Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2011, Rubrik Titelthema

Demokratie als Lebensform?

Woher kommen die Demokraten in einer Demokratie? Durch die Beteiligung an Wahlen alle paar Jahre? Allein dadurch wohl kaum. Demo­kratie ist keine Meinungsumfrage. Wahlen sind ein Element der Volks­herrschaft, Demokratie als Lebensform greift weiter.

Demokratie erfordert vielmehr die Wandlung des einzelnen Individuums zum politischen Menschen. Der Einzelne wird zum zoon politicon, so wie Aristoteles ihn in der Zeit der attischen Demokratie bestimmte, indem er aus der alleinigen Verfolgung seiner privaten Interessen ohne Rücksicht auf andere heraustritt und an der Bildung eines gemeinsamen Willens teilnimmt. Unpolitisch ist folglich der, dem die Entwicklungdes Gemeinwesens gleichgültig ist, »der den kollektiv erwirtschafteten Reich­tum privatisiert und sich weigert, aktiv an den Volksversammlungen teilzunehmen« (vgl. Oskar Negt im nachfolgenden Beitrag).

Diese Wandlung zum politischen Menschen gilt es einzuüben. Demokratie ist die einzige staatlich verfasste Gesellschaftsordnung, so Negt weiter, »die gelernt werden muss – nicht ein für allemal, so als könnte man sich einen gesicherten Regelbestand aneignen, der fürs ganze Leben ausreicht, sondern immer wieder. Und solch ein Lernprozess ist ohne praktische Übung nicht möglich.«

Jugendverbände verstehen sich als Werkstätten der Demokratie. Junge Men­schen organisieren sich selbst, unternehmen Freizeiten, treten für ihre gemeinsamen Interessen ein und gestalten demokratisch das Ver­bands­­leben. Demokratie als Lebensform soll hier als praktische Übung erlern- und lebbar sein.

Aber ist es das? Im zweiten Titelthemenbeitrag stellen Richter und Sturzenhecker Jugendverbände auf den Prüfstand und kritisieren zwei Tendenzen, welche die innerverbandliche Demokratie auszuhöhlen drohen. (jg)