landesjugendring Hamburg fordert mehr Partizipationsmöglichkeiten über die Jugendverbandsgrenzen hinaus. Wir wollen eine Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre.

Signalwirkung. Die Jugend beginnt heute früher! Mit dem Eintritt in das Jugendalter entwickeln jungen Menschen neue Interessen und Bedürfnisse. Für Politiker sind die Interessen von Jungendlichen jedoch oftmals von zu geringer Bedeutung – nicht zuletzt, weil sie bei Wahlen (noch) nicht stimmberechtigt sind. Ein durchschnittlicher Jugendlicher im Alter von 14-Jahren besitzt ohne Frage die intellektuelle Urteilsfähigkeit, die für einen Wahlakt erforderlich ist. Ob der einzelne Jugendliche politisch interessiert und politisch gebildet ist, welche Partei er wählen würde oder ob er überhaupt wählen möchte, darf bei der Frage nach dem Wahlrecht keine Rolle spielen. All dies sind natürlich Qualitätskriterien einer Demokratie, spielen im Hinblick auf das Wahlrecht von volljährigen mündigen Bürgern jedoch ebenfalls keine Rolle. Niemand würde auf die Idee kommen, bestimmten Gesellschaftsgruppen ihr Grundrecht zum Wählen zu entziehen, nur weil sie davon kaum Gebrauch machen. Mit welchem Recht also wird Jugendlichen dieses Grundrecht vorenthalten?

Der Soziologe K. Hurrelmann bringt es auf den Punkt: »Eine allgemeine Absenkung des Mindestwahlalters wäre ein gesellschaftliches Signal, dass junge Menschen zur Wählerschaft und damit zu der mitbestimmenden aktiven Population einer Demokratischen Gesellschaft gezählt werden.«

Zu radikal? Wer bereits bei der Herabsenkung des Wahlalter auf 16 Jahre aufschreit, sei erinnert an die Forderung einer viel radikaleren Wahlrechtsreform, für die sich in den 90er Jahren Hamburgs damalige Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) stark machte: Sie plädierte für ein Wahlrecht für Kinder – und zwar von Geburt an! Ihre Argumentation fußt auf der Interpretation einer der wichtigsten Säulen unserer Demokratie, die das Grundgesetz im Artikel 20 (Absatz 2) beschreibt: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus« – und nicht, wie Peschel-Gutzeit betont, allein »vom volljährigen Volk«. Der Gleichheitsgrundsatz müsse daher auch beim Wahlrecht verwirklicht werden. Denn »wer Kindern und Jugendlichen das Wahlrecht weiter vorenthält, leistet einer zukunftsgefährdenden, ausbeuterischen Politik der nächsten Generation weiter Vorschub.« (s. punktum 1+2/1999) Und Peschel-Gutzeit weiter: »Durch die Gewährung des aktiven Wahlrechts von Geburt an kann das politische Gewicht von Familien und Kindern ihrer gesellschaftlichen Bedeutung angepasst werden.« Eltern hätten – bis ihre Kinder selbst aktiv wählen gingen – die »treuhändlerische« Ausübung des Wahlrechts zu übernehmen.

An dieser Position gemessen, nimmt sich die in Hamburg zur Debatte stehende Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre wie ein »Reförmchen« aus. Aber diese Reform wäre ein Schritt in die richtige Richtung!